@TSB
Ich kann deinen "Einwand" durchaus nachvollziehen und gebe dir auch recht. Die Frage ist, ob es hier an dieser Stelle darum geht. Meiner Meinung nach steht das "Thema" des Bildautors und die Frage ist, wie hat er es umgesetzt? Passt es zueinander? Was könnte man besser machen? Wäre es bei deiner Beschreibung nicht umgekehrt? Der Autor zeigt ein Foto und sammelt dazu Interpretationen? Wobei das eine das andere natürlich nicht ausschließt…
Dieses Foto - unabhängig von der tollen Inszenierung usw. - ist m. E. ein klassisches Beispiel dafür, wie man mit der Kombination von Bild UND Text den/uns Betrachter beeinflussen kann. Und damit dokumentiert es die manipulative Macht eines Bildes.
Mich hätten die Interpretationen interessiert, wenn der Fotograf geschrieben hätte, dass die Kinder am frühen Morgen nach einem Regenguß auf einer Passstraße in den Alpen unterwegs waren. Aber Fotos von Kindern berühren ja durchaus emotional stärker als Fotos mit Erwachsenen oder alten verfallenen Häuser, die Niedergang oder eine ungewisse Zukunft darstellen sollen.
Aber die Intention des Fotografen ist ja durch seinen Subtext deutlich geworden.
Seit langem mal wieder ein Foto, das mich festhält. Seltsamerweise ist mein Blick zuallererst auch in die Landschaft geschweift, vielleicht aber auch nur, weil ich in einer Gegend lebe, wo es bis auf die Höhe der Berge im Hintergrund an einigen Stellen durchaus ähnlich aussehen könnte . Dann habe ich den Titel gelesen und als ich die Kinder genauer betrachtete war ich ziemlich irritiert. Aufgeklärt hat es sich, als ich die Beschreibung gelesen habe.
Mir gefällt das Foto außerordentlich, weil man all das, was der Autor damit zum Ausdruck bringen möchte, in den Gesichtern, der Haltung und Erscheinung der Kinder wieder findet. Absolut authentisch und ungestellt. Was die Gesichter mir sagen? Skepsis, Machtlosigkeit, vielleicht auch schon Resignation, vor allem aber fehlende Unbeschwertheit, die Kindern zustehen sollte. Man könnte jetzt noch viel in Details hinein interpretieren, aber ich glaube nicht, dass es das Bild noch besser machen würde. Die Landschaft war so da und der Fotograf hat die Kinder in meinen Augen genau richtig positioniert. SW ist hier auch perfekt. Ich könnte mir vorstellen, dass es zu einer ganzen Reihe von Bildern gehört, die dokumentieren möchten, was in der Ukraine zur Zeit passiert.
Ich finde es ja immer interessant, was man so alles in ein Foto hineininterpretieren kann. Der Fotograf lenkt durch seinen Text bewusst in eine ganz bestimmte Richtung.
Für mich ist es ein ganz tolles Foto, eine wunderbare Momentaufnahme zweier Kinder, die einfach nur etwas genervt wirken, sich in ihrer Tätigkeit gestört fühlen - wie sonst ist der leicht verkniffene Mundwinkel des rechten Jungen sonst zu verstehen? ;-) - und einfach nur gerne weiterlaufen würden, um Pilze zu sammeln oder sonstwohin zu gehen.
Eine Diskussion über ein Bild sollte auch ein Versuch sein, sich über dessen Inhalt zu verständigen, damit man über den gleichen Gegenstand nachdenkt. Deswegen finde ich - speziell hier - einen Subtext notwendig.
Es ist nicht gleichgültig, wo man die Protagonisten hinstellt, denn der Ort, hier der Straßenverlauf usw. symbolisiert die Lage, in die die beiden gestellt sind, die politische Situation, die den Autor so besorgt macht.
bei einem streng von gewichtung und graphik bestimmten schnitt hätte ich [sic!] links das ansteigende stück des abgehenden weges geschnitten.
geht es hier um
1. den schnitt
2. die grauwerte, stellvertretend für etwas, was man technisches beherrschen der geräte
3. den gewollten oder angedeuteten inhalt
oder
4. die lenkung des auges des betrachters?
wie wichtig ist deren verflechtung? wie subjektiv bewertet der einzelne punkt? an der situtation wie wir sie wahrnehmen ändert weder ein weggelassenes schild, ein weggeschnittenes strassenstück noch ein unausgewogenes histogramm etwas. denn in der tat verhält es sich genau umgekehrt: wir nehmen die situation wahr und suchen nach parallelen oder widersprüchen zwischen dem gezeigten und dem empfundenen, formulieren diese und freuen uns über die eigene so unter beweis gestellte cleverness.
das bild könnte[!] auch bunt sein. ein panorama. hochkant. wenn man daraus nun eine andere botschaft lesen würde, was sagte das über uns aus? dass wir die form den inhalt bestimmen lassen und uns die darstellung wichtiger ist als das dargestellte?
und die antwort auf die letzte frage ist oft erschütternd.
da ich jetzt sicher genug geschrieben habe und der platz für andere diskussionsteilnehmer auch reichen soll, verweise ich jetzt nur noch auf die anmerkung von , 27.05.2014, 17:15, der nichts hinzuzufügen ist.
Reden wir jetzt über das Bild oder darüber, ob es authentisch ist?
Für mich ist wichtig, dass das Bild alle gestalterischen Ansprüche erfüllt , um eine große Aussage zu tragen. Wie schon geschrieben wird diese Aussage für mich groß in den Gesichtern der Kinder. Ob die nun arm und aus der Ukraine sind oder auf einer österreichischen Bergstraße stehen, interessiert doch gar nicht. Sicher, wenn der Autor das Bild in einen Kontext stellt, sollten wir das berücksichtigen, aber wie wichtig ist das schon für das Bild? Das wird jetzt schon sehr philosophisch, will dazu nur noch sagen, das das authentische, unmittelbare Bild in der Fotografie immer ein Problem ist, im Digitalen erst recht, deshalb habe ich Barbara Klemm erwähnt.
Aber auch sie hat ja nur an einem Ort zu einer Zeit zufällig, aber geplant und geschult Bilder auf Film aufgenommen, die als Bild wahnsinnig gut sind.
Wenn wir dem Autor die Authentizität seines Bildes abnehmen, bleibt nur noch die eine Frage: hat er ein gutes Bild gemacht?
Da würde ich hier JA sagen, weil es ein unmittelbares Bild ist. Es ist eben so, dass die Leitplanke links aufhört und dass die Stromleitungen zu sehen sind. In der Idee des Bildes viel wichtiger sind zwei Elemente: die Kurve und das Schild als Kontrapunkt und der kleine Dialog abseits der Protagonisten zwischen der linken Tanne und der rechten, von der man nur ein paar Äste sieht. Für mich der absolut richtige Bildschnitt.
ein vergleichbarer strassenverlauf bei solcher strassenbreite ist mir als ebenfalls eingeborenem hier in A noch nicht untergekommen und es ist auch nicht wirklich von belang in welcher region das bild anzusiedeln ist.
die universelle botschaft die man aus haltung und ausdruck der kinder herauslesen kann ist unabhängig von gegend, land oder auch kontinent.
die frage ob der ohnedies bereits unscharfe strassenrand durch kunstgriffe verlängert werden sollte ist obsolet, weil subjektiv. ich etwa empfinde durch die wölbung der strassendecke im vg allein schon eine ausreichende tiefenwirkung. und läge nicht auch eine subtil lenkende manipulation vor (die verzichtbar ist, da die erzielt werden sollende aussage ohnehin klar auf der hand liegt)?
btw. die beantwortung der frage, ob man hier nun auch noch den frühen gewaltsamen tod john lennons (the long and winding road) thematisieren sollte, überlasse ich anderen.
@Der Jürgen: Genau dieser Schnitt zieht meinen Blick immer weg vom Zentralen, von den beiden Kindern.
Und je länger ich dieses Bild betrachte, um so sicherer bin ich: Diese Aufnahme hätte durchaus auch irgendwo anders, z.B. Österreich gemacht werden können. Es gibt genug Bergstraßen, mit ähnlichem Verlauf und jugendliche Pilzesammler. Nur der Einführungstext (wie oberhalb schon angeführt) des Fotografen lässt uns keine andere Wahl, als das Bild mit dem Leben in der Ukraine zu assoziieren. Es ist dadurch aber nicht schlechter, sondern zeigt, wie wichtig manchmal ein Subtext ist.
lg Ernst
Es ist schon sehr viel geschrieben. Mich stört ein wenig der Bildschnitt, ich denke das Straßengeländer links sollte vom Bildrand weglaufen und so mehr Dynamik erzeugen - aber das ist jammern auf hohem Niveau, und würde dazu die Aussage ein wenig verändern....
Das Bild ist ein besonders aussagekräftiges Dokument! Abbildungen von Kindern in armen Verhältnissen erreichen uns emotionell.
Diese Aufnahme zeugt auch insbesondere davon, dass immer die Menschen unter die Räder kommen, wenn sich die Reichen und Mächtigen eine so fruchtbare Region und ein strategisch (wer bestimmt das eigentlich?) wichtiges Land unter den Nagel reißen wollen.
Kurz: Das Bild berührt uns und erreicht damit das Gewollte - damit ist es gut - sehr gut! Das ist aber auch der Einführung des Fotografen zu danken, der uns Betrachter diesen Weg weist.
es vermengen sich vertrautes und fremdes, bekanntes und unverständliches. das rüde zerschneiden der landschaft durch die leitungen, die der topographie angepasste strasse, nicht zuletzt das schild, dass ich eher als pointe wahrnehme.
wieder wird einer generation von heranwachsenden ein teil der kindheit vorenthalten. den kindern kann ich nur viel glück wünschen, sie sind ein appell an die vernunft der erwachsenen. möge er wenigstens für die beiden gehört werden.
Mich hat das Foto sofort an Barbara Klemm erinnert. Die große Ausstellung ihrer Arbeiten in Berlin habe ich noch gut im Kopf, und hier ist das gleiche Gefühl wieder und kann nur B/W sein: ein perfekt komponiertes Foto, das in seiner Schlichtheit durch den Ausdruck in den Gesichtern groß zu werden beginnt. Und natürlich durch die Tüte mit dem nur einen Pilz. Da hat jemand verstanden, wie man mit einem Bild eine Situation zeigen kann.Wenn man das so macht, muss man keine Gründe, keine Erklärungen abgeben, das Bild trägt in sich alles.
Ein politisch interessierter, ein heimatverbundener Mensch zeigt mit diesem Bild seine persönliche Besorgnis über die Zukunft der Ukraine am Tag nach der Wahl.
Worauf sich seine Besorgnis richtet, symbolisiert er mit diesen beiden Kindern, die unterwegs sind, etwas besonders gutes, nämlich Pilze zu sammeln; ihre Sammlung ist noch nicht sehr erfolgreich gewesen, obwohl man sehen kann, dass sie durch nassen Wald, Gebüsch und Wiesen gestreift sind.
Der Autor zeigt uns also Jugend, deren Zukunft möglicherweise beschwerlich ist, Jugendliche, die sich vielleicht sehr anstrengen müssen, etwas Gutes zu finden - Jugend, deren Haltung hier nicht die übliche, von uns erwartete Unbeschwertheit und Lebensfreude kennzeichnet.
Die beiden Kinder stehen am Rand einer Straße, sie zeigen mit ihrer Körpersprache, dass sie ernsthaft mit ihrem Vorhaben beschäftigt sind, und man sieht weit und breit kein Haus; sie nehmen weite Wege auf sich, um an die begehrten Pilze zu kommen. Sie machen es sich also nicht leicht.
Der Junge zeigt eine gewisse Überlegenheit in seiner Haltung: leicht schräg gestellter Kopf, lässige Schultern, Hände in den Hosentaschen - Ernsthaftigkeit des Blicks, aber der Mund.... vielleicht fragt er gerade was...
Das Mädchen signalisiert eher Skepsis (oder Ergebenheit in die Notwendigkeit, für ein Foto still zu stehen) und möchte wieder zu ihrer eigentlichen Unternehmung zurück.
Darin sehe ich ein Symbol für die unterschiedliche Sicht der einzelnen Menschen auf die veränderte Situation: Der eine meint, dass man das Problem eben anpacken wird, und die andere hätte vielleicht lieber das gewohnte Leben, in dem man sich zurecht findet. Sie ist noch jünger - und im Märchen wird ja auch alles am Ende von selber gut!
Das Foto hat mich sofort an Dorothea Lange erinnert, einer amerik. Dokumentar-Fotografin, deren Fotos auch das Elend ihrer Zeit zeigen. Die Mimik der Kindergesichter auf dem obigen Foto könnten fast vermuten lassen, daß sie um das Drama ihres Landes wissen. Kein Lächeln, nur Skepsis. Die Armut wird sichtbar, da wird der eine Pilz in der Plastiktüte fast zum Symbol; sie sammeln eine Mahlzeit.
Das Foto, sehr gut in s-w, läßt vielen Gedanken Raum und jeder Betrachter wird es wahrscheinlich anders deuten.
Henrika Tröster 28/05/2014 18:41
@TSBIch kann deinen "Einwand" durchaus nachvollziehen und gebe dir auch recht. Die Frage ist, ob es hier an dieser Stelle darum geht. Meiner Meinung nach steht das "Thema" des Bildautors und die Frage ist, wie hat er es umgesetzt? Passt es zueinander? Was könnte man besser machen? Wäre es bei deiner Beschreibung nicht umgekehrt? Der Autor zeigt ein Foto und sammelt dazu Interpretationen? Wobei das eine das andere natürlich nicht ausschließt…
TSB 28/05/2014 15:37
Dieses Foto - unabhängig von der tollen Inszenierung usw. - ist m. E. ein klassisches Beispiel dafür, wie man mit der Kombination von Bild UND Text den/uns Betrachter beeinflussen kann. Und damit dokumentiert es die manipulative Macht eines Bildes.Mich hätten die Interpretationen interessiert, wenn der Fotograf geschrieben hätte, dass die Kinder am frühen Morgen nach einem Regenguß auf einer Passstraße in den Alpen unterwegs waren. Aber Fotos von Kindern berühren ja durchaus emotional stärker als Fotos mit Erwachsenen oder alten verfallenen Häuser, die Niedergang oder eine ungewisse Zukunft darstellen sollen.
Aber die Intention des Fotografen ist ja durch seinen Subtext deutlich geworden.
Henrika Tröster 28/05/2014 13:27
Seit langem mal wieder ein Foto, das mich festhält. Seltsamerweise ist mein Blick zuallererst auch in die Landschaft geschweift, vielleicht aber auch nur, weil ich in einer Gegend lebe, wo es bis auf die Höhe der Berge im Hintergrund an einigen Stellen durchaus ähnlich aussehen könnte . Dann habe ich den Titel gelesen und als ich die Kinder genauer betrachtete war ich ziemlich irritiert. Aufgeklärt hat es sich, als ich die Beschreibung gelesen habe.Mir gefällt das Foto außerordentlich, weil man all das, was der Autor damit zum Ausdruck bringen möchte, in den Gesichtern, der Haltung und Erscheinung der Kinder wieder findet. Absolut authentisch und ungestellt. Was die Gesichter mir sagen? Skepsis, Machtlosigkeit, vielleicht auch schon Resignation, vor allem aber fehlende Unbeschwertheit, die Kindern zustehen sollte. Man könnte jetzt noch viel in Details hinein interpretieren, aber ich glaube nicht, dass es das Bild noch besser machen würde. Die Landschaft war so da und der Fotograf hat die Kinder in meinen Augen genau richtig positioniert. SW ist hier auch perfekt. Ich könnte mir vorstellen, dass es zu einer ganzen Reihe von Bildern gehört, die dokumentieren möchten, was in der Ukraine zur Zeit passiert.
TSB 28/05/2014 11:55
Ich finde es ja immer interessant, was man so alles in ein Foto hineininterpretieren kann. Der Fotograf lenkt durch seinen Text bewusst in eine ganz bestimmte Richtung.Für mich ist es ein ganz tolles Foto, eine wunderbare Momentaufnahme zweier Kinder, die einfach nur etwas genervt wirken, sich in ihrer Tätigkeit gestört fühlen - wie sonst ist der leicht verkniffene Mundwinkel des rechten Jungen sonst zu verstehen? ;-) - und einfach nur gerne weiterlaufen würden, um Pilze zu sammeln oder sonstwohin zu gehen.
elstp 28/05/2014 9:00
Eine Diskussion über ein Bild sollte auch ein Versuch sein, sich über dessen Inhalt zu verständigen, damit man über den gleichen Gegenstand nachdenkt. Deswegen finde ich - speziell hier - einen Subtext notwendig.Es ist nicht gleichgültig, wo man die Protagonisten hinstellt, denn der Ort, hier der Straßenverlauf usw. symbolisiert die Lage, in die die beiden gestellt sind, die politische Situation, die den Autor so besorgt macht.
Der Könich 28/05/2014 8:01
bei einem streng von gewichtung und graphik bestimmten schnitt hätte ich [sic!] links das ansteigende stück des abgehenden weges geschnitten.geht es hier um
1. den schnitt
2. die grauwerte, stellvertretend für etwas, was man technisches beherrschen der geräte
3. den gewollten oder angedeuteten inhalt
oder
4. die lenkung des auges des betrachters?
wie wichtig ist deren verflechtung? wie subjektiv bewertet der einzelne punkt? an der situtation wie wir sie wahrnehmen ändert weder ein weggelassenes schild, ein weggeschnittenes strassenstück noch ein unausgewogenes histogramm etwas. denn in der tat verhält es sich genau umgekehrt: wir nehmen die situation wahr und suchen nach parallelen oder widersprüchen zwischen dem gezeigten und dem empfundenen, formulieren diese und freuen uns über die eigene so unter beweis gestellte cleverness.
das bild könnte[!] auch bunt sein. ein panorama. hochkant. wenn man daraus nun eine andere botschaft lesen würde, was sagte das über uns aus? dass wir die form den inhalt bestimmen lassen und uns die darstellung wichtiger ist als das dargestellte?
und die antwort auf die letzte frage ist oft erschütternd.
da ich jetzt sicher genug geschrieben habe und der platz für andere diskussionsteilnehmer auch reichen soll, verweise ich jetzt nur noch auf die anmerkung von , 27.05.2014, 17:15, der nichts hinzuzufügen ist.
have a nice day.
Michael Waitz 28/05/2014 1:14
Reden wir jetzt über das Bild oder darüber, ob es authentisch ist?Für mich ist wichtig, dass das Bild alle gestalterischen Ansprüche erfüllt , um eine große Aussage zu tragen. Wie schon geschrieben wird diese Aussage für mich groß in den Gesichtern der Kinder. Ob die nun arm und aus der Ukraine sind oder auf einer österreichischen Bergstraße stehen, interessiert doch gar nicht. Sicher, wenn der Autor das Bild in einen Kontext stellt, sollten wir das berücksichtigen, aber wie wichtig ist das schon für das Bild? Das wird jetzt schon sehr philosophisch, will dazu nur noch sagen, das das authentische, unmittelbare Bild in der Fotografie immer ein Problem ist, im Digitalen erst recht, deshalb habe ich Barbara Klemm erwähnt.
Aber auch sie hat ja nur an einem Ort zu einer Zeit zufällig, aber geplant und geschult Bilder auf Film aufgenommen, die als Bild wahnsinnig gut sind.
Wenn wir dem Autor die Authentizität seines Bildes abnehmen, bleibt nur noch die eine Frage: hat er ein gutes Bild gemacht?
Da würde ich hier JA sagen, weil es ein unmittelbares Bild ist. Es ist eben so, dass die Leitplanke links aufhört und dass die Stromleitungen zu sehen sind. In der Idee des Bildes viel wichtiger sind zwei Elemente: die Kurve und das Schild als Kontrapunkt und der kleine Dialog abseits der Protagonisten zwischen der linken Tanne und der rechten, von der man nur ein paar Äste sieht. Für mich der absolut richtige Bildschnitt.
Der Könich 27/05/2014 22:11
ein vergleichbarer strassenverlauf bei solcher strassenbreite ist mir als ebenfalls eingeborenem hier in A noch nicht untergekommen und es ist auch nicht wirklich von belang in welcher region das bild anzusiedeln ist.die universelle botschaft die man aus haltung und ausdruck der kinder herauslesen kann ist unabhängig von gegend, land oder auch kontinent.
die frage ob der ohnedies bereits unscharfe strassenrand durch kunstgriffe verlängert werden sollte ist obsolet, weil subjektiv. ich etwa empfinde durch die wölbung der strassendecke im vg allein schon eine ausreichende tiefenwirkung. und läge nicht auch eine subtil lenkende manipulation vor (die verzichtbar ist, da die erzielt werden sollende aussage ohnehin klar auf der hand liegt)?
btw. die beantwortung der frage, ob man hier nun auch noch den frühen gewaltsamen tod john lennons (the long and winding road) thematisieren sollte, überlasse ich anderen.
Ernesto Ste Obscura 27/05/2014 20:59
@Der Jürgen: Genau dieser Schnitt zieht meinen Blick immer weg vom Zentralen, von den beiden Kindern.Und je länger ich dieses Bild betrachte, um so sicherer bin ich: Diese Aufnahme hätte durchaus auch irgendwo anders, z.B. Österreich gemacht werden können. Es gibt genug Bergstraßen, mit ähnlichem Verlauf und jugendliche Pilzesammler. Nur der Einführungstext (wie oberhalb schon angeführt) des Fotografen lässt uns keine andere Wahl, als das Bild mit dem Leben in der Ukraine zu assoziieren. Es ist dadurch aber nicht schlechter, sondern zeigt, wie wichtig manchmal ein Subtext ist.
lg Ernst
Ernesto Ste Obscura 27/05/2014 15:59
Es ist schon sehr viel geschrieben. Mich stört ein wenig der Bildschnitt, ich denke das Straßengeländer links sollte vom Bildrand weglaufen und so mehr Dynamik erzeugen - aber das ist jammern auf hohem Niveau, und würde dazu die Aussage ein wenig verändern....Das Bild ist ein besonders aussagekräftiges Dokument! Abbildungen von Kindern in armen Verhältnissen erreichen uns emotionell.
Diese Aufnahme zeugt auch insbesondere davon, dass immer die Menschen unter die Räder kommen, wenn sich die Reichen und Mächtigen eine so fruchtbare Region und ein strategisch (wer bestimmt das eigentlich?) wichtiges Land unter den Nagel reißen wollen.
Kurz: Das Bild berührt uns und erreicht damit das Gewollte - damit ist es gut - sehr gut! Das ist aber auch der Einführung des Fotografen zu danken, der uns Betrachter diesen Weg weist.
Fritz Eichmann 27/05/2014 8:12
Das Bild gefällt mir sehr gut.Ein sehr intensives Bild.
Auch sie gehören zur verlorenen Generation in Europa
Der Könich 27/05/2014 7:49
vorneweg: es berührt und ist vielschichtig.es vermengen sich vertrautes und fremdes, bekanntes und unverständliches. das rüde zerschneiden der landschaft durch die leitungen, die der topographie angepasste strasse, nicht zuletzt das schild, dass ich eher als pointe wahrnehme.
wieder wird einer generation von heranwachsenden ein teil der kindheit vorenthalten. den kindern kann ich nur viel glück wünschen, sie sind ein appell an die vernunft der erwachsenen. möge er wenigstens für die beiden gehört werden.
Michael Waitz 27/05/2014 0:37
Mich hat das Foto sofort an Barbara Klemm erinnert. Die große Ausstellung ihrer Arbeiten in Berlin habe ich noch gut im Kopf, und hier ist das gleiche Gefühl wieder und kann nur B/W sein: ein perfekt komponiertes Foto, das in seiner Schlichtheit durch den Ausdruck in den Gesichtern groß zu werden beginnt. Und natürlich durch die Tüte mit dem nur einen Pilz. Da hat jemand verstanden, wie man mit einem Bild eine Situation zeigen kann.Wenn man das so macht, muss man keine Gründe, keine Erklärungen abgeben, das Bild trägt in sich alles.elstp 26/05/2014 21:04
Ein politisch interessierter, ein heimatverbundener Mensch zeigt mit diesem Bild seine persönliche Besorgnis über die Zukunft der Ukraine am Tag nach der Wahl.Worauf sich seine Besorgnis richtet, symbolisiert er mit diesen beiden Kindern, die unterwegs sind, etwas besonders gutes, nämlich Pilze zu sammeln; ihre Sammlung ist noch nicht sehr erfolgreich gewesen, obwohl man sehen kann, dass sie durch nassen Wald, Gebüsch und Wiesen gestreift sind.
Der Autor zeigt uns also Jugend, deren Zukunft möglicherweise beschwerlich ist, Jugendliche, die sich vielleicht sehr anstrengen müssen, etwas Gutes zu finden - Jugend, deren Haltung hier nicht die übliche, von uns erwartete Unbeschwertheit und Lebensfreude kennzeichnet.
Die beiden Kinder stehen am Rand einer Straße, sie zeigen mit ihrer Körpersprache, dass sie ernsthaft mit ihrem Vorhaben beschäftigt sind, und man sieht weit und breit kein Haus; sie nehmen weite Wege auf sich, um an die begehrten Pilze zu kommen. Sie machen es sich also nicht leicht.
Der Junge zeigt eine gewisse Überlegenheit in seiner Haltung: leicht schräg gestellter Kopf, lässige Schultern, Hände in den Hosentaschen - Ernsthaftigkeit des Blicks, aber der Mund.... vielleicht fragt er gerade was...
Das Mädchen signalisiert eher Skepsis (oder Ergebenheit in die Notwendigkeit, für ein Foto still zu stehen) und möchte wieder zu ihrer eigentlichen Unternehmung zurück.
Darin sehe ich ein Symbol für die unterschiedliche Sicht der einzelnen Menschen auf die veränderte Situation: Der eine meint, dass man das Problem eben anpacken wird, und die andere hätte vielleicht lieber das gewohnte Leben, in dem man sich zurecht findet. Sie ist noch jünger - und im Märchen wird ja auch alles am Ende von selber gut!
Ilse Jentzsch 26/05/2014 11:18
Das Foto hat mich sofort an Dorothea Lange erinnert, einer amerik. Dokumentar-Fotografin, deren Fotos auch das Elend ihrer Zeit zeigen. Die Mimik der Kindergesichter auf dem obigen Foto könnten fast vermuten lassen, daß sie um das Drama ihres Landes wissen. Kein Lächeln, nur Skepsis. Die Armut wird sichtbar, da wird der eine Pilz in der Plastiktüte fast zum Symbol; sie sammeln eine Mahlzeit.Das Foto, sehr gut in s-w, läßt vielen Gedanken Raum und jeder Betrachter wird es wahrscheinlich anders deuten.