Es war Nacht. Das übel gelaunte Meerwasser wandelte sich zu einer brodelnden Masse tiefsten Schwarzbiers. Süß duftende Schaumkronen platschten vereinzelt gegen die rostige Bordwand, um dann in finstere Unendlichkeit zu fliehen. Der Himmel wölbte sich als schwarzes Nichts, das alles gierig verschlang, was so unvorsichtig war, in seine Nähe zu geraten. Statt gläubiger Hoffnung nun verfressene Hoffnungslosigkeit. Allein ein fahler Schimmer huschte unschuldig über die versteinerten Graustufen-Gesichter der ratlosen Passagiere, flackernder Blitz einer geschundenen Praktica, die ein letztes Foto eines versinkenden Diesseits in ihre gierigen Eingeweide packte. Kein Laut war zu hören außer dem Donnern des Windes und dem unaufhörlichen Schlagen der fleißigen Wellen. Nur aus ganz weiter Ferne quetschte sich ein dünnes Stimmchen durch die dichte Nacht zu einem heiseren "Ahoi!". Dort, am einsamen Strand, stierte flehend der Kapitän, diese wasserscheue Landratte, die es vorgezogen hatte, zu Fuß im sicheren Hafen zu bleiben, hinaus in die undurchdringliche Finsternis, hoffend, daß sein braves Boot die Heimkehr allein schaffen würde.
Das aber hatte anderes vor. Nur ein einsamer, flossen-bewehrter Vopo, einst freier Mitarbeiter der sogenannten DDR, jenes versunkenen Inselreiches des real existierenden Sozialismus, durchkreuzte kurzfristig seine Bahn und zischte ein freundlich klingendes "Halt, oder ich schieße!" gegen den tosenden Wind. Unser eigenwilliges Schiff störte das wenig, zielstrebig schleppte es sich holpernd durch die Fluten - ohne ein schummriges Licht am Ende eines nicht vorhandenen Tunnels als Ziel aller Wünsche, ohne Aussicht auf Rückkehr. Bis heute...
Und wenn Ihr heute bei Nacht sehr, sehr weit hinausrudert auf die schwarze Ostsee, und wenn ihr dann die Ruder ins Boot holt, alle Lichter löscht und so still seid wie die Fische unter euren Füßen, und wenn ihr dann sehr viel Glück habt, dann könnt ihr sehen, wie unser Schiff an euch vorbeirauscht auf seiner endlosen Bahn durch Raum, Zeit und Wellen. Und wenn ihr noch mehr Glück habt, dann erscheinen auch für einen ganz kurzen Moment die steinernen Gesichter im ewig trüben Blitzlicht der geschundenen Praktica. Und wenn ihr dann noch mehr Glück habt, wirklich sehr, sehr viel Glück, dann folgt ihr dem Schiff nicht nach, sondern findet zurück ans rettende Festland.Vielleicht...
Und wenn ihr nun wissen wollt, wie es sein kann, daß diese Geschichte in die fc kommt, dann müßt ihr wissen, einst, vor langer Zeit hatte die E-Mail einen Vorgänger, der nannte sich Flaschenpost.
"I hope that someone gets my Message in a bottle" - liebend gerne würde ich das jetzt lesen, aber so wie's steht, stellt sich da jeder eine andere vor!
Wäre mal interessant, was hier die User in der Botschaft vermuten! ;)
Tolles Motiv und sehr gut präsentiert in diesem verlockenden 'Ist-nicht-möglich'.
Jeder stellt sich eine andere mögliche Message vor, und das sagt dann wieder etwas über die eigenen Befindlichkeiten, Interessen und Wünsche. Sicher auch ein interessantes Aufsatzthema. HG, E.
Für Sting habe ich jahrelang geschwärmt, aber aus dem Schwärmalter bin ich inzwischen raus ;-)) ... allerdings mag ich die alten Songs von ihm immer noch sehr gern .. klasse Dein Bild zum Text, gute Idee und ich finde die Flasche wirkt tatsächlich, als wenn sie lange im Wasser gelegen hätte.
LG Ruth
So ein Inseldasein ist auf Dauer nur erstrebenswert, wenn es die Option gibt, so ein Eiland auch selbstbestimmt wieder verlassen zu können. Und das muss man gar nicht unbedingt nur auf die symbolischen Robinson Crusoe-Inseln begrenzen, denn Inseln, zumal einsame, gibt es viele. Für manch einen ist sie das Zimmer im Altenheim, das man nicht mehr verlassen darf, für andere sind es begrenzte Einkaufs- oder Urlaubsmöglichkeiten oder bestimmte körperliche Einschränkungen, die einen nicht mehr an allem teilhaben lassen usw.. Wie kommt man da weg, wenn es mit Schwimmen (also selber bewegen im übertragenen Sinn) nicht geht? Man wird warten müssen auf das Schiff, dass einen findet und abholt und mitnimmt, zurück in die normale Welt. Wird einem die normale Welt, wie man sie bislang kannte, dann aber noch so normal vorkommen oder wird man sich dann nicht sogar Momente und Möglichkeiten aus dem Inseldasein zurückwünschen? Möchte man sich dann nicht auch ein Stück weit wünschen, dass es Veränderungen in der normalen Welt gibt, die dem nahekommen, was man sich während des Inseldaseins vorgestellt und erträumt hat? Der Traum von einer besseren, gerechteren, toleranteren Welt?
Was würde man selbst auf einen solchen Zettel schreiben, bevor man ihn in die bottle schiebt, sie verkorkt und ins Meer wirft, in der Hoffnung, dass sie von jemandem gefunden wird?
LG. Ka
Flaschenpost für Meister Eckhard
Eine motivierende Anregung
Der alte Mann
Der Kaffee mundete. Die Kellnerin gefiel. Der alte Mann blickte sich um.
Um ihn herum Leben. Junge Menschen im intensiven Gespräch, manch-
mal etwas laut.
Seine Zeit verstrich, das spürte er. Aber er gab nicht auf, keine Anzeichen
von Resignation. Warum auch ?!
Er hatte sein Leben gelebt. In jungen Jahren Bäume ausgerissen, wie
man so spricht. Frauen satt, mehr als er sich hatte träumen lassen. Politik
und soziales Engagement waren ihm nie fremd gewesen, bis ins hohe Al-
ter. Teilnahme an Demonstrationen für ein besseres Leben, waren auch
auf seinem Lebensblatt vermerkt.
Viele seiner Weggefährten waren Geschichte. Begraben oder als Asche in
alle Winde zerstreut.
Er hatte sich gegen sein Ende gestemmt, angekämpft und immer neue
Ideen hervorgebracht, die er dann auch umsetzte. Das verschaffte ihm Zeit.
Er war noch da, der letzte seiner Generation, gefühlt. Ein Überbleibsel einer
längst vergessenen Epoche/Zeit, dachte er, als er den Papierflieger zu En-
de gefaltet hatte. Seine vorläufig letzte Idee.
Aber diese steigende Müdigkeit ließ sich nicht mehr abschütteln. Nein, nicht
die in seinen Gliedern, mit der hatte er sich schon längst arrangiert. Diese
Müdigkeit in seinem Geiste, die quälte.
„Zahlen, bitte“, entfuhr es ihm plötzlich aus dem Munde und legte einen groß-
zügigen Betrag auf den Tisch.
Er trat vor das Cafè auf die Straße und atmete tief und entspannt die erfrisch-
ende Luft ein. Sie tat ihm gut.
Er hatte aus der Speisekarte einen Papierflieger gebastelt, unbemerkt. Nun
hob er seinen Arm, den Papierflieger in der Hand. Der Arm beugte sich nach
hinten und holte weit aus. Jetzt schnellte der Arm nach vorn. Bevor der Flie-
ger seine Hand ganz verlassen hatte und losschnellen konnte, schwang er
sich in einer gekonnten und nie zugetrauten Bewegung hinauf und flog auf
ihm davon, aufnimmerwiedersehen.
Lieber Eckhard,
es sind dies meine kleinen Geschichten, sozusagen, Kurzgeschich-
ten, die ich aufschreibe, wenn sie mir zugeflogen sind. Sie entstehen
aus meiner gefühlten Unfreiheit, auf die Dinge unseres Lebens noch
einen positiven, gestalterischen Einfluß ausüben zu können.
Zumindest die Gedanken sind noch frei und voller Tatendrang.
Hab einen schönen Tag und eine gute (kreative) Woche,
Neydhart
Lieber Eckhard,
danke für Deine anerkennenden Worte. Noch lebe ich und somit kann ja noch
das ein oder andere erwachsen, dort in und aus meinem Kopf. Wenn Du auf
meine fc Auftritte schaust, hatte sich ja im Laufe der Zeit die Form der Worte-
findung und Aneinanderreihung angedeutet. Jetzt, nach langer Zeit, wo in
meinem Kopf leerer Raum entstanden ist, weil ich mir für unseren Betriebsrat
oder Vorstand keine „Geschichten“ mehr ausdenken muß, solche Friede-Freu-
de-Eierkuchen-Geschichten, jetzt kann also dort, in diesem leren Raum, end-
lich neues entstehen. Daran habe ich kindische Freude und entsprechend
Spaß. Einiges ist schon geschrieben und abgelegt. Eine Überarbeitung fällig,
vielleicht für einen Erzählband, wer weiß ?! Eile habe ich nicht. Zu gerne be-
wege ich mich in Gottes Natur und in den Ruinen unserer modernen Zivilisati-
on, die unser beide Kindheit und Jugend geprägt hat. Und im Moment schaffe
ich es nicht, unsere allgegenwärtige Sprachhygiene aus meinem Kopf zu ver-
bannen, weil es mich wütend macht.
Daher fliegen mir keine Geschichten zu. Sie wissen, lohnt nicht, der ist abwe-
send, nicht empfänglich. Aber sie kreisen in meiner Nähe und erfreuen sich an
dieser aufkommenden Wärme. Gut Ding will Weile haben, wissen sie und ich.
Also keine Hektik, keine Ungeduld, nur Freude am Sein.
Ach, eine Frage habe ich noch: gibt es eigentlich Massagen aus der Bottle ?
Runzelkorn 10/05/2021 13:13
Es war Nacht. Das übel gelaunte Meerwasser wandelte sich zu einer brodelnden Masse tiefsten Schwarzbiers. Süß duftende Schaumkronen platschten vereinzelt gegen die rostige Bordwand, um dann in finstere Unendlichkeit zu fliehen. Der Himmel wölbte sich als schwarzes Nichts, das alles gierig verschlang, was so unvorsichtig war, in seine Nähe zu geraten. Statt gläubiger Hoffnung nun verfressene Hoffnungslosigkeit. Allein ein fahler Schimmer huschte unschuldig über die versteinerten Graustufen-Gesichter der ratlosen Passagiere, flackernder Blitz einer geschundenen Praktica, die ein letztes Foto eines versinkenden Diesseits in ihre gierigen Eingeweide packte. Kein Laut war zu hören außer dem Donnern des Windes und dem unaufhörlichen Schlagen der fleißigen Wellen. Nur aus ganz weiter Ferne quetschte sich ein dünnes Stimmchen durch die dichte Nacht zu einem heiseren "Ahoi!". Dort, am einsamen Strand, stierte flehend der Kapitän, diese wasserscheue Landratte, die es vorgezogen hatte, zu Fuß im sicheren Hafen zu bleiben, hinaus in die undurchdringliche Finsternis, hoffend, daß sein braves Boot die Heimkehr allein schaffen würde.Das aber hatte anderes vor. Nur ein einsamer, flossen-bewehrter Vopo, einst freier Mitarbeiter der sogenannten DDR, jenes versunkenen Inselreiches des real existierenden Sozialismus, durchkreuzte kurzfristig seine Bahn und zischte ein freundlich klingendes "Halt, oder ich schieße!" gegen den tosenden Wind. Unser eigenwilliges Schiff störte das wenig, zielstrebig schleppte es sich holpernd durch die Fluten - ohne ein schummriges Licht am Ende eines nicht vorhandenen Tunnels als Ziel aller Wünsche, ohne Aussicht auf Rückkehr. Bis heute...
Und wenn Ihr heute bei Nacht sehr, sehr weit hinausrudert auf die schwarze Ostsee, und wenn ihr dann die Ruder ins Boot holt, alle Lichter löscht und so still seid wie die Fische unter euren Füßen, und wenn ihr dann sehr viel Glück habt, dann könnt ihr sehen, wie unser Schiff an euch vorbeirauscht auf seiner endlosen Bahn durch Raum, Zeit und Wellen. Und wenn ihr noch mehr Glück habt, dann erscheinen auch für einen ganz kurzen Moment die steinernen Gesichter im ewig trüben Blitzlicht der geschundenen Praktica. Und wenn ihr dann noch mehr Glück habt, wirklich sehr, sehr viel Glück, dann folgt ihr dem Schiff nicht nach, sondern findet zurück ans rettende Festland.Vielleicht...
Und wenn ihr nun wissen wollt, wie es sein kann, daß diese Geschichte in die fc kommt, dann müßt ihr wissen, einst, vor langer Zeit hatte die E-Mail einen Vorgänger, der nannte sich Flaschenpost.
Maud Morell 09/05/2021 13:49
Ein Sterbender hat den Kapitän eines Schiffes beauftragt, diese Flaschenpost für ihn ins Meer zu werfen.Kannst du dir vorstellen weshalb?
LG von Maud
mheyden 09/05/2021 13:12
Große Klasse!Kompliment!
Marina Luise 09/05/2021 12:16
"I hope that someone gets my Message in a bottle" - liebend gerne würde ich das jetzt lesen, aber so wie's steht, stellt sich da jeder eine andere vor!Wäre mal interessant, was hier die User in der Botschaft vermuten! ;)
Tolles Motiv und sehr gut präsentiert in diesem verlockenden 'Ist-nicht-möglich'.
Neydhart von Gmunden 07/05/2021 23:01
Moin. Eine Flasche mit der Message (Aufdruck)Grappa wäre mir lieber.
Prösterchen
Ruth U. 07/05/2021 19:24
Für Sting habe ich jahrelang geschwärmt, aber aus dem Schwärmalter bin ich inzwischen raus ;-)) ... allerdings mag ich die alten Songs von ihm immer noch sehr gern .. klasse Dein Bild zum Text, gute Idee und ich finde die Flasche wirkt tatsächlich, als wenn sie lange im Wasser gelegen hätte.LG Ruth
† gre. 07/05/2021 17:57
Gute Bildidee....und Sting ist ist immer hörenswert.LG gre.
Kerstin Stolzenburg 07/05/2021 8:30
So ein Inseldasein ist auf Dauer nur erstrebenswert, wenn es die Option gibt, so ein Eiland auch selbstbestimmt wieder verlassen zu können. Und das muss man gar nicht unbedingt nur auf die symbolischen Robinson Crusoe-Inseln begrenzen, denn Inseln, zumal einsame, gibt es viele. Für manch einen ist sie das Zimmer im Altenheim, das man nicht mehr verlassen darf, für andere sind es begrenzte Einkaufs- oder Urlaubsmöglichkeiten oder bestimmte körperliche Einschränkungen, die einen nicht mehr an allem teilhaben lassen usw.. Wie kommt man da weg, wenn es mit Schwimmen (also selber bewegen im übertragenen Sinn) nicht geht? Man wird warten müssen auf das Schiff, dass einen findet und abholt und mitnimmt, zurück in die normale Welt. Wird einem die normale Welt, wie man sie bislang kannte, dann aber noch so normal vorkommen oder wird man sich dann nicht sogar Momente und Möglichkeiten aus dem Inseldasein zurückwünschen? Möchte man sich dann nicht auch ein Stück weit wünschen, dass es Veränderungen in der normalen Welt gibt, die dem nahekommen, was man sich während des Inseldaseins vorgestellt und erträumt hat? Der Traum von einer besseren, gerechteren, toleranteren Welt?Was würde man selbst auf einen solchen Zettel schreiben, bevor man ihn in die bottle schiebt, sie verkorkt und ins Meer wirft, in der Hoffnung, dass sie von jemandem gefunden wird?
LG. Ka