Alte Damen beim Plausch
1988 war das 75 jährige Bestehen der Westerwaldeisenbahn gefeiert worden. Drei Tage lang fuhren Dampfzüge vom Tal der Sieg (Scheuerfeld) über Bindweide bis nach Weitefeld. 24 009 und 38 1772 übernahmen den Abschnitt Scheuerfeld - Bindweide, während 74 1192 und BLE 146 von Scheuerfeld bis Weitefeld fuhren.
Zum Abend hin war in Bindweide das Restaurieren der Loks vorgesehen. Wie in alten Zeiten standen die Loks am Wasserkran. Das Gebäude hinter den Loks ist der alte Lokschuppen, der zum Zeitpunkt der Aufnahme schon als Busdepot diente. Aber der Wasserturm im Inneren des Turmes (rechts) funktionierte noch.
So das zum Bild. Da ja einige nach der Geschichte mit der Zigarre, die Gerhard Moll mir verpaßt hatte, gefragt hatten, versetzen wir uns in das Jahr 1986:
Über die Fahrten auf der Westerwaldbahn zwischen Scheuerfeld und Bindweide habe ich verschiedentlich schon erzählt. Meistens ging es ja gut aus. Bei einer der ersten Fahrten wurde mir jungem Heizer aber doch eine Zigarre verpasst.
Über die Strecke will ich nicht viel erzählen, außer das sie einen sehr engen Tunnel hat und dass es beständig bergauf geht. Und das nicht zu knapp. Nun waren damals meine Erfahrungen als Heizer noch nicht sehr groß, schon gar nicht auf einer Bergstrecke, Aber bange machen gilt nicht. Ich legte also ein ordentliches Feuer an, von dem man erwarten konnte, dass es für die Steigung ausreichend sein müsste. Hatte es aber nicht. Zwar ging’s bergab mit blasenden Sicherheitsventilen und ich hatte alle Mühen der Welt, im Tal wieder einen sauberen Rost zu bekommen, aber oben am Berg waren grad mal sieben bar im Kessel.
Mein Lokführer maulte deswegen und Gerhard Moll, der uns als Lotse begleitete, meinte darum, dass er die nächste Tour heizen wird. Das war mir recht. Erstens konnte ich mich erholen und zweitens erhoffte ich, falls ich was falsch mache, eine Lehrstunde zu bekommen. Argwöhnisch beobachtete Gerd meine Vorbereitungen beim Ausschlacken und Vorbereiten des Feuers. Aber er schien zufrieden. Es gab weder Einwände noch Hinweise. Kurz vor der Abfahrt griff er dann selbst zur Schaufel und übernahm das Heizergeschäft. Erwähnen sollte ich noch, dass die Lok keinen Feuerschirm hatte und die Fahrpumpe wie auch bei meiner Heizertätigkeit regelmäßig aussetzte, so daß mit dem Injektor gespeist werden musste. Der ohnehin schon schwache Kesseldruck ging dadurch weiter in die Knie. Oben angekommen zeigte das Kesselmanometer auch nur 7 bar. Gerd war perplex. Er kramte in seiner Jackentasche und holte ein kleines Kästchen hervor. Öffnete es und bot mir eine seiner geliebten Zigarillos an. Handelsgold Nr. 30 Fehlfarben stand auf der Banderole. „Da Jung’ rauch erst mal eine. Ich kann es auch nicht besser.“
Wir haben natürlich überlegt was die Ursache sein konnte. Und hatten den Feuerschirm, das Blasrohr, ach eigentlich alles und jedes technische Ding verdächtigt. Tatsächlich war es das Blasrohr. Das war nicht richtig ausgerichtet. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
† Ingeborg K 14/05/2012 21:47
Ein sehr schönes Foto - aber eine tolle Geschichte über die "alten Damen". Du bist sehr tief im Thema und darum macht das Betrachten auch viel Spaß.LG Ingeborg
Rosetta4 26/04/2012 23:15
Ein sehr schönes Foto der " Alten Damen ".Die Geschichte gibt mir den Eindruck, dass ein
leidenschaftlicher Eisenbahner mit einer Dampflok mitfühlt. Heizer haben eine wichtige Rolle, denke ich.
LG, Rosetta
blind lense 23/04/2012 14:08
Danke Fabian, hab's geändert.Horn Fabian 22/04/2012 22:59
Eine sehr interessante Geschichte und ein schönes Bild dazu. Ein Aufnahme die schon historisch ist, da ja beide Dampfer heute nicht mehr betriebsfähig sind.Kleine Verbesserung im zweiten Absatz: Bindweide, nicht Bindweite.
Gruß Fabian
IC524Rheinland 01/04/2012 18:26
Tolle Aufnahme von den beiden schönen Dampfern, klasse!Viele Grüße
Tim
blind lense 01/04/2012 13:32
Upps, das Datum. Da habe ich garnicht drauf geachtet. Darum versichere ich, die Geschichte oben ist so und nicht anders geschehen.Eine kleine Anmerkung zur gezeigten P8. Der Kastentender der Lok ist einige Zeit vorher entgleist und wurde durch diesen Wannentender ersetzt. Ein Tendertausch war bei der DB namentlich in Süddeutschland recht häufig, da es noch viele Bw mit kleinen 20 m Drehscheiben gab. Je nach Wende-Bw wurde also ein Wannen- oder Kastentender mit der Lok gekuppelt. Auch bei der DR gab es P8 mit Wannentender, was aber wegen der Vielzahl an kleinen Drehscheiben die große Ausnahme war.
Dieter Jüngling 01/04/2012 12:41
Zwei typische "Preußengesichter".Für mich sind die P8 mit den Wannentendern immer noch ungewohnt.
Dennoch eine schöne alte Aufnahme mit interessanter Geschichte.-
Gruß D. J..
Thomas Reitzel 01/04/2012 12:01
Ja, das ist eine amüsante Geschichte und eine Lehrstunde auch für den Lehrherrn gewesen!Schön erzählt, mit Genuß zu lesen!
Daß das Blasrohr nicht mittig sitzt, scheint oft der Fall gewesen zu sein, der damit einhergehende mangelnde Saugzug und Dampfmangel ebenfalls!
Nur vor Ort kaum regulierbar.
Schönen Sonntag noch!
Tom
Andreas Pe 01/04/2012 11:46
Da hast Du uns wieder eine schöne Geschchte aus dem Leben präsentiert. Das Foto dazu ist ebenfalls eine schöne Erinnerung. VG AndreasDieter Jüngling 01/04/2012 11:06
Zwei typische Preußengesichter.Für mich sind aber immer die Wannentender an den P8 ungewohnt. Bei der DR gab es die nicht an diesen Loks.
Gruß D. J.