Geht auch mit 7 Beinen: Phoneutria depilata (Costa Rica)
Die Bezeichnung Bananenspinnen ist keine systematische, sondern spielt allein auf die Tatsache an, dass sich in Lebensmitteltransporten aus tropischen Regionen immer mal wieder Spinnen finden, die sich zwischen den Früchten versteckt halten und unbemerkt auf weite Reise gehen. Da sich Bananenstauden als Versteckmöglichkeit hervorragend eignen, werden alle diese Tiere der Einfachheit halber unter „Bananenspinnen“ zusammengefasst.
Das trifft auch für mehrere Vertreter der Kammspinnen (Ctenidae) zu, insbesondere die der Gattung Phoneutria, unter denen sich einige der giftigsten Spinnen befinden. Bis vor kurzem galten acht Arten als etabliert, jetzt ist eine „neue“ Art dazu gekommen: Phoneutria depilata.
Genau genommen ist sie nicht neu, auch wenn das in der populärwissenschaftlichen Literatur (einschließlich Wikipedia) so dargestellt wird oder zumindest so gelesen werden kann. Der Artstatus ist lediglich revalidiert, d.h. wieder für gültig erklärt worden. Erstbeschrieben worden war die Art nämlich 1909 anhand von Museumsexemplaren als Ctenus depilatus und dann in den jüngeren Revisionen der Gattung 2001 und 2017 mit P. boliviensis synonymisiert worden; die morphologischen Unterschiede hatten die Taxonomen einer innerartlichen Variationsbreite zugeschrieben. Nun aber – 2021 – haben Nicolas Hazzi von der George Washington University und Gustavo Hormiga von der Fundación Ecotonos in Cali sehr genau hingesehen – und beide Arten wieder getrennt.
Im Ergebnis ist P. depilata die einzige Art ihrer Gattung in Mittelamerika. Die Grenze lässt sich sehr deutlich entlang der Anden ziehen, sie ist eine allopatrisches Art, d.h. ihr Areal überschneidet sich nicht mit dem von P. boliviensis. P. depilata ist danach eine trans-andische, P. boliviensis hingegen eine cis-andische (amazonische) Art, ihr Areal überschneidet sich mit anderen amazonischer Arten (sympatrische Arten). Die Autoren betonen dabei ausdrücklich, dass die Citizen Science-Plattform iNaturalist (www.inaturalist.org) einen entscheiden Beitrag für die Eingrenzung der Verbreitungsgebiete geleistet hat - die Datenlage bei iNaturalist war sogar besser als die der Wissenschaftler - und ihre Publikation die erste überhaupt ist, in der eine solche Plattform maßgeblich eingebunden wurde.
Abgesehen davon, dass sie beide Arten genetisch voneinander trennen konnten, lässt sich eine Unterscheidung auch morphologisch treffen. P. boliviensis ist danach die einzige Art der Gattung, die zwei auffällige helle Längsbänder beidseits der Augenregion besitzt. Die Wiederherstellung des Artstatus für P. depilata wird zudem durch ökoklimatische Befunde gestützt.
Das Verbreitungsgebiet von P. depilata umfasst Guatemala, Nikaragua, Honduras, Costa Rica, Panama, den Nordwesten Kolumbiens sowie kleine Gebiete im Norden Ekuadors und im äußersten Westen Venezuelas; die Grenze als biogeographische Barriere bildet der Hauptkamm der Anden. P. boliviensis besiedelt das übrige Kolumbien, den Nordwesten Brasiliens, Ekuador, Peru und den Norden Boliviens.
Die Weibchen von P. depilata erreichen eine Körperlänge von bis zu 35 mm, die Männchen bleiben mit 26 mm deutlich kleiner, sind aber für mitteleuropäische Verhältnisse immer noch riesig. Die Tiere erreichen Höhenlagen bis 1600 m, leben in Regenwäldern gewöhnlich auf dem Boden, sind aber auch immer wieder in Bäumen zu finden – und eben in Bananenpflanzen. Wie im Bild dringen sie, wenn auch wohl eher selten, auch bis in menschlichen Behausungen vor. Nach dem Schlüpfen benötigen die Jungtiere 14 bis 17 Häutungen bis zur Geschlechtsreife, die sie nach einem bis eineinhalb Jahren erreichen. Gewöhnlich erbeuten die Spinnen andere Gliederfüßer, mitunter aber auch kleine Wirbeltiere wie Geckos, Eidechsen und Baumfrösche. Sie scheinen zwei Reproduktionszyklen zu besitzen, die Regenzeit-gesteuert sind (III-V, X-XI).
Die Giftwirkung für den Menschen soll erheblich geringer sein als bei den anderen berüchtigten Arten wie P. nigriventer (Brasilianische Kamm- oder Wanderspinne).
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