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Tore Straubhaar


Free Account, Höxter

Radfahrers Glück

Radtour Island, September 2013

Manchmal kann ich so weit gucken, dass ich sogar den markanten Gipfel des Herðubreið im Osten erkennen kann. Ich sehe aber auch, wie sich der Weg hügelauf hügelab viele, viele Kilometer weit über das Hochland schlängelt. Dabei wird der Wind immer stärker, und er bläst mir direkt von Süd entgegen. Ich nutze die nächste Gelegenheit, um zwei Becher Wasser zu trinken und mich etwas von der Anstrengung zu erholen.

Die Anstiege sind nicht lang, aber z. T. sehr steil auf locker schottersandigem Untergrund. Dabei gilt es die Balance zu halten, wenn ich zur Kuppe eines Hügels hin immer langsamer werde. An diesem Tag gerät mir die Fahrt zu einem Kraftakt. Selbst die flacheren Abschnitte und die Abfahrten genügen kaum der Erholung, so stark weht der Wind. Die Sonne scheint sich abgemeldet zu haben, nur ganz selten blinzelt sie durch die dunklen Wolken hindurch.

Wenn ich besonders weit gucken kann und sehe, dass so gar nichts kommen wird, ausser Steinen und Sand und noch größerer Einsamkeit, der Himmel sich weiter verfinstert und mich eine Windböe packt, dann wird mir etwas mulmig. Wo kann ich hier im Falle eines echten Sturmes wenigstens einen etwas geschützen Platz finden? Hoffen wir einfach, dass ich am Abend einen halbwegs guten Zeltplatz finden werde, gerne mit Wasseranschluss, denn Durst bekommen ich auch schon wieder.

Kilometer um Kilometer fahre ich gegen diesen Wind, heute fällt nicht ein Meter leicht. Und nun bin ich schon seit langer Zeit auf kein Wasser gestoßen. Jedes Mal, wenn ich bergab fahre, ist das begleitet von der Hoffnung, dass dort unten ein Bach fließen wird. Aber dann ist nichts, und wieder schon geht es so steil bergauf, und Richtung oben wird es sicherlich kein Wasser geben, und auch keinen windstilleren Bereich.

Es wird schon dämmriger, oder sind es nur die dunklen Wolken, da fahre ich um einige flache Kuppen herum in eine Senke, und ich hoffe sehr, dass ich hier irgendwo eine gute Stelle finden werde. Ich fahre weiter, und da endlich... Ein kleiner Bach hat sich etwas aufgestaut. Wie herrlich ist es hier, einen schöneren Platz hätte ich mir nun nicht vorstellen können. In direkter Bachnähe ist es grün, eine Lebensader in der endlosen Wüste des isländischen Hochlands.

Der Wind weht beinahe stürmisch, dennoch ist das hier ein guter Platz. Schnell habe ich meine Unterkunft aufgebaut, verankert und kann mir etwas Wärmeres anziehen. Die Sonne geht unter, nur ein paar Wolken erscheinen kurzzeitig in zartem Rosa, dann wieder nur dunkle Wolken. Ich freue mich sehr, heute diesen Platz gefunden zu haben... Radfahrers Glück...

Aldeyjarfoss
Aldeyjarfoss
Tore Straubhaar

das Kakaostübchen am Goðafoss
das Kakaostübchen am Goðafoss
Tore Straubhaar

der Sternchenflug der Mitternachtskraniche
der Sternchenflug der Mitternachtskraniche
Tore Straubhaar


http://www.youtube.com/watch?v=GPOF4BC2SqM

Commenti 21

  • UlliB. 30/11/2013 17:25

    Die lange Belichtungszeit gibt dem Bild eine gewisse Ruhe - die war bei der Aufnahme windtechnisch sicher nicht vorhanden. Und immer wieder dieses kleine rote Zelt, das für Wärme in jeder Hinsicht sorgt... ja!
    Grüße von Ulli
  • scanpics 26/11/2013 19:58

    Hallo Tore,
    der erste Eindruck, den ich beim Betrachten Deines Bildes hatte, war: Mensch, asphaltierte Radwege in Island ... wie cool ist das denn ;-).
    Beim längeren Hinsehen hat mein geschultes Auge ;-) dann aber irgendwann erkannt, dass es sich um eine Langzeitbelichtung handelt ... die ich übrigens sehr schön finde, da auch der Himmel hierdurch noch dramatischer wird.
    Das kleine rote Hotel ist mittlerweile schon sowas wie ein Erkennungszeichen auf Deinen Landschaftsaufnahmen geworden. Selbst auf den kleinen Vorschaubildern sticht das immer direkt ins Auge.
    ... und zum Text: herrlich geschrieben wie immer - Deine Fangemeinde wird immer größer!
    Liebe Grüße, Christian
  • Anke Gehlhaar 26/11/2013 10:07

    Wo das Land den Himmel küsst.
  • gjm 25/11/2013 19:39

    Hi Tore, ja-wie immer ein schönes Foto und ein herrlicher Bericht dazu. Und immer wieder ein Genuss, da kann man nicht genug bekommen. Das mit dem roten Zelt wird schon dein Markenzeichen. Ich finde jedenfalls dass es gut ist- man hat so irgendwie ein Grössenvergleich. Hoffentlich gibt es noch mehr davon-Bilder meine ich. Lieben Gruss Gary
  • Bernhard Pfister 24/11/2013 18:34

    Hallo Tore,
    Die Langzeitbelichtung macht sich beim Bach sehr gut,
    dazu die karge Landschaft und das perfekt ins Bild integrierte Zelt, sehr schön!
    Beste Grüße
    Bernhard
  • Robert Hatheier 24/11/2013 7:15

    Davon kann man nur träumen.... wunderschön.
    LG Robert
  • Doreen A. 23/11/2013 23:18

    Hallo Tore,
    Island mit dem Rad zu erleben muss schon was ganz besonderes sein. Jedoch, wenn ich lese, mit welchen Anstrengungen, dann benutze ich doch lieber die faulere Variante. Auf alle Fälle würde ich Dir gerne Kekse, was Süßes und natürlich auch was zu Trinken abgeben.
    Auf allle Fälle bewundere ich Dich, wenn ich Deine Berichte lese. Dieses sind auch wirklich hochinteressant.
    Der Bach führt das Auge durch das Bild und zeigt einem die endlose Weite. Das zusätzlich mit der Langzeitbelichtung ist einfach klasse. Manche denken vielleicht- ist das langweilig, aber wer noch nicht da war, kann es schließlich ja auch nicht wissen, wie faszinierend die isländische Landschaft ist.
    Einen schönen Sonntag wünscht Dir Doreen.
  • Tore Straubhaar 23/11/2013 20:42

    @Peter,
    so langsam ging es ab hier rund... ja...

    @Tanja,
    das rot ergibt auch ein angenehmes, sommerliches Wohngefühl... ;-).

    Danke, Euch einen schönen Abend und viele Grüße von Tore
  • Peter Silje 23/11/2013 20:36

    Tore, das sieht nach Langzeitbelichtung (Stativ) aus?
    Wolken sehr dynamisch, selbst der Bach/Fluss wirkt im HG milchig.
    Dein Zelt ist immer der Farbtupfer in dieser gleichfarbenen landschaft.
    Folgen jetzt die Sturmtage??
    Neblig nieselnde Wochenendgrüße sendet
    Peter
  • Körnchen71 23/11/2013 20:33

    :-) ich bin fast sicher, dass du das rote Zelt nur
    der Farbe gekauft hast:-)
    Ist aber perfekt, rot ist nämlich meine Lieblingsfarbe und bei Zelten ja auch relativ ungewöhnlich. Dieser Platz sieht wirklich perfekt aus. Wasser, und ein halbwegs weicher Untergrund. Ach ja. Im Moment hätte ich doch gerne den Sommer zurück, irgendwie war da alles ein Stück leichter. Liebste Grüße
    Tanja
  • Wilfried Humann 23/11/2013 18:12

    Faszinieren diese Aufnahme! Mit deinen Erläuterungen wird es noch spannender. Ich habe Island bisher nur auf vier Rädern erkundet und die Ringstraße nur selten verlassen. Deine Berichte sind aber so faszinieren, dass regelrechtes Heimweh nach Island aufkommt. Dei rotes Zelt in dieser Landschaft ist ein echter Higucker! LG Wilfried
  • Annette He 23/11/2013 17:17

    Bild und Text faszinieren, wie immer bei Dir. Am liebsten würde ich mich in das Bild reinbeamen.

    Gruß,
    Annette
  • Wolfgang Vahrenholt 23/11/2013 12:39

    Die Einsamkeit spiegelt sich in deinem Bild wider. Kein Baum, kein Strauch, einfach nur Natur. Da fragt sich manch einer, was soll ich da? Ich find´s gut und bewundere dich, solche Strapazen auf sich zu nehmen.
    Übrigens Musik dazu.....top.
    LG und ein schönes WE
    Wolfgang
  • Christiane Steinicke 23/11/2013 11:55

    Lieber Thore,
    manchmal beneide dich um deinen Mut, so alleine durch Island zu radeln und dieses unglaublich faszinierende Land auf diese Weise zu erkunden, dann lese ich von deinen Strapazen und so ganz alleine unterwegs zu sein, das ist dann wieder nicht so meins. Dafür freue ich mich immer über deine schönen Bilder.
    lg
  • flakkari 23/11/2013 9:51

    Aus einem eigentlich undramatischen Motiv hast Du mal wieder ein sensationelles Foto gezaubert. Einfach nur beeindruckend! Da stimmt alles!
    Grüße, Steffen