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Walpurga und die Schneekreise

Walpurga und die Schneekreise

1.063 22

Walpurga und die Schneekreise

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Walpurga war in diesem Millenium geboren, und da könnt Ihr Euch vorstellen, daß ihr der Name nicht paßte, aber so von nicht. Seit sie denken konnte, lag er schwer auf ihr, schien zu zu erdrücken, zu ersticken. Sie hatte sich erkundigt, wie das mit einer Namensänderung ist, hatte aber erfahren, daß sie das erst mit der Volljährigkeit einleiten konnte, denn ihre Eltern fanden den Namen gut, sagten sie. Sie sagten aber nicht, daß sie ihn vor allem wegen der Erbtante ausgesucht hatten, die sich geschmeichelt fühlte und irgendetwas von später mal faselte und nie rüberkam mit dem Testament. Eigentlich hätte Walpurga viel lieber Dagmar geheißen. Aber damit war vorläufig nix.

Zu Weihnachten hatte sie sich Schlittschuhe gewünscht, mehr nicht. Die Eltern waren etwas verwundert, und Oma disponierte um, den i-Pod bekam dann eben der jüngere Enkel, Waldpurgas Bruder, er war gerade vier geworden. Dann aber ließ blöde Winter auf sich warten. Also rein kalendarisch war er zwar da, haptisch aber nicht. Daher mußte Walpurga warten, und wurde von Tag zu Tag ungeduldiger.

Und dann auf einmal schlug der Winter mit aller Macht zu. Es fror, es schneite, es schneite, es fror. Und grad herrlich sah es draußen aus mit dem Eis, dem Schnee, dem blauen Himmel und der Sonne. Walpurgas Stunde war gekommen. Mit der Oma im Schlepptau fuhr sie mit dem 132er zum Eiskanal vor dem Nymphenburger Schloß. Dort stiegen die beiden aus, Walpurga holte die Schlittschuhe aus dem Beutel und zog sie an. Ihre Winterstiefel drückte sie der Oma in die Hand, die darauf aufpassen sollte. Oma machte das auch brav, holte sich aber einen großen Becher Glühwein, um sich auch innerlich für den Tag zu wappnen. Sie trank mal erst einen Becher, dann noch einen und dann noch einen. Dann schaute sie sich nach der Enkelin um.

Und was sah sie da? Walpurga stanf auf den Eis und dirigierte. Ja, sie wedelte heftig mir den Armen und dirigierte. Ignoranten und Banusen hätten gesagt, Walpurga sei nur unsicher auf den Beinen beziehungsweise Schlittschuhen. Aber nein, so war es nicht. Ganz im Gegenteil. Sicher und gekonnt dirigierte ihre Enkeltochter den Schnee und das Eis. Man konnte es sehen. Das war so was wie die Kornkreise, von denen Oma am Tag zuvor was im Fernsehen gesehen hatte. Und ihre Enkeltochter konnte das auch. Man sah förmlich, wie sie vor Eifer glühte. Oma wurde ganz warm ums Herz, trotz der Kälte. Sie zog sich noch einen Glühwein rein und schaute zu, wie sich der Schnee auf dem Eis kringelte. Wie er sich bog, verformte, immer neue Gestalten annahm, mal wie eine Dampfnudel, mal wie eine Schneckennudel, mal wie ein Teilchen mit Zuckerguß und Mandelsplittern drauf. Und dann bewegte sich sogar das Eis. Oma konnte es genau unter ihren Füßen spüren. Ihre Enkelin hatte Macht über Schnee und Eis, über die Elemente! Das war aufregend. Oma holte sich noch einen Glühwein, und bewegte sich im Rhythmus des Eises, das unter ihren Füßen und dem Kommando von Walpurga wogte. Und plötzlich paßte der Name zum Kind, zu einem Menschen, der auf magische Weise Macht ausübte.

Dann schlug es sie lang hin, rumms!

Zuschauer und Rettungssanitäter konnten später nicht mit Sicherheit sagen, wen es zuerst lang hingeschlagen hatte, Walpurga oder Oma ...

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