Ich schaue, lese, grinse. Genetisch verändern wir Menschen uns eben viel langsamer, als die Welt um uns herum. Das Mädel verhält sich exakt so, wie die zitierten Hausfrauen, die ich aus meiner Kindheit auch noch gut kenne: Sie ist in Kommunikation versunken, total, die Umgebung (dort Warteschlangen, hier Schaufenster) interessiert sie einen Dreck. Alles gut, alles in Ordnung. Sie ist total bei der Sache: bei der Ihrigen. Und das ist gut so.
Das Bild drückt das sehr gut aus. Die Schaufensterpuppe wirkt frustriert. Das ist das, was wir drüber legen. Denn sie ist ja nur aus Plastik. Es ist unsere Geschichte von missachtet werden, von enttäuschtem Selbstwert. Es ist unsere Geschichte, wenn wir mit der Veränderung um uns herum hadern. Aber das ist das Leben.
Eine Szene voll aus dem Leben. Ein richtig gutes "Street", aus meiner unmaßgeblichen Sicht.
Ja, elstp,
damals gabs man grad ein gutes Radio, keine Margarineblätter, die Werbung hielt sich in strengen Grenzen - so manch ein Klönschnack wurde beim Verkauf auch über die Ladentheke geführt, was zu langen Warteschlangen führte und der eher unfreiwillige empfönger hörte alles mit - oder verliess den Laden wieder. Was sehr unwarscheinlich war, weils nicht an jeder Ecke einen gab.
Als Kind auf dem Gepäckträger oder noch in der Halbschale war das auch nicht immer angenehm zu warten.
eher o.T.
Zitat Autor „…Ich denke nicht, dass ich das Bild gewollt so hinbekommen hätte :-)“
Das stimmt ganz sicher, denn die junge Frau ist völlig authentisch in ihrem Blick auf das Handy. Das ist eine wunderbare Situation, die sich dem Betrachter auch mitteilt.
Kritisch betrachtet ist daran nur schade, dass wir heute kaum noch Menschen auf der Straße im G E S P R Ä C H mit einander sehen und auch beobachten können.
Die Betonung lege ich jetzt einmal auf ‚beobachten‘ einer eigentlich doch natürlichen Verhaltensweise. Noch vor 50 Jahren kamen die Hausfrauen vom Markt, und haben sich auf dem gemeinsamen Weg wirklich ausgetauscht - wobei auch Emotionen eine Rolle spielten.
Das war normal und eine Nachbarin, die diese Frauen reden sah, wusste, dass ein Austausch stattfand. Wenn es ihr wichtig genug war, hat sie sich später bei einer der Beteiligten nach dem Gesprächsgegenstand erkundigen können. Das ist nicht immer nur Neugier, sondern das ist soziales Miteinander - und davon wünschte ich mir sehr viel mehr. Dieses „Was meinst du dazu?“ dient doch der Meinungsbildung des einzelnen!
Insofern ist dieses Bild also auch zeitgemäß, und die Schaufensterpuppe könnte angesichts der durch ein Single-Telefonat ‚weit entfernten‘ jungen Passantin die Vereinsamung der Menschen darstellen.
Das Bild passt sehr gut zur Beschreibung
die Gegensätze von Aktivität und Puppengleicher Glangweiltheit ist geradezu köstlich -
die Tonung ist auch serh gut und noch besser, das die Rennende nicht im Spiegelbild ist.
"Bei diesem Bild kann ich gar nicht nicht sagen, warum ich es gerade so aufgenommen habe. Wie so oft in der Streetfotografie ergibt sich die Bildidee ungeplant aus der Situation heraus ... und manchmal entdeckt man den Witz des Bildes auch erst bei der Durchsicht der Ergebnisse .... wie bei diesem Bild hier. Eigentlich ging es mir nur um ein Gegenüber von Ruhe und Bewegung - vielleicht auch gesehen und gesehen werden. Hier haben sich dann aber zufällig weitere Aussagen hinzu gesellt .... besonders gefällt mir der gelangweilte bis frustrierte Gesichtsausdruck der Puppe: "Jetzt sind meine Klamotten schon um 50% runtergesetzt und diese Tusse achtet nur auf ihr Handy" .... und natürlich auch das, was sich immer und überall und immer häufiger abspielt: Das Smartphone wird zum Mittelpunkt des Lebens ..... selbst die schönsten Klamotten können schon nicht mehr von dieser virtuellen Welt ablenken.
Ich denke nicht, dass ich das Bild gewollt so hinbekommen hätte :-)"
Sag mal Micha 23/04/2016 11:35
...und wegen solcher Bilder interessiert mich das nicht:http://www.premiumfotos.ch/index.php/fotowissen/80-fotowissen/87-fotografische-regeln.html
Mich interessiert die Freiheit der Fotografie, freie Denk- und Sichtweisen, weiß nicht, was daran so schwer zu begreifen ist.
XYniel 23/04/2016 1:02
ein für sich sprechendes bild... hat für mich Witz, charme und regt zum nachdenken an. sehr vielschichtig.apropo gewollt. jedes Foto bildet mehr oder weniger zufälliges ab, desto dyn. die Szene, umso geringer der Anteil des "gewollt inszinierten"
das "gewollt" kommt dann im bewussten auswahlprozesagen. und ist somit natürlich "gewollt", denn man hätte es auch einfach löschen können.
die (aus)Wahl ist wohl eines der wichtigsten (künstlerischen) mittel
tolles und präsentes bild... da kommt man gar nicht auf den Gedanken nach "fehlern" zu suchen.
Bergfex 22/04/2016 23:47
Ich schaue, lese, grinse. Genetisch verändern wir Menschen uns eben viel langsamer, als die Welt um uns herum. Das Mädel verhält sich exakt so, wie die zitierten Hausfrauen, die ich aus meiner Kindheit auch noch gut kenne: Sie ist in Kommunikation versunken, total, die Umgebung (dort Warteschlangen, hier Schaufenster) interessiert sie einen Dreck. Alles gut, alles in Ordnung. Sie ist total bei der Sache: bei der Ihrigen. Und das ist gut so.Das Bild drückt das sehr gut aus. Die Schaufensterpuppe wirkt frustriert. Das ist das, was wir drüber legen. Denn sie ist ja nur aus Plastik. Es ist unsere Geschichte von missachtet werden, von enttäuschtem Selbstwert. Es ist unsere Geschichte, wenn wir mit der Veränderung um uns herum hadern. Aber das ist das Leben.
Eine Szene voll aus dem Leben. Ein richtig gutes "Street", aus meiner unmaßgeblichen Sicht.
Clara Hase 22/04/2016 22:11
Ja, elstp,damals gabs man grad ein gutes Radio, keine Margarineblätter, die Werbung hielt sich in strengen Grenzen - so manch ein Klönschnack wurde beim Verkauf auch über die Ladentheke geführt, was zu langen Warteschlangen führte und der eher unfreiwillige empfönger hörte alles mit - oder verliess den Laden wieder. Was sehr unwarscheinlich war, weils nicht an jeder Ecke einen gab.
Als Kind auf dem Gepäckträger oder noch in der Halbschale war das auch nicht immer angenehm zu warten.
eher o.T.
elstp 22/04/2016 21:47
Zitat Autor „…Ich denke nicht, dass ich das Bild gewollt so hinbekommen hätte :-)“Das stimmt ganz sicher, denn die junge Frau ist völlig authentisch in ihrem Blick auf das Handy. Das ist eine wunderbare Situation, die sich dem Betrachter auch mitteilt.
Kritisch betrachtet ist daran nur schade, dass wir heute kaum noch Menschen auf der Straße im G E S P R Ä C H mit einander sehen und auch beobachten können.
Die Betonung lege ich jetzt einmal auf ‚beobachten‘ einer eigentlich doch natürlichen Verhaltensweise. Noch vor 50 Jahren kamen die Hausfrauen vom Markt, und haben sich auf dem gemeinsamen Weg wirklich ausgetauscht - wobei auch Emotionen eine Rolle spielten.
Das war normal und eine Nachbarin, die diese Frauen reden sah, wusste, dass ein Austausch stattfand. Wenn es ihr wichtig genug war, hat sie sich später bei einer der Beteiligten nach dem Gesprächsgegenstand erkundigen können. Das ist nicht immer nur Neugier, sondern das ist soziales Miteinander - und davon wünschte ich mir sehr viel mehr. Dieses „Was meinst du dazu?“ dient doch der Meinungsbildung des einzelnen!
Insofern ist dieses Bild also auch zeitgemäß, und die Schaufensterpuppe könnte angesichts der durch ein Single-Telefonat ‚weit entfernten‘ jungen Passantin die Vereinsamung der Menschen darstellen.
Clara Hase 22/04/2016 21:14
Das Bild passt sehr gut zur Beschreibungdie Gegensätze von Aktivität und Puppengleicher Glangweiltheit ist geradezu köstlich -
die Tonung ist auch serh gut und noch besser, das die Rennende nicht im Spiegelbild ist.
shinkotora 22/04/2016 19:55
Yo! Die Beschreibung trifft zu mindestens 95% meine eigenen Empfindungen als ich das Bild favorisierte ~ noch ohne den Begleittext lesen zu können.Wenn ich favorisiere dann meist spontan und ohne Schieblehre oder Winkelmesser.
Bin gespannt was die anderen Diskutanten aus dem Stoff machen...
Agora 3.0 - Bildbesprechung intensiv 22/04/2016 19:45
Der Fotograf schreibt:"Bei diesem Bild kann ich gar nicht nicht sagen, warum ich es gerade so aufgenommen habe. Wie so oft in der Streetfotografie ergibt sich die Bildidee ungeplant aus der Situation heraus ... und manchmal entdeckt man den Witz des Bildes auch erst bei der Durchsicht der Ergebnisse .... wie bei diesem Bild hier. Eigentlich ging es mir nur um ein Gegenüber von Ruhe und Bewegung - vielleicht auch gesehen und gesehen werden. Hier haben sich dann aber zufällig weitere Aussagen hinzu gesellt .... besonders gefällt mir der gelangweilte bis frustrierte Gesichtsausdruck der Puppe: "Jetzt sind meine Klamotten schon um 50% runtergesetzt und diese Tusse achtet nur auf ihr Handy" .... und natürlich auch das, was sich immer und überall und immer häufiger abspielt: Das Smartphone wird zum Mittelpunkt des Lebens ..... selbst die schönsten Klamotten können schon nicht mehr von dieser virtuellen Welt ablenken.
Ich denke nicht, dass ich das Bild gewollt so hinbekommen hätte :-)"