Alstertalromanze 274

Alstertalromanze 274

26.9.2011 im schönen und lieblichen Alstertale


Nachbarin und Nachbar im Alstertal 5

„Ich komme aus einfachen Verhältnissen!“, sagt sie. Sie muss ja nun aber wirklich nicht alles betonen, was auf den ersten Blick ersichtlicht ist. Ich räkel mich. Schaue in den dunklen Garten. Sylvia knipst mit ihren Zehen. Im diffusen Licht sieht ihr Gesicht kantiger aus, fast hart und ausgezehrt. Wir bleiben in der Wohnküche. Im alten Ehebett kann ich nicht. Dies wäre so, als würde man in der Magengrube hin und her wälzen. Spülmaschine oder Küchentisch finde ich ein wenig zu modern, zu jugendlich und auch der Wohngegend nicht ganz entsprechend. Den Hobbykeller halte ich für adäquat. Da gibt’s Werkzeuge, Hilfsmittel, Spielzeuge, mit denen man sich gemütlich eine Nacht lang die Zeit vertreiben kann. Außerdem habe ich da verschiedene Aufbaupräparate deponiert. Der viele Wein, der viele Mut, die große Liebe fürs Detail.

Ich bitte sie die Brille abzunehmen, bevor wir in den Keller gehen, denn die eine oder andere unbedachte Bewegung könnte problematisch sein. Sie folgt mir brav wie eine Schülerin, welche eingewilligt hat von ihrem Lehrer verführt zu werden. Die Grillen zirpen.

„Hörst du, die Grillen zirpen!“, sage ich zu Sylvia. Ich zeige ihr eine alte Luftpumpe, mit der man sich z.B. gegenseitig den Darm aufpusten kann.
„Und wozu soll das gut sein?“, fragt Sylvia
„Das ist doch nur ein Beispiel!“
„Ach, ja, ich muss noch so viel lernen. Sagt Papi auch immer!“

„Das ist Renate, meine Schildkröte! Ich kann sie aber auch woanders hinstellen, wenn sie dich stört.“

Sie hält sich an meiner Hand fest und bittet jetzt doch um etwas wirksamen Alkohol. Am Wein hatte sie nur genippt.

„Gleich!“, sage ich. „Aber zieh dich bitte schon mal aus, sonst wird das heute nichts mehr!“

„Okay, aber mein Fußkettchen lass ich an!“
„Nein, dass nimmst du ab. Sonst kann ich nicht!“
„Nein, dass geht nicht!“
„Wirst du wohl!“

Jetzt ist sie leider etwas mucksch, aber es gibt Dinge, die kann ich bei aller Toleranz einfach nicht durchgehen lassen.

29. September 2011