am Morgen danach ....

am Morgen danach ....

... wenn man in Vernazza übernachtet ist es fast zu schade, die Zeit mit Schlafen zu verschwenden. Man hört das Meer, die Brandung überall durch die Gassen des Dorfes. Irgendwann fängt es an nach Brioches zu riechen und spätestens dann gilt es aufzustehen und dem Duft zu folgen ;) einen Espresso im Stehen an der Bar vor der die Einheimischen sitzen und den Tag beginnen. Ja, sie sitzen da, weil an der Bar nicht genug Platz ist. Ein perfekter letzter Morgen dort im Dorf dachte ich ... und dann kam Angelo. Schlabbriges T-Shirt, Latschen und eine Jogginghose, die wahrscheinlich schon die letzen drei Wohnungsrenovierungen von Anfang bis Ende miterlebt hat. Er arbeitet in der Bar und lädt uns für abends zu einer Party ein. Wir kommen ins Gespräch. Er hat so gar nichts vom klassischen Gigolo. Woher wir kommen will er wissen. Wir reden. Also eigentlich redet er. Er wolle sein Dorf zurück, wolle wieder unten am Hafen sitzen mit allen und Gitarre spielen. Wenn er abhauen könnte würde er das lieber heute als morgen machen. Warum er noch da sei? Weil er hier so einfach viel Geld verdienen könnte. Seine Frau sei in America, mit seinem Kind. Sie arbeite im Silicon Valley. Da draussen vor der Tür sitze sein Cousin. Sie reden nicht mehr mit einander. Alles hat sich verändert. Die Menschen säßen nur noch da und würden auf Ihr Smartphone sehen. Sie redeten nicht mehr miteinander. Und wenn er fragen würde, sie könnten sich nicht mal dran erinnern, wer ihnen den Kaffee gemacht hat. Seit dem Erdrutsch 2011 hat sich noch mehr verändert. Auch die Leute im Dorf seien schuld. Tag für Tag kämen tausende, blieben nichtmal eine Stunde und müssten weiter. Nichts hier sei echt. Die Fische im Meer reichen nicht. Der Wein, der als regional verkauft würde sei es nicht. Ganz ehrlich, das war uns schon vorher klar. Wer sich mit der Region auseinandersetzt, darf davon nicht überrascht sein. Ligurien veraltet. Die Jungen gehen weg und kaum einer will sich mit der beschwerlichen Bewirtschaftung der Terrassenfelder belasten. Soviel also zu meiner Romantik.
Zwei Touristen betreten die Bar. Wortlos. Wollen einen Kaffee. Angelo fragt sie woher sie kommen. Aus den USA. Toll sagt er. Er habe da Familie. Und, sie könnten gern in den Staaten ein Diner betreten ohne was zu sagen. Aber hier seien sie in Italien und da wolle er ein Buongiorno hören. Das war das lauteste Guten Morgen, das ich je gehört habe.

Diese Unterhaltung hat mich beschäftigt. Für den Rest des Tages. Und irgendwie noch heute. Wir sassen dann dort, wo dieses Foto entstand und aus der Kirche schallte live "Wish you were here ...." so eindrucksvoll und doch surreal.