Auf der Lauer: Gemeine Schnepfenfliege
In ihrer typischen Lauerposition hängt die Gemeine Schnepfenfliege (Rhagio scolopaceus) stets kopfunter an einem geeigneten Ansitz, von dem aus sie den Luftraum um sich beobachten kann, weswegen sie im Englischen „down-looker fly“ heißen. Sie ähnelt in ihrem Verhalten und im Aussehen stark den Raubfliegen*, ist aber tatsächlich näher mit den Bremsen verwandt, obwohl diese deutlich gedrungener erscheinen. Bei der Wahl des Ansitzes ist sie nicht wählerisch, sie nimmt Baumstämme, Weidezaunpfähle und Jagdkanzeln ebenso an wie gelegentlich Hauswände, die aber durchweg in der Sonne stehen müssen. Von dort startet sie raubfliegengleich und blitzartig ihre Angriffe auf vorbei fliegende Insekten. Bemerkenswert ist, dass die Fliege, solange sie keinen Erfolg bei der Jagd hat, oft zentimetergenau an die Ausgangsposition zurückkehrt. Das geschieht selbst dann, wenn sie dort durch irgendetwas gestört wurde und deswegen aufgeflogen ist (was das Fotografieren relativ leicht macht).
Während die erwachsenen Tiere auch Nektar und Honigtau zu sich nehmen, scheinen die Larven überwiegend oder ausschließlich Räuber zu sein, die sich in der Bodenstreu, zwischen verrottendem Pflanzenmaterial und gelegentlich unter Baumrinde von Insektenlarven und Regenwürmern ernähren.
Die Familie der Schnepfenfliegen (Rhagionidae) enthält gerade mal 17 Gattungen mit etwa 500 Arten weltweit. Charakteristisch ist u.a. der abwärts gerichtete Doppeldorn an der hinteren Tibia, der bei dem Männchen im Bild gut zu erkennen ist. Die Körperzeichnung der einzelnen Rhagio-Arten und insbesondere bei R. scolopaceus kann stark variieren, was immer wieder zu falschen Ansprachen führt; die Flügel sind jedoch meistens charakteristisch gefleckt. Die Gemeine Schnepfenfliege ist hierzulande die mit Abstand häufigste Art der Familie. Sie ist in Mittel- und Nordeuropa bis nach Sibirien ohne besondere Lebensraumansprüche verbreitet, in Südeuropa dagegen selten oder fehlt ganz (z.B. südlich der Pyrenäen). Sie ähnelt der seltenen R. strigosus, die allerdings eine Sommerart ist, während R. scolopaceus typischerweise im Frühling mit Höhepunkt im Mai fliegt.
1949 wurde R. scolopaceus das erste Mal in Nordamerika gefunden, was allerdings erst 20 Jahre später bemerkt worden ist; danach scheint es in 1950er und 1960er immer wieder einzelne Neuankömmlinge an der amerikanischen Ostküste gegeben zu haben (vermutlich mit Gartenbauerzeugnissen transportiert), die sich spätestens ab den 1990er Jahren als Population etablieren konnten.
*https://www.fotocommunity.de/photo/raubfliege-saugt-schmeissfliege-aus-weisswolf/45898004
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