Berlevåg ...... und etwas zum Nachdenken !
Machen wir ein Gedankenspiel, das sich in meinem Kopf entwickelte, als ich in einem TV-Report einen Einwohner von Berlevåg (oder Båtsfjord ?) folgendes sagen hörte:
„Nein, er war noch nie auf Urlaub, denn zu Hause bei ihm in Berlevåg/Båtsfjord ist es am schönsten!“
Solche Aussagen werden wohl viele Menschen auf Erden machen, und ist eigentlich nichts unbedingt Erwähnenswerts, sondern etwas anderes daraus folgend ging mir durch den Kopf:
Denn, ...... nehmen wir an, dieser Berlevåger setzt sich in sein Auto, um doch einmal weit weg auf Urlaub fahren.
Wie würde das, verglichen oder transponiert auf mich als Wiener oder Österreicher, (kann auch jeder FC’ler oder Buddy in Deutschland überlegen), aussehen:
Wenn ich 600 km mit dem Auto fahre, bin ich quer durch Österreich am Bodensee angekommen oder ich könnte auch bereits an der Adria einen Badeurlaub genießen!!!
Wenn ich gar 1.000 km fahre, wäre ich z.B. schon etwa in Rom, Paris oder auch schon quer durch Deutschland, in Hamburg.
Was will ich damit sagen:
Wenn unser „Berlevåger“, „Båtsfjorder“ oder gar jemand aus Kirkenes losfährt, ist er nach 600 km noch immer nördlich des Polarkreises auf direkter Route in Finnland (Rovaniemi), wenn er in seinem eigenen Land bleibt und 1.000 km weit fährt, hat er in seinem Heimatland Richtung Süden noch immer nicht einmal den „eigenen“ Polarkreis erreicht, d.h. er ist noch immer nördlich davon, während ich z.B. schon fast quer durch Mitteleuropa durch wäre!
Wenn man sich das so vor Augen führt, auch wenn man (ich) selbst schon öfter dort oben am nördlichen Eismeer war, finde ich das „Wesen der Dimension der Distanzen“ immer wieder aufregend!
Ein Berlevåger hat z.B. nur eine einzige Straße, die aus seinem Ort hinausführt und muss fast 140 km fahren, bis er zur nächsten „Hauptstraße“, die E6 in Tana bru, (ebenfalls einem kleinen Ort, aber mit wichtiger (!) Straßenkreuzung), kommt.
Nur nächsten Stadt, Kirkenes, muss er zusätzlich nochmals knapp 140 km zurücklegen!
Will er nach einem „Stadtbummel“ wieder zurück, so hat er insgesamt etwa 560 km mit seinem Wagen hinter sich!
Die nächste Stadt in südwestlicher Richtung wäre Karasjok (hin und zurück auch schon ca. 640 km, also etwas zu weit für einen Besuch in einer „Shopping-City“ .......... und gar Hammerfest im Westen kann man mit über 1.080 km hin und retour wohl nur mit „Leichtsinn“ (keine Autobahnen) statt „Stadt-Erlebnis“ für den Berlevåger bezeichnen!
Also, tatsächlich, es ist dort oben wohl das beste, man bleibt zu Hause! :-)))
Danke, dass du meinen „Gedankenspielen“ bis hierher gefolgt bist! :-)
* * * Der 20. Tag unserer Reise führte uns als Tagesausflug von Storfossen kommend entlang des Tanaflusses nach Tana (bru) und weiter über etwa 300m hohe Tundrafjelle zu den weit entlegenen Fischerdörfern Berlevåg und Båtsfjord am nördlichen Eismeer und wieder über Tana (bru) zurück zu unserer Campinghütte in Storfossen.
Gesamtkilometer an diesem Tag: 417 km
Gesamtkilometer seit Wien: 8.932 km * * *
- 18. Juni 2007 -
rocon 10/07/2011 17:16
Warum denkt Ihr wir hätten etwas versäumt,nur weil wir noch nie aus Berlevag wegwaren.Denkt Ihr mit euren Einkaufscentern hättet Ihr mehr Lebensqualität oder hättet mehr vom Leben.1100km durch die Finnmark zu fahren wäre für uns kein Problem.Aber vieleicht wollen wir das gar nicht.
Der Herrgott hat die Finnmark so schön gemacht,weil er selbst dort leben wollte.
Darum brauchen wir nichts neues oder modernes,weil wir hier nach den alten und ehrbaren regeln leben.
Respektiert das Land und die Menschen.Macht eure Augen auf und seht diese Schönheit, die diese Finnmark zu bieten hat.
Vieleicht könnt Ihr euch dann besser vorstellen,warum wir so sind wie wir sind.
Manfred Lang 31/05/2008 21:31
@ AnnetteIch kann deinem Gedankengang für mich persönlich voll und ganz zustimmen.
Wenn schon nicht in meiner Heimat wohnen, dann wäre Norwegen wahrscheinlich auch die einzig denkbare Alternative, wobei ich gleich sagen muss, ich würde nie aus Wien fortziehen, dazu bin ich als Person und Mensch zu traditionell! Aber falls.........! :-)
Alle anderen von dir beschriebenen Alltagskleinigkeiten kenne ich auch von mir (außer dass mir zu Hause nie langweilig wird) nur allzu gut! :-)))
Herzliche Grüße
Manfred
Annette He 31/05/2008 16:27
Hallo Manfred,Deine Gedanken finde ich interessant. Stimmt, Du hast recht. Wobei ich es nicht unangehm finde, so zu leben wie die Nordnorweger. Das Beste daran finde ich, daß sie zufrieden zu sein scheinen. Wenn ich so über mich selbst nachdenke, erschrecke ich in letzter Zeit: ich brauche ständig Neues. Das fängt auf der Arbeit an: jeden Tag was anderes, kein Tag ist wie der andere. Jeden Tag neue Bilder in der fc, wenn sich da welche wiederholen, z.B. Inskekten, kommt sofort der Gedanke: hab ich schon so oft gesehen. Wenn ich vier/fünf Tage am Stück frei habe, muß ich wegfahren, weil es mir zu Hause zu langweilig ist. Das finde ich selbst schon bedenklich. Da beneide ich den Nordnorweger mit seiner Heimatverbundenheit und Zufriedenheit und würde gerne mit ihm tauschen.
Ich freu mich auf mehr Gedanken von Dir.
LG Annette
Manfred Lang 30/05/2008 21:18
@ Jutta und JürgenDanke für eure informativen Anmerkungen zu meinem "Thema"! .-)
Herzliche Grüße
Manfred
J. Und J. Mehwald 29/05/2008 15:22
Puh, war das anstrengend - nicht das Anschauen, aber das Lesen. Sehr interessante Gedankengänge entfaltest Du, aber auch andere Anmerkungen dazu, sowie Deine Antworten, sind sehr interessant.Abgesehen davon, das wir gerne in Herne und überhaupt im Ruhrgebiet leben, fahren wir nicht so viele km und können sehr gut verstehen, wenn man dann dort (nördlich des Polarkreises) nicht in Urlaub fahren möchte. :-))
Spätenstens nach 1000 km sind wir mit unserem Auto am Ziel!
LG von Jutta und Jürgen.
Manfred Lang 29/05/2008 14:15
@ alleIch danke euch allen, dass ihr euch mit meinen Gedankenspielereien so ausführlich auseinander gesetzt habt! :-)
@ Brigitte
Interessant, deine Vergleiche mit deiner Insel zu lesen! :-)
@ Ulfert
Der "Berlevåker" hat auch landschaftlich nichts davon, wenn er seinen Heimatort verlässt, denn, wenn er etwa 700 km weit von zu Hause wegfährt, sieht die Gegend noch immer so aus, wie bei ihm zu Hause! (Als Tourist empfindet man das natürlich ganz anders..........!) :-)
@ Hans-Joachim
Erinnerung an die Jugend:
Genau so war es bei uns daheim! Wenn wir als Kinder mit den Eltern auf Sommerurlaub an den Wörthersee fuhren, (Kärnten, Klagenfurt, im Süden Österreichs), das sind rund 320 km, so brauchten wir (es gab noch keine Autobahn) von früh bis zum späten Nachmittag, also fast den ganzen Tag und waren müde.........!
Wenn ich heute dorthin fahre, dann bin ich schon vor dem Mittagessen dort und kann sogar noch an der Promenade vorher bummeln.
Und wenn ich um 19 Uhr etwa nach Hause fahre, bin ich am selben Tag locker um 22 Uhr in Wien! :-)
@ Wolfgang V.
Ich danke dir! :-)
@ Theo
Interessante Ergänzung für mich vom Ausgangspunkt München aus gesehen! :-)
@ Sue
Sorry, I can't explain it in English! :-(
@ Frank M.
.........und froh werden sie dort darüber sein.....! :-)
@ Frank G.
Ich danke dir fürs Lesen! :-)
@ Ralf
Schön, deine gedankliche Fortsetzung ....... auf den unmittelbaren Alltag bezogen! :-)
@ Wolfgang W.
Bezüglich Gesundheitsvorsorge oder - abdeckung in den nördlichsten Regionen, habe ich noch einen "TV-Report-Film" in Erinnerung:
Die Regierung in Oslo versucht mit allen Mitteln (eben auch Geld), die Abwanderung der Bevölkerung von diesen entlegenen Regionen zu verhindern!
Im Film wurde z.B. gezeigt, dass mit dem (!) Taxi, das die Krankenkasse zahlt, Patienten von Båtsfjord & Berlevåg etc.nach Kirkenes in die Ambulanz des Krankenhauses, nur zur Untersuchung, gebracht werden (das Taxi wartet in der Zwischenzeit vorm Krankenhaus) und wieder retour......... sind insgesamt ca. 550 km !!! - Alles, um das Leben zu erleichtern und die Abwanderung zu verhindern!
Gezeigt wurde dies mit einer Fahrt im tiefsten, finsteren Winter, mit Schneetreiben, Kolonnefahren (was ich schon bei meinen Bildern hier angesprochen habe).
Und wir "motschgern" schon, wenn wir in der Ambulanz vielleicht zwei Stunden warten müssen! :-)
@ Alex
Zu deinen interessanten Ergänzungen möchte ich folgendes noch hinzfügen:
Wenn ich einen Zirkel auf dem Globus in "Wien reinsteche" und das Nordkap damit "abzirkle", sodann mit dieser Distanz einen Kreis "um Wien" ziehe, dann ............ bin ich im Osten weit über Moskau beim Ural, im Süden in der Sahara, im Südwesten zwischen Spanien und Madeira und im Westen weit im Atlantik.-
Ende des Gedankenzusatzes ! ! !
Oder anders gesagt:
Wer gern mit dem Auto fährt, kann eigentlich nur in den Norden (gute Straßen, Sicherheitsgefühl im Alltag, .....schöne Landschaft, die man mit dem Auto "bummelnd" erleben kann), zum Ural würde ich nicht so gern allein fahren, zur Sahara ist es auch nicht "mehr so einfach"als Einzeltourist, und im Atlantik hat die natürliche Benützung des Autos ihr Ende! :-)
Herzliche Grüße
Manfred
Alex der Vikinger 29/05/2008 9:48
Lieber Manfred,mit dem Foto und deiner Erklärung spricht du mir aus der Seele. Dimensionen haben in Norwegen eine andere Größenordnung, an die man sich erst mal gewöhnen muß. Auf den Schilden entlang der B6 stehen die Kilometer immer dreistellig oder sogar vierstellig da. Dreht man Norwegen um seinen südlichsten Punkt Kap Lindesnes um genau 180 Grad, dann läge der Nordkapp in der Tat mitten auf Sizilien ;-)) Daran kann man ermessen, wie lang dieses schöne Land ist und daß man mehr als genug Zeit mitbringen sollte, um es sich anzuschauen. Es gibt aber, und das habe ich vor allem durch meine eigenen Erfahrungen herausgefunden, ein klares Nord-Süd-Gefälle. Die Südnorweger, die etwas wohlhabendere Bevölkerung, macht Sommerurlaub auf Mallorca, Gran Canaria, Zypern und Kreta, obwohl sie von dem kleinen paradies im Norden wissen, sie liegen einfach näher an Mitteleuropa und damit haben sie diesbezüglich durchaus ähnliche Interessen wie viele Mitteleuropäer.
Möglicherweise ist sich der Nordnorweger aber auch seines Landschaftsschatzes bewußt und genießt ihn, während wir gern versuchen, der dichtbepackten Zivilisation in Mitteleuropa zu entfliehen, was man j auch verstehen kann. Mich stört nur, daß viele nicht einmal ihre nähere Umgebung gut genug kennen. Ich habe mal einen leipziger Freund gefragt, ober auf dem Völkerschlachtdenkmal war - Antwort: Nein. Meine Helferin in Stavanger, eine Ur-Rogalandsdame war noch nicht auf dem Preikestolen, mit über 50 Jahren...
Lg Alex und danke für deinen interessanten Gedankenanstoß.
Wolfgang Weninger 29/05/2008 9:33
so wie du uns das vorrechnest, bekommen die Dimensionen eine ganz andere Wirkung und auch der häßliche Funkturm hinter der Stadt ist als "Transport- und Kommunikationsmittel" aus ganz anderer Sicht zu betrachten. Man kann eben nicht so einfach mal "um die Ecke" gehen, um etwas zu besorgen. Das Einzige, was ich als wirklich wichtig betrachte, ist die Gesundheitsvorsorge in so einer Gegend, denn auch hier sind ja im Extremfall große Entfernungen zu überwinden. Deine Gedanken angesichts dieses Anblicks relativieren das dörfliche Ambiente doch deutlich.Servus, Wolfgang
Ralf Bolte 28/05/2008 23:01
Sehr schönes Foto und ein ebenso interessantes Gedankenspiel. Diese Dimensionen kann ein durchschnittlicher Kölner wohl nie nachvollziehen. Öffentliche Verkehrsmittel, die "nur" alle 10 Minuten und 30 Minuten bis zum Stadtzentrum fahren, sind hier schon schwer tolerierbar. 5 Minuten Verspätung der Bahn sind ein Graus:-) Das ist wirklich eine völlig andere Welt!vg ralf
Frank Gandraß 28/05/2008 21:01
Ein Interressanter Gedankenansatz. Alles eine Frage der Relation.Gruß Frank
Frank Mühlberg 28/05/2008 20:39
Berlevåg ist halt nicht der Nabel der Welt ! :-))Frank
Theo D´Or 28/05/2008 20:20
Ich habe einfach nur mal meine Navi gefragt: "Liebe Navi" so sagte ich "ich bin jetzt gerade - natürlich nur wegen Deiner guten Arbeit - hier auf der A99, der Ostumfahrung München. Nun sag an: Wie weit bis Catania? Wie weit bis Hammerfest?""Willste das echt wissen?" fragte die Navi zurück. Naja, nicht wirklich, aber ich dachte mir, daß sie das hätte sagen können, so vorwurfsvoll wie sie mich mit ihren blauen Bildschirmaugen ansah.
Nach einer Weile ergebnete sie Folgendes:
München - Catania: ca. 1700 km
München - Hammerfest: ca. 3400 km!
Ich war ziemlich überrascht!
Wolfgang Vahrenholt 28/05/2008 20:14
Wieder sehr informatitiv, dein Bild und die umfassende Hintergrundinformation.LG Wolfgang
Hans-Joachim Weiß 28/05/2008 20:12
Dein Text macht in der Tat nachdenklich. Sehr verständlich schilderst Du die Entfernungen in Norwegen im Vergleich mit unseren Distanzen. Man kann dieses Gedankenspiel auch noch fortsetzen und auf andere Länder oder Kontinente transferieren. Wer etwa irgendwo in China lebt und 3000 km weiter fährt, ist , je nach Standort, meist immer noch in China. Im Unterschied zu Norwegen, allerdings auch in einer anderen Klimazone und einer völlig anderen Ethnik. In unserer globalisierten Welt sind die meisten Menschen immer noch mehr oder weniger an ihren unmittelbaren Lebensraum "gebunden" (Ausnahmen: Europa, Nordamerika und Australien). Insofern verstehe ich auch die Aussage des Finnmark-Bewohners, er wäre noch nie in Urlaub gewesen und zu Hause ist es am schönsten.Ich erinnere mich 50 Jahre zurück an meine Jugend. Da waren 200 km zurückgelegte Entfernung eine "Weltreise". Heute steige ich, ohne großartig nachzudenken, in einen Flieger und bin nach 11 Stunden Flug ca. 10.000 km von zu Hause entfernt und in einer anderen "Welt". Macht man das drei oder viermal im Jahr, schwindet das Gefühl für gewaltige Entfernungen immer mehr.
LG Hans-Joachim
http://www.hansjoachim-weiss.de
Ulfert k 28/05/2008 20:06
Für uns Mitteleuropäer sind diese Entfernungen unter Normalbedingungen nicht zu verstehen.In Norwegen ist eine Norwegische Meile = 10 Km ;Dann kommt den Einheimischen 150 oder auch 300 km nicht so weit vor.
Dein Gedankenspiel ist schon überlegenswert.
Als Berlevaker würde ich auch wohl zuhause bleiben.
lg
ulfert k