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Buche am Schaalsee

Buche am Schaalsee

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Weißwolf


Premium (World), Güstrow

Buche am Schaalsee

Am stark hängigen, bis zu 21 m hohen Westufer des Kampenwerder, einer im Schaalsee gelegenen Insel, deren Uferlinie die Grenze zwischen Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern markiert, stockt auf einer Breite von 30 bis 90 m ein z.T. sich selbst überlassener Buchenwald, während der übrige, überwiegend aus Nadelholz bestehende Bestand Teil der Forstmonokultur ist.
Die doppelstämmige Buche, deren Holz zu etwa 80 % abgebaut ist und die auf den äußersten „Jahrringen“ ihrer Stämme ruht, macht einen desolaten Eindruck. Schaut man zur Beurteilung der Vitalität in die Krone, findet sich dort ein geschlossenes Blätterdach, art- und standortgerechte Verzweigungen, kaum Totholz – alles, was von einer „gesunden“ Buche zu erwarten ist.
Als Mensch, als Säugetier haben wir eine sehr genaue Vorstellung von unserem eigenen Körper und seiner Funktionsweise, wir haben eine Vorstellung von unserem Leben und wie es sich selbst organisiert. Wir glauben zumindest unbewusst, dass alle anderen Lebewesen, wie weit sie auch phylogenetisch von uns entfernt sind, ähnlich funktionieren. Solange wir es bei Kategorien wie Geburt, Jugend, Reife und Tod belassen, mag das – mit Einschränkungen – noch gelten. Doch auf der biochemischen Ebene sind tierisches und pflanzliches Leben nicht miteinander vergleichbar, was sich bis in die konkreten Lebensäußerungen hinein fortsetzt: der Baum ernährt sich über den Wurzeln im Boden und über die Blätter der Krone; das bidirektionale Verteilungssystem, die Leitbündel mit Phloem und Xylem, befindet sich lediglich in den äußersten Schichten seines Körpers – das Innere hingegen ist tot und physiologisch nutzlos.
Seit etwa 350 Millionen Jahren existiert die Lebensform Baum auf unserem Planeten, jede achte Pflanzenart ist ein Gehölz und in zwei Dritteln aller Pflanzenfamilien gibt es Baumarten – es handelt sich mithin um eine kolossal erfolgreiche Lebensform, vielleicht sogar die erfolgreichste. Ebenso lange gibt es holzabbauende Mikroorganismen - beide hatten Zeit, sich aufeinander einzustellen und miteinander auszukommen. Dass Bäume und Pilze eine symbiotische Beziehung eingegangen sind, zeigt die Mykorrhiza, doch vielleicht trifft das auch für die Pilze zu, die in den Bäumen physiologisch totes Holz abbauen, das der Baum nicht mehr unbedingt braucht. Man kann es auch so sehen: indem sie das Holz im Innern zersetzen, treiben sie den Baum an, zusätzliches lebendes Gewebe außen anzulegen, was einerseits den Wasser- und Nährstoffstrom stärkt, aber auch der mechanischen Stabilität dient. Zudem besitzen Bäume im geschlossenen Wald nicht nur den Ankerpunkt im Boden, die Wurzel, sondern einen zweiten im Kronendach, der mit seinem Astsystem dafür sorgt, die Stämme selbst bei schweren Stürmen nur moderat schwingen zu lassen.
Allein die Tatsache, dass die Buche auf diesem Standort wächst und ungehindert Photosynthese betreibt, deutet darauf hin, dass das, was wir visuell als „Schaden“ empfinden, die Vitalität nicht nachhaltig beeinträchtigen muss. Menschliche Intuition ist lediglich Ausdruck eines anthropozentrischen Standpunktes, der an unsere eigene Entwicklungsgeschichte gekoppelt ist, nicht aber die baumspezifischen Lebensumstände im Auge hat. Was unser Ästhetikempfinden zutiefst verletzt, ist nicht mehr und nicht weniger als die Anpassungsstrategie der Bäume, die sich in Hunderten Jahrmillionen als extrem erfolgreich erwiesen hat und ihnen ein außerordentlich hohes Alter verleiht. So gesehen ist die Schaalsee-Buche kerngesund und optimal strukturiert.

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Exif

Fotocamera NIKON D300S
Obiettivo Sigma 28-70mm F2.8
Diaframma 5
Tempo di esposizione 1/30
Distanza focale 32.0 mm
ISO 200