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Christian Gaier


Premium (World), Mannheim

Der schwarze Graf

„Ich war ja als Jugendlicher ein Kotzbrocken"

Zweite Karriere mit 57: Seit gestern macht der frühere Boxer Charly Graf sein Anti-Gewalt-Training mit Schülern als Vollzeit-Job

Manchmal muss man lange warten, bis Träume in Erfüllung gehen. Für Charly Graf hat sich das Warten gelohnt. Der ehemalige Profiboxer, der auf die schiefe Bahn geraten ist und sich wieder gefangen hat, hoffte jahrelang auf einen festen Job. Gestern war es soweit: der erste Arbeitstag des „schwarzen Grafen" als Projektmitarbeiter des Fachbereichs Bildung der Stadt.
„15 Liegestützen", sagt Charly Graf mit ruhiger Stimme. Der Sohn Mannheims, der in den berüchtigten Benz-Baracken aufgewachsen ist, muss nicht laut werden, um die 24 Sechst- und Siebtklässler der Humboldtschule in Bewegung zu bringen. Er zählt mit: „Vier, drei, kämpfen, kämpfen, kämpfen", motiviert er.
Vom Kämpfen versteht Charly Graf viel. Er war 1969 Deutscher Juniorenmeister im Boxen, hat 26 Kämpfe als Profi bestritten. Der schnelle Aufstieg des heute 57-Jährigen endete mit dem Absturz ins Zuhältermilieu. Glücksspiel, Zuhälterei und schwere Körperverletzung - mit Unterbrechungen saß er sechseinhalb Jahre in Haft. Vor vier Jahren hat er damit begonnen, Jugendlichen in Mannheimer Haupt- und Förderschulen Anti-Aggressionstraining zu geben - seit gestern macht er das im Vollzeitjob mit 39 Wochenstunden an fünf Tagen. Bis Ende 2009 ist sein Vertrag zunächst befristet.
„Ich habe aufgrund meines Vorlebens nie damit gerechnet, dass es so weit kommt. Ich war ja als Jugendlicher ein asozialer Kotzbrocken", bekennt Charly Graf. Mit seinem Training will er verhindern, dass die Jugendlichen die gleichen Fehler machen wie er. „Mir macht das schon Spaß, aber ist auch schwierig mit den Jungs. Man muss kleine Schritte gehen", hat er gelernt.
Ihre Aggression bauen die „Jungs" am Sandsack ab. Eine Fünferreihe steht davor Schlange. „Ich sage "Zeit" und dann geht es bum, bum, bum, bum", sagt er und boxt im Rhythmus seiner Worte mit beiden Fäusten auf den Sandsack. Jetzt sind die Schüler dran. 30 Sekunden lang hämmern die Fäuste des ersten auf das Sportgerät ein. „Wechsel, Wechsel, auf, hopp", ruft Charly Graf, und schon ist der nächste an der Reihe. Zwei Fernsehteams und vier Pressefoto grafen lichten ihn bei seiner Arbeit mit den Jugendlichen ab. Charly Graf, über dessen Leben ein Dokumentarfilm gedreht wurde und ein Spielfilm in Arbeit ist, ist immer noch eine Berühmtheit - aber keine traurige mehr. Mit auf den rechten Weg gebracht hat ihn der ehemalige RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock. Ihn hat er kennengelernt, als er in Stammheim im Knast saß. Boock forderte ihn auf, wieder zu boxen, machte ihn mit Literatur vertraut. „Wenn man Dostojewski liest, dann denkt man über sein Leben nach", erinnert sich Charly Graf an seine Reifezeit.
Der geläuterte und gereifte Charly Graf beeindruckt auch Bürgermeisterin Gabriele Warminski-Leithäußer. „Er ist kein einziges Mal laut geworden. Er hat genau die richtige Ansprache für die Jugendlichen", sagt sie. Dass die Stadt einen 57-Jährigen einstellt, hält sie für ein Zeichen mit Signalwirkung. „In diesem Alter hat man sonst kaum noch Chancen, eine Stelle zu finden. Aber dieses Wissen, das die Menschen in diesem Alter haben, sollte man nicht ungenutzt lassen", meint die Bürgermeisterin.
Für SPD-Stadtrat Rainer Spagerer, der sich lange für den bis gestern von Hartz IV lebenden Ex-Boxer eingesetzt hat, ist Grafs erster Arbeitstag eine große Genugtuung. „Es war nicht so einfach, das hinzukriegen. Ich habe alle Amtsleiter an einen Tisch gebracht, und wir haben es geschafft. Das ist eine tolle Sache für ihn und für die Kinder", betont er. Die Jugendlichen sind dankbar, um das Wissen, das ihnen Graf vermittelt. „Er zeigt uns, wie man Gewalt aus dem Weg gehen kann. Das macht er sehr gut", befindet der 16 Jahre alte Zeeshan. Auch Gabriele Warminski-Leithäußer hat am Boxen Gefallen gefunden, worauf sie Charly Graf zu einem Probetraining einlädt: „Aber nicht, dass das dann mein letzter Arbeitstag war", scherzt er.

Commenti 4

  • Dieter N. 03/04/2008 13:16

    ich würde mir links einen konsequenteren schnitt wünsche und vor allem, dass die handschuhe besser zur geltung kommen, bzw. komplett abgebildet sind.
    vg, dieter
  • Matten Ernst 03/04/2008 10:38

    Hi Christian, das erste Bild finde ich besser, da auch der mönströse Arm zu sehen ist, der vermittelt, welche Gewalt sicherlich möglich ist/war. Außerdem ist die Aufteilung des ersten Bildes besser (goldener Schnitt), da der Boxsack die Aufmerksamtkeit auf Charly bzw. die Handschuhe und den kräftigen Arm lenkt.
  • der kleine KÖS 02/04/2008 21:28

    hab mir den Text echt nicht durchgelesen !!! da das auch keine TEXTcommunity ist !!!

    Aber das Bild gefällt mir sehr gut !!! könnte mir rechts noch etwas mehr vorstellen !!! Querformat und etwas mehr vom rechts !!

    MFG der die das KÖS
  • Mokka 02/04/2008 15:26

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