Fotografischer Monolog 65

Fotografischer Monolog 65

24.2.2012 Hamburg

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Man trifft ihn auf Vorstadtvernissagen, Stadtrandfinissagen, Problemstadtteilbergfesten und Supermarkteröffnungen im Binnenland: den O-Safttypen. Er steht meistens an einer weißen, nicht bestückten Wand und beobachtet die Putztränen. Manchmal ist die Gattin oder seine Mutter bei ihm und richtet den locker getragenen leicht verschmutzten Kragen. Nicht ganz so radikal ist der O-Saft – Sektmischer. Der sieht immerhin in der Farbe Orange das Schöne der Welt, die Auferstehung der Pop-Art in den 70er Jahren. Der kann sich wenigstens vorstellen, auf unbequemen Schalensitzen eine Nacht zu verbringen. Als Opfer für die Kunst.

Es scheiden sich die Geister auch bei der Häppchenwahl. Op-Artvertreter fühlen sich zu der Haus gemachten Leberwurst hingezogen, weil sie das Besondere im Wesentlichen sehen. Deswegen wird aus Kostengründen oft der Käse vom Aldi hinzugezogen, da aber immerhinque der Gute. Es gibt ja auch noch die Marmelade – Honig – Schokochreme – Leute. Menschen, die sich beim Anblick magenbruchartiger Fruchtaufstriche rituell ergötzen können. Als der Name Fruchtaufstrich sich durchsetzte, verlor diese Fraktion an Ernsthaftigkeit und ihre Anhänger wechselten die Seiten. Teilweise extrem. Sie stehen hin und wieder sogar mit den „kleines Pils aus der Flasche“ Trinkern zusammen. Kenner mit Herz meiden alkoholfreie Biere, vor allem aber auch ihre Konsumenten.

Die Orange bleibt farblich gesehen der Schönste Mittelpunkt der Welt. Sie gehört nicht getrunken und nicht ausgepresst. Ich bringe zu solchen Veranstaltungen die Versorgung mittlerweile selbst mit. Spanferkel und Spieß, Forellenfilet für die Jackentasche, Petersburger Sahneschnitzel, Senfburger mit Honig, Bamberger Hörnchensalat, Maishuhn zur Rush Hour, Spätzle mit Linsen, Champagnerlabskaus und Rib eye Steak.

Ich bin gerne unabhängig. Ich liebe die Menschen. Aber ich kann ihre Marotten nicht vertragen.

25. Februar 2012