"Junger Hüpfer" im Land der weißen Berge
Die obige Aufnahme wird schon bald historisch sein, steht die neue Baureihe 265 (Arbeitstitel Gravita 15L BB) mit ihren 1800 kW doch schon in den Startlöchern um die Lokomotiven der Baureihen 232 und 233 im hessisch-thüringischen Grenzgebiet zu beerben. Derzeit werden drei Lokomtiven des Werkes Mainz-Bischofsheim schon intensiv im Nahbereich zwischen Bebra, Beiseförth, Gerstungen, Heringen, Heimboldshausen und Unterbreitzbach eingesetzt und haben hier bereits einen Teil der Aufgaben der bisher hier verwendeten Lokomotiven der Reihe 294 übernommen. Mit Ablieferung einer weiteren Maschine sollen auch Doppeltraktionen gebildet werden und die 232/233 ersetzt werden.
Die Strecke zwischen Gerstungen und Heringen (Werra) ist die Hauptabfuhrstrecke für die Erzeugnisse der Kali & Salz AG aus deren Bergwerken
dies- wie jenseits des ehemaligen "Eisernen Vorhang". Als der "antifaschistische Schutzwall" noch bestand konnte die Verbindung über Gerstungen nicht genutzt werden, wurde doch bereits von Heringen kommend kurz vor dem im Hintergrund sichtbaren Örtchen Dankmarshausen die Zonengrenze einmal gequert. Von Gerstungen aus weiter Richtung Westen wurde sie sogar dreimal gekreuzt. Über einige Jahrzehnte hinweg wurden die Erzeugnisse der "hessischen" Seite über die aufwendige trassierte Hersfelder Kreisbahn via Heimboldshausen und Schenklengsfeld nach Bad Hersfeld gebracht und hier an die Deutsche Bundesbahn übergeben. Die zuletzt als Hersfelder Eisenbahn Gesellschaft (kurz HEG) bezeichnete Privatbahn besaß für die Abfuhr der Kalizüge zwei moderne MaK-Lokomotiven, aber auch ein Sammelsurium an gebrauchten Großdieseln (unter Anderem "Lollo" 216 004, die ehemalige V 80 010 und natürlich V 320 001). Weitere Infos dazu findet man hier:
http://www.hersfelder-eisenbahn.de/
Für die Kaliprodukte aus den DDR-Bergwerken gab es eine kurze, aber sehr steile Strecke von Unterbreitzbach über den Sünnaer Berg nach Vacha, wo selbst eine Ludmilla (DR-Baureihenbezeichnung 131/132) mit maximal 400 Tonnen an der Grenzlast angekommen war (die Taiga-Trommeln der Reihe 120 bzw. 220 durften sogar nur 360 Tonnen ziehen). In Vacha wurden dann aus bis zu vier Zugteilen aus Unterbreitzbach Ganzzüge gebildet, von hier ging es dann Richtung Merkers und über eine Verbindungskurve Richtung Eisenach. Wer sich in "bewegten Bildern" einen Eindruck von der aufwendigen Betriebsabwicklung machen will sei folgender Link empfohlen:
http://www.youtube.com/watch?v=w_9bQq7X1KA
Mit dem Mauerfall änderten sich die natürlich auch die Rahmenbedingungen: Die Strecke von Heringen nach Gerstungen konnte wieder genutzt werden (die HEG verlor innerhalb weniger Monate ihre wichtigste Einnahmequelle, der Personenverkehr wurde Ende 1993 ebenfalls eingestellt), und von Unterbreitzbach aus wurde eine "Neubaustrecke" nach Heimboldshausen gebaut. Die aufwendige Betriebsführung über Vacha entfiel damit ebenfalls, so dass kurz nach dem Güterverkehr im Sommer 2001 auch der Personenverkehr zwischen Vacha und Bad Salzungen eingestellt wurde (Personenverkehr auf der Strecke Vacha - Unterbreitzbach gab es nur von 1954 bis 1956).
Als ich 233 709-5 (Umbau aus der höchstnummerierten und als vorletzte an die Deutsche Reichsbahn gelieferten 132 709-7) mit der Sonderleistung GC 62425 Heringen (Werra) - Sehnde ablichtete waren es nur noch wenige Wochen bis zu dem Datum, an dem sich ihre 30. "Geburtstag" begehen konnte. Im Hintergrund eine der riesigen Abraumhalden, wie sie für das hessisch-thüringische Kalirevier typisch sind, woher diese Gegend auch ihren Spitznamen hat - das Land der weißen Berge.
Aufnahmedatum: Montag, 18. Juni 2012 - 9:48 Uhr || Aufnahmeort: bei Dankmarshausen (VzG 6707 "Werrabahn" / Kilometer 5,9) ||
Verwendete Kamera: Nikon D80
Noch mehr Loks aus Woroschilowgrad
Von der Gravita bereits weitgehend vertrieben
T478 - Fan 19/03/2013 16:22
Hallo Patrick,eine Streckentour über Dankmarshausen steht bei mir auch noch aus ~ hoffentlich komme ich nicht zu spät und das Wetter spielt nochmal mit, bevor ganz Feierabend ist ... mit der 132.
An Deine Aufnahme heranzukommen, wird dabei allerdings sehr schwer sein, denn die ist Dir hervorragend gelungen.
Gruß Carsten
makna 19/03/2013 14:34
Kraftvoll: die "Ludmilla" mit ihrem langen Zug und dem Hintergrund der Kali-Abraumhalde hast Du sehr gut ins Bild gesetzt !
Hervorragend auch die ausführlichen Informationen _ danke dafür ! Plus die Zusatz-Info in Deiner Anmerkung: dass Kalilauge in die Werra geschüttet wird, erklärt so manches ...
Am 25.06.1980 hatte übrigens Ralf Roman Rossberg sein EK-Buch "Grenze über deutschen Schienen" bei einer Fahrt mit Sonderzug im EK-Rheingold-Speisewagen auf der Kalistrecke der Hersfelder Kreisbahn vorgestellt - von daher sind mir die Strecke und die besonderen Fahrwege der Kalitransporte hüben wie drüben noch in (ferner) Erinnerung.
BG Manfred
Christian Kammerer 19/03/2013 13:35
Diese Aufnahme kommt richtig kraftvoll rüber, gefällt mir sehr gut.Gruß und allzeit gutes Licht
Christian
Kurbelwelle 18/03/2013 22:07
Das Bild ist schon mal gut gelungen. Danke auch für die ausführliche Dokumentation; sehr interessant!LG Albi
Patrick Rehn 18/03/2013 20:40
@ Dieter: Ist eigentlich recht simpel, warum man das so macht. Die 232/233 wird von einem Streckenlokführer gefahren, die Gravita (auch in DT) von einem Lokrangierführer (verdient etwas weniger).Hinzu kommt die betrieblich etwas größere Flexibilität: Das Gravita-Pärchen kann man in Gerstungen auseinanderkuppeln und von dort zwei Leerzüge nach Heringen oder sogar direkt nach Heimboldshausen fahren. Hinzu kommt, dass ja nicht nur in Richtung Gerstungen schwere Züge fahren: Es gibt aktuell ein Kesselzugpaar, mit dem Kalilauge aus Neuhof nach Heimboldshausen zur Einleitung in die Werra gefahren wird, sowie ein Containerzugpaar zum Werra-Kombi-Terminal in Philippsthal-Röhrigshof.
MfG, Patrick
Dieter Jüngling 18/03/2013 19:00
Diese Aufnahme kommt gut. Ludmilla macht vor so einem Zug nicht nur Sinn sondern auch eine gute Figur.Wo der Sinn bei einer Doppeltraktion als Ersatz für die Großrussen liegen soll, muss mir aber mal einer erklären.
Gruß D. J.