Nacht, Schnee und viel Dampf - Dezember 1980
Unfreundlicher Dienstbeginn, rund um die Uhr mit ebenso mißliebigen langen Ausbleibezeiten bis zu 13.30 Stunden das stand auch bei der Deutschen Reichsbahn auf der Tagesordnung.
Obwohl die Dienstplangemeinschaften bei der verträglichen Gestaltung der Pläne immer mitreden konnte, 100% wurden und konnten nie erreicht werden. Da halfen auch keine hin und her Schieberein von einem Dienstplan zum anderen eine Kröte zu schlucken blieb am Ende für alle übrig. Damit wurde die Gerechtigkeit unter den Dienstplänen ausbalanciert.
Man hatte mir schon mal vorgehalten die Arbeitswelt der Schwarzen zu verherrlichen, zu romantischen tun abzustempeln. Körperlich hart war die Arbeit unter den damaligen Bedingungen unbestreitbar doch da war auch die andere Seite die das alles wieder aufwog. Kein Heizer oder Lokführer schaute mit heruntergezogenen Mundwinkeln aus der Lok wenn sie in einen Bahnhof einfuhren.
Müdigkeit, Abgespanntheit schlich sich unweigerlich ein wenn derartige Nachtschichten mit unmöglichen Arbeitszeiten dich lahm zu legen drohten. Rollten dann aber die Räder wieder unter dir, der Wind blies einen ins Gesicht warst du schnell wieder fit. Alle körperlichen Gebrechen waren plötzlich wie weggeblasen.
Zwischen solch angedeuteten Nächten entstand auch mein Foto früh etwa so 4.00 Uhr +/- 10 Min. im Bahnhof Saalfeld. Zu der frühen recht kalten Stunde ist mir nie ein Eisenbahnfreund jemals über den Weg gelaufen. Lagen wohl tief schlafend mit unter von herrlichen Bahnmotiven träumend alle im warmen eigenen oder Hotelbetten.
Feierabend für uns planmäßigen 13.30 Std. war an dem Sonntag 30. Dezember 1980 früh gegen 8.00 Uhr. Nach der Körperpflege sowie einen längeren Versuch mich wach zu duschen setzte sich meine Rennpappe mit mir an Bord gegen 8.50 Uhr in Richtung Pößneck (20 Km) in Bewegung. Zu Hause zeigte die Uhr nun inzwischen 9.25 Uhr, ins Bett zu gehen lohnte es sich kaum. Sonntag ist in Thüringen „Klößetag“ die 12 Uhr immer pünktlich dampfend mit einen verführerisch duftenden Braten gereicht werden. Langgelegt um zu versuchen etwas Schlaf zu erhaschen in der Platte von Pößneck Ost da waren wir bereits bei ~ 13.15 Uhr angekommen. So fünf Stunden dauerte der Matratzenhorchdienst als ich das warme Bett verließ. Abendbrot im Kreise der Familie, etwas in die Röhre geklotzt da war es wiederum schon soweit sich fertig zu machen zum Abmarsch Richtung Saalfeld.
Der Plan bestimmte 23.45 Uhr dort auf der Matte zu stehen um den Lokleiter höflich nach einer Lok zu fragen.
Oh sie war nicht die Schönste im Stall lange hatte die Lok kein Make- Up mehr gesehen unser Aushilfsöler 01 0524.
Wir beide, mein Heizer und ich werden sicher auch nicht Hand anlegen sondern versuchen wie vor uns die Personale so geruhsam wie möglich die Schicht über die Bühne zu bekommen.
„Öler“ - ein Wort das eine gewisse Bequemlichkeit beinhaltet viele unangenehme Arbeiten fallen einfach mal ins Wasser läßt. Schweißtreibendes Ausschlacken, Rauchkammer reinigen gibt es schon mal nicht. Statt schmutzige Kohle laden wird Öl gebunkert. Von dem Kürzel „KWF“ (Kohle, Wasser, Feuer) bleibt uns nur das Wasser nehmen übrig.
Der Plan 301 in der zweiten Hälfte 1980 war für Rostloks ausgelegt so stand bei uns KWF auf den Plan.
Wasser hatten die lieben Kollegen vor dem abstellen genommen bei einen kurzen Boxenstop. An dem Wasserkran in Saalfeld den fasst jeder kennt gut sichtbar vom Bahnsteig 6 aus. Unser Öl reichte dicke denn bei der Ablösung stand erneut als Vorbereitung KWF auf den Ablaufplan. Eine Kohlelok erfordert eben viel mehr Vorbereitungszeit.
Die freigesetzte Zeit kam uns zu gute in dem wir die Betriebsküche aufsuchten um deren tägliches drei Gänge Menü für 55 Pfennig testen. Passte uns das nicht auf den Schnabel beschwatzten wir die Küchenfee mit Charme ein kräftiges Bauerfrühstück für uns zu zaubern. Die Größe und Qualität entsprach deinen Verhandlungsgeschick, zu geizig sollte man bei höheren Erwartungen keinesfalls seien.
Gut gestärkt mit ebensolcher Laune rissen wir uns los bevor wir mit dem Hintern am Stuhl festzukleben drohten. Ab zur Lok raus an den kalten Zug der gehobenen Klasse den D 500 mit seinen Laufweg durch die ganze DDR von Saalfeld nach Stralsund. Fahren durften wir den leider nicht, doch aufblasen (vorheizen) damit sich alle Fahrgäste in den molligwarmen Zug auf ihrer Reise sich so richtig wohl fühlen. Sie sogar dann in künstlerischer Freiheit sichtbar ihre Fingerzeichnung an den beschlagenen Fenstern hinterlassen konnen.
Mit diesen Worten sind wir mitten im Bild - ein Lieblingsmotiv von mir.
Nachtaufnahmen finde ich immer wieder faszinierend dieses Spiel von Dunkelheit und Licht bei Langzeitbelichtung. Eine Steigerung dazu oder der Puderzucker auf dem Kugelhupf ist unübertroffen der weiße Schnee. Er erzeugt das saubere im Bild den Kontrast zwischen Himmel und Erde.
Was für ein Anblick zwei Maschinen der Baureihe 01, - mächtig, kräftig versetzt nebeneinander stehend wie vor einen Rennstart.
Wir mit der ungepflegten 01 0524 (Ex 01 129) in der Poleposition. Eine Abwandlung der alten Ursprungsausführung wie die der 01 2114 (Ex 01 114) mit großen Ohren auf dem Foto. Eine gelungene bewährte Rekonstruktion über die wirklich genug geschrieben wurde. Selbst war es mir noch vergönnt in Saalfeld beide 01er im Betrieb kennen zu lernen.
Das nächtliche Foto läßt uns einen äußerlichen Vergleich beider Gesichter der Loks zu die sich aus dem dunkel der Nacht eindrucksvoll abheben.
Ihren Auftrag „Vorheizen“ entsprechen geben hier beide Maschinen ihr Bestes sichtbar durch eine regelrechte sich auftürmende Nebelwand zwischen beiden Zügen. Kein Fahrmeister der Welt müsste zur Heizmanometer Kontrolle erst den Führerstand betreten.
Alles andere drum herum umrahmt nur das Foto wo sogar noch links der berühmt berüchtigte Wasserkran sich gut abhebt erblicken läßt. Eine durch die Nacht schleichende Lok setzte zusätzlich die Lichteffekte während recht der Ölhavariekesselwagen vom Hilfszug den Abschluß bildet.
Euer Ralf
CyranoPuschkin 19/05/2010 21:32
Hallo Ralf;Du Vollblut-Schwarzer;
Dampflok-Führer mit Leib & Seele !
Zu:
"Man hatte mir schon mal vorgehalten die Arbeitswelt der Schwarzen zu verherrlichen, zu romantischen tun abzustempeln."
MEINE Meinung:
Ich empfinde DEINE Schilderungen in keinster Weise als "Verherrlichung" !!!
Ich bin davon überzeugt, das es ein zutiefst befriedigender Job sein konnte, den ihr da machtet;
TROTZ aller Widrigkeiten in Form teilweise harter körperlicher Arbeit und unregelmäßiger und "unchristlicher Arbeitszeiten" !!!
Ich würde diesen "Euren" Job auch GERNE gemacht haben !
Leider - es ist nunmal so - bin ich dafür "zu spät (1961) geboren" ... .
DASZ es aber - wie gesagt - NICHT "verherrlichend" ist, was Du da erzählst, weiß ich spätestens seit einigen Monaten definitiv:
Da lernte ich den Berufs(!!!)Heizer Rainer S. in Nordhausen kennen !
Und DER macht nach nunmehr 43(!!!) Jahren seinen Job auch immer noch - wirklich !!! - gerne.
Es ist also definitiv so:
Der Dienst auf der Dampflok KANN wirklich zu 100,0 % FREUDE machen - selbst oder gerade auch - als "Brot-Beruf" ... !!!
DANKE Ralf;
für Deine einmaligen und unwiederholbaren BILDER & "Erinnerungen aus dem BerufsLeben eines Dampflokführers" !!!
BITTE ... weiter so !
Und DANKE dafür - im Voraus !
Michael PK 14/02/2010 19:51
PerfektThomas Pf. 14/02/2010 12:50
Super Bild, klasse Bericht!Was will man mehr...?
Gruß
Thomas
Steffen°Conrad 13/02/2010 14:38
Unbeschreiblich schöne Stimmung-so friedlich, wie es auf Arbeit selten ist-
und zu früheren Zeiten wg. der schwereren Arbeit auch selten war.
Nur links düst irgendwas die bahnsteigkannte lang und hinterlässt einen Lichtstreifen..
Und Thüringer Klöße- ich kann nur zustimmen!!!!!
vgconni
FDL Bernsbach 13/02/2010 9:22
Klasse Eisenbahnstimmung und feiner Bericht dazu...schön das es das jetzt wieder regelmässig gibt?Grüsse
myoxus 13/02/2010 0:20
Echter Planbetrieb - wie er hier in dieser Art nur von ganz wenigen Fotografen gezeigt wird.Starkes Foto, welches von Deiner Erzählung gut unterstützt wird.
Gruß!
Friedemann
Vir Tuell 12/02/2010 20:45
Seit knapp einer Stunde bin auch ich wieder wach! Welch Zufall ich hatte Nachtschicht und den Camcorder dabei.Wie sich die Dinge doch gleichen.
http://www.youtube.com/watch?v=GJsTP2ZHC5E
Siegfried Apelt 12/02/2010 17:40
Eine fantastische Nachtaufnahme und deine hautnahen Schilderungen der Arbeitsabläufe auf den Dampfloks zur damaligen Zeit lassen erahnen unter welchen Bedingungen ihr euren täglichen Dienst geleistet habt.Ich hoffe wir Dampflok-Fans erfahren darüber von dir noch mehr.
LG von Siegfried.
Jan-Henrik Sellin 12/02/2010 16:13
Schön, dass Du jetzt wieder Deine Fotos mit den entsprechenden Schilderungen einstellst - wie immer ein Genuß!Nur ein Abklatsch:
Viele Grüße an Dich,
Jan
Cherrybalou 12/02/2010 16:01
Wow, was für ein Foto mit einer faszinierenden Story !Gruß, Frank
Klaus Kieslich 12/02/2010 15:21
@ Lutz,dafür hat sich aber Ralf der Gefahr ausgesetzt von der Trapo (TransportPolizei der DDR )hop genommen zu werden, es gab eine Zeit in der Eisenahnanlagen nicht fotografiert werden durften...die DDR hatte Angst wegen Sabotage und so...klingt zwar verrückt,war aber soGruß Klaus
Lokuli 12/02/2010 12:45
Es jauchzt das Herz, das Auge weint ...Thomas Reitzel 12/02/2010 12:24
Lutz hats auf den Punkt gebracht und ich füge noch hinzu: Auch mit viel finanziellem Aufwand ist das alles doch heute nur noch Eisenbahnspielerei, Ausnahmen bestätigen die Regel(Plandampf 2009 rund um Neustadt(W) ), die wahre Eisenbanatmosphäre hat man erfolgreich ausgemerzt, wir schreiben halt 2010...Gruß
Tom
Lutz68 12/02/2010 12:14
Das sieht sehr gut aus in der Nacht . Du hattest den Vorteil die Reichsbahatmosphäre während Deiner bezahlten Arbeitszeit einzufangen . Heute opfern die Dampflokfans dafür viele freie (unbezahlte ) Tage und fahren auf eigene Kosten kilometerweit zum Motiv hin . Die Fotozüge müssen dann meist zusätzlich auch noch bezahlt werden , weil die vorbestellt sind . Wie Du das gemacht hattest -so " nebenbei" auf Arbeit ist nicht so finanziell aufwendig und sehr gute Fotos sind da entstanden . Alle schon Geschichte !paint4you 12/02/2010 11:43
schönes Bild - erinnert mich an meine Kindheit ...+++
lg siggi