Spinne mit Paradoxien: Ariamnes attentuatus (Costa Rica)
Es fällt schon schwer, auf einer nächtlichen Wanderung durch den Regenwald diesen kleinen, scheinbar freischwebenden Strich überhaupt zu bemerken. Wahrscheinlich hätten wir ihn auch übersehen, wenn er sich nicht doch ein wenig bewegt hätte, und zwar so, dass es nicht zu einem Luftzug passt. Ein Tier also. Es im Schein der Taschenlampe zu identifizieren, ist selbst bei nur leichten Wind unmöglich, will man es nicht in die Hand nehmen, sondern in seinem natürlichen Habitat belassen. Also helfen nur ein paar Fotos in der Hoffnung, vergrößert auf dem Display zu erkennen, was man hier vor sich hat. Scheinbar frei schwebend – das deutet aber schon einmal auf eine Spinne hin.
Am Ende stellt sich am Bild folgendes heraus (von li nach re): Zwei sehr lange Vorderbeine - ein deutlich kürzeres 2. Beinpaar - der Bulbus des Pedipalpen als kleiner, bräunlicher Gnubbel oben (es handelt sich folglich um ein Männchen) - der Vorderköper mit dem Augenhügel (nach unten gerichtet) - kurz danach die Spinnwarzen auf der Unterseite (nach oben zeigend) - das kurze, nicht erkennbare 3. Beinpaar - das 4. Beinpaar, von dem ein Bein einen Signal- und Fangfaden hält - das Ende des Hinterleibs. Allein der Hinterleib ist ebenso lang wie das 1. Beinpaar. Einen solchen langgestreckten Körperbau findet man wohl bei keiner anderen Spinne, möglicherweise nicht einmal in dieser Gattung. Die Überraschung, zumindest bei mir, lag zudem in der Familienzugehörigkeit: sie gehört zu den Kugelspinnen. Da aus der holotropischen Gattung Ariamnes bisher nur eine Art in Costa Rica nachgewiesen ist, traue ich mich zu behaupten, es handelt sich hier um A. attentuatus.
Das Tier hat eine Körperlänge von etwa 2,5 cm, die Beine hinzugerechnet, kommt sie auf gut 4 cm. Es hat zwischen die Zweige eines Baumes einen einzigen Faden gespannt, an dem es auf Beute lauert. Und die ist ebenfalls sehr speziell. Denn es handelt sich fast ausschließlich um Spinnenmännchen. Araneophagie heißt dies spezialisierte Form der Ernährung, die sich auch in einigen anderen Spinnenfamilien entwickelt hat.
Viele Spinnen sind nachtaktiv, und das ist auch die Zeit, in der Männchen auf die Suche nach Geschlechtspartnerinnen gehen. Bei kleinen Spinnen geschieht dies oft als Balooning – sie entlassen aus ihren Spinndrüsen einen Faden, der ab einer gewissen Länge vom Wind fortgetragen wird, in der Erwartung, in der Nähe eines paarungsbereiten Weibchens zu landen. Wahrscheinlich noch öfter nutzen Spinnenmännchen aber bereits in ihrem Habitat vorhandene Fäden, die allgegenwärtig sind, weil jede Spinne, egal wie und wo sie unterwegs ist, immer einen Faden produziert und hinter sich lässt. So kann es geschehen, dass auch ein Ariamnes-Faden die Bahn eines partnersuchenden Männchens kreuzt und dieses der Kugelspinne direkt vor die Klauen läuft. Mit den Hinterbeinen, die einen besonderen Faden bereithalten, kann sie das Fangen unterstützen.
Daniel, mil gracias por la gran estancia en Las Caletas Lodge!
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