Stars auf Rügen - Ein Buch von Wolfgang Grahl (1)

Stars auf Rügen - Ein Buch von Wolfgang Grahl (1)

Buchdeckel, Titel: „Stars auf Rügen“, Scheunen-Verlag (2009), Wolfgang Grahl

Rezension

Stars auf Rügen - Ein Buch von Wolfgang Grahl

Mit dem Buch „Stars auf Rügen“ ist dem Autor Wolfgang Grahl (*29.01.1949 - †12.11.2016) ein unglaublicher Wurf gelungen. Auf 168 Seiten hat er in jahrelanger Puzzlearbeit zahlreiche Fotos und berührende Geschichten prominenter Sänger, Schauspieler, Komponisten und Entertainer aus den „Goldenen Zwanzigern“, die ihren festen Platz auf der Insel Rügen hatten, zusammengetragen.

Auch die zum Teil von den Nazis missbrauchten Idole finden sich im Reigen der Promis aus frühen Tagen. „Viele von ihnen wurden Stars der Nachkriegszeit und besangen in Liedern und Schlagern eine heile Welt - Balsam für zerstörte und verwundete Seelen“, so der Rostocker Journalist im Vorwort.

Zu den Stars der Showbranche, die sich auf der größten Insel Deutschlands tummelten, zählen „Zaubergeiger“ Helmut Zacharias (*27.01.1920 - †28.02.2002), der später, 1956 mit der legendären Interpretation von „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ einen seiner größten Welterfolge feiern konnte, wie auch die Schlagersängerin Julia Axen mit dem Hit „Eine Welt ohne dich“ und Helga Brauer mit „Heute tanzen alle jungen Leute“.

Ein Schlager ist wie eine Rose, sagt der Volksmund. Einzigartig und vergänglich. Aber diese konservierten Erinnerungen der deutschen Musikgeschichte lassen einzelne Kapitel lebendig werden: Wie die Episode im Sommer 1931, als der Sologeiger Helmut Zacharias im Binzer „Dünenhaus“ zum Kaffee ein Konzert gibt. Jahre später musste der Violinist und Komponist für die braune Diktatur den Waffenrock anziehen, desertierte dann kurz vor Kriegsende in einem Lazarettwagen nach Bayern. Von seiner Frau Hella und Tochter Sylvia, geboren in Binz, konnte der Autor manche Einzelheit erfahren.

Im Abschnitt „Mit Stars in Binz auf du und du“ zeichnet Wolfgang Grahl ein dokumentarisches Bild über den berühmten Komponisten Gerhard Winkler (Caprifischer, 1943) und die Sänger-Stars Magda Hain, Rudi Schuricke und Rudolf Schock. Auch Kurt Reimann sang Winkler-Lieder, bis ihn die Nazis mit Auftrittsverbot belegten. All das konnte Grahl von Zeitzeugen erfahren, wie durch den Binzer Kaufmann Helmuth Aßmann (Jahrgang 1923).

Das wunderschöne Ostseebad Binz kann sogar auf eine kaum noch bekannte Hymne aus dem Jahre 1937 verweisen: „Die Krone auf Rügen“, in F-Dur, als „Lied und langsamer Walzer“, nach Musik und Text von Otto Kermbach und Paul Wagener. Wolfgang Grahl vermutet, dass die beiden Schöpfer „in weinseliger Stimmung“ den Text und die Noten zu Papier gebracht haben. Eine markante Zeile lautet: „Ein Bad für den Bürger und Prinz, das ist Binz“. Ob Heimatschnulze oder Gefühlsausbruch, auch das Inselbad Binz hat - neben Berlin, New York, Rom und Paris - ein Heimatlied.

Zugleich entlarvt Grahl den NS-Unterhaltungssektor als Teil eines gewaltigen perfiden Systems: „Ob sie es wollen oder nicht, ob es ihnen bewusst war oder nicht: Mit Text, Musik, Gesang, mit Witz, Komik und Humor wurden die Menschen in diesen schlimmen Jahren über Tod, Bomben, Lebensmittelrationen und Ostfrontniederlagen hinweggetröstet.“

Nach dem Krieg stiegen auf der Ostseeinsel Rügen neue Kometen auf. Ein Beleg ist die Geschichte des Sängerpaares Sonja Siewert und Herbert Klein. Sie spielten und sangen in den Formationen Barbarino-Bar-Trio und Werner-Schwarz-Combo in Göhren und in Binz. Weitere Stars und Entertainer der Musikszene wirkten im Sommer auf der Insel Rügen, wie die Solistin Bärbel Wachholz, Heinz Quermann, sowie die Orchester Helmut Opel und Fritz Buschner.

Der Autor beleuchtet auch die „Aktion Rose“ vom Februar 1953, die in einem staatlichen Willkürakt den Hotelbesitzern und anderen Geschäftsleuten entlang der Ostseeküste das Eigentum und die Freiheit nahm. Was damals genau passierte, verdeutlicht Wolfgang Grahl am Schicksal des Juden und Hoteliers des Kurhauses Binz, Adalbert Bela Kaba-Klein.

Das Werk „Stars auf Rügen“ ist mehr als ein historischer Abriss. Es ist inzwischen ein Geschichten- und Fotobuch mit Seltenheitswert - und längst ein „Kassenschlager“ im Antiquariat. Die anschauliche und lebendige Erzählweise des Autors verdient das Prädikat „Ausgezeichnet in Bild und Wort“. Dieses Geschichtenbuch über den Rügener Schlagersternenhimmel dürfte besonders die ältere Generation, wie auch die Wissbegierigen der Unterhaltungskunst, sowie die Fans vergangener Hits und Melodien interessieren.

Roland Hartig

Hinweis: Das Buch gibt es nicht mehr im Handel. Es existieren nur noch wenige Exemplare im Antiquariat. Eine Neuauflage wird es wohl nicht mehr geben, da der Verleger Andreas Ciesielski (Scheunen-Verlag in Kückenshagen, Betrieb eingestellt) leider auch nicht mehr lebt. Schade :-(

Stars auf Rügen enthält etwa 140 Fotos. Hier eine kleine Auswahl: