WestSideStory in Tecklenburg
Tecklenburg - Klassiker erkennt man daran, dass sie heiß begehrt sind. Fünf Jahre hatte man sich in Tecklenburg bemüht, die „West Side Story“ auf die Bretter der Freilichtbühne zu bringen, wo das Stück bislang noch nie zu sehen war. Und ein Klassiker ist Leonard Bernsteins Musical, das Romeo und Julia in die Hinterhöfe der New Yorker Bronx verpflanzt, ohne Zweifel.
Mit Autor Arthur Laurents und Choreograf Jerome Robbins revolutionierte Bernstein 1957 das Genre: Ein Shakespeare-Drama mit sozialkritischem Anstrich, gepfeffert mit furiosen Tanzeinlagen, jazzigem Drive und der rotzigen Wut einer James-Dean-verliebten Jugend entstand. Und unvergessliche Musik, die heutige Musicals alt aussehen lässt. Über 2000 Zuschauer bejubelten all dies am Freitagabend mit Standing Ovations. Mochten die deutschen Texte auch ein Wermutstropfen sein und die Regentropfen sich zeitweise bedrohlich mehren - es war eine Premiere, die vor Tecklenburg-Flair nur so strotzte.
Klassiker erkennt man daran, dass sie zeitlos sind. Jene New Yorker Bandenkriege, die Lennies Leute zu ihrem Plot inspirierten, findet Regisseurin Helga Wolf mühelos in Berlin-Kreuzberg oder anderswo wieder. Seien es die abgewetzten Springerstiefel der aggressiven Boys oder die Frisuren der kessen Girls - diese „Jets“ könnten sich auch vor beliebigen Hinterhof-Graffiti von heute lümmeln.
Die puertoricanischen „Sharks“ wirken altmodischer, aber das betont die kulturelle Kluft. Und schließlich brauchen die Shark-Mädchen lange Röcke, um sie beim Tanz herumzuwirbeln („I like to be in Amerrrica!“). Die Ballett-Szenen setzen die Handlung wie in keinem andern Musical unter Strom, wobei die tolle Choreografie von Doris Marlis nie zu gekünstelt wirkt. Das Orchester unter Tjaard Kirsch gibt Zunder und wirkt doch filigran.
Klassiker erkennt man daran, dass sie vieles aushalten. Tatsächlich entfalten die berühmten Melodien ihren Zauber selbst ohne Stephen Sondheims Texte - trotzdem hätte man von der Tecklenburg-Tradition hier einmal abweichen sollen. Ein deutsch gesungenes „Maria“ ist gewöhnungsbedürftig, selbst wenn Lucius Wolter (Tony) es mit glühender, schwärmerischer Emphase singt. Und wenn Maria kokett trällern sollte: „I feel pretty“, so heißt´s lapidar: „Ich seh´ gut aus“.
Sei es drum: Leah Delos Santos ist nicht nur stimmlich die Perle der Produktion. Sie füllt die Rolle mit Herzblut aus. Auch Sigrid Brandstetter (Anita) geht völlig in ihrem Part auf. Die Bandenchefs Riff und Bernardo (Lars Kemter und Gianni Meurer) sind virile, aggressive Gegenspieler. Und Hannes Demming spielt einen schön bärbeißigen „Doc“.
Bei „Officer Krupke“ allerdings ist der deutsche Text dann doch toll: Wenn die Jets sich gallig als soziale Opfer stilisieren, ist das so rotzfrech, wie´s kein Broadway dulden würde. Und bei „Somewhere“, wenn Maria ihren Tony betrauert, fassen die aggressiven Kids sich plötzlich wortlos an den Händen. Ein anrührendes, utopisches Schlussbild. Klassiker erkennt man daran, dass sie lange im Gedächtnis bleiben.
Stefanie Gründel 09/09/2010 13:46
bei dem bild weiß ich wieder was ich für eine gänsehaut bei der szene hatte. schön das die west side story endlich auf so einer tollen bühne präsentiert wurde. LG steffi