Maria in Palermo

Seit September 2004 studiere ich hier in Palermo und vor kurzem habe ich beschlossen auch noch das Sommersemester anzuhängen, um auch die ganz warmen Monate in Sizilien zu erleben und noch ein bisschen surfen zu gehen. Palermo ist groß, chaotisch, laut, aufregend, bunt und gewöhnungsbedürftig, aber trotz den hunderten baufälligen und einsturzgefährdeten Häusern und den dreckigen Strassen (in bestimmten Vierteln werden die Müllsäcke einfach aus den Fenster der Wohnungen geworfen) muss man Palermo einfach lieben. Palermo ist voller Farben und wenn man über den lauten und lebendigen Ballarò Markt, der täglich geöffnet ist und größer als ein ganzes Altstadtviertel ist, spaziert, vergisst man auch sofort den Anblick ein paar Strassen weiter voller Ratten und Müll. Das Gemüse und das Obst und natürlich vor allem der frische Fisch am Markt ist nicht mit dem von Nordeuropas Supermärkten vergleichbar. Egal ob Orangen, Papayas, Zitronen, Bananen,… alles schmeckt hier süßer, besser und intensiver als anderswo. Und es ist einfach schön, nicht in einer so sterilen Atmosphäre wie im Supermarkt einzukaufen und sich vom sizilianischen Geschrei der Markthändler mitreissen zu lassen.
Obst kann man hier gar nicht im Supermarkt einkaufen, weil einfach jeder auf dem Markt einkauft. Hier können kleine Familienbetriebe noch überleben, weil die Menschen lieber in kleinen Geschäften einkaufen als in riesigen Supermärkten und das finde ich schön so. Auch wenn hier alles, was man nicht am Markt kauft, sehr teuer ist, da 90% der Geschäfte und Unternehmen in Palermo noch immer „il pizzo“, also Schutzgeld an die Mafia zahlen. So zahlt man für einen Liter Milch zB. doppelt so viel als in Österreich. Um die Mafia ist es zwar ruhiger geworden, es passiert nicht mehr täglich ein Mord in den Strassen von Palermo doch alle hier wissen, dass die Mafia noch immer mächtig ist, wie ein zweiter Staat. Schweigen und bezahlen ist hier leider nach wie vor oberstes Gebot. Der kleine Lebensmittelhändler gleich bei mir um die Ecke hat vor 2 Jahren sein Schutzgeld nicht bezahlt und noch immer hat er verbrannte Kaffee und Mehlpackungen in seinen Regalen stehen, da ihm die Mafia deswegen sein Geschäft angezündet hat. Die verbrannten Produkte verkauft er übrigens zum gleichen Preis wie die anderen : ).
Beeindruckt bin ich von den Studenten hier, die sich scheinbar als eine der wenigen Bevölkerungsschichten gegen die Mafia zu stellen trauen. Fast jede Woche gibt es hier in Palermo Studentendemonstrationen gegen die Mafia mit mutigen Plakaten wie „La mafia è una montagna di merda!“ (Die Mafia ist ein Haufen Sch...). Überhaupt sind die Studenten hier politisch sehr engagiert und man merkt, wie satt sie die Regierung Berlusconis haben. Sizilien ist trotz aller Versprechungen Berlusconis und der rechten Parteien die ärmste Region Italiens geblieben. Wenn man durch Palermo spaziert, glaubt man nicht, dass man sich in Europa befindet, sondern eher irgendwo in Afrika. Es kommt hier schon öfter vor, dass mitten in der Altstadt ein Haus einfach einstürzt, weil es so baufällig ist. Es ist fast aussichtslos hier nach der Uni eine Arbeit zu finden. Die einzige Chance bleibt, seine Heimat zu verlassen und nach Norditalien zu gehen, um Arbeit zu finden.
Trotz allen Problemen hier sind die Sizilianer unglaublich entspannte, offene, zufriedene und lebenslustige Menschen und ich bin sehr dankbar, ein Jahr lang, hier im sonnigen und chaotischen Palermo, das ich längst lieben gelernt habe, zu leben.