Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

50 Jahre und ein Ende 12

1989 als Zivi - Familienalbumscan


50 Jahre und ein Ende 12


Ursel beschreibt in einem Brief ausführlich, wie sie die Freundschaft zu mir betrachtet hat. Dieser Brief tut weh und klärt auf. Ich schäme mich für meine Gedanken. Sie schämt sich tatsächlich ein wenig dafür, dass sie Hartmut liebt, der nur fünf Jahre älter ist als ich und dazu hässlicher und kantiger. Aber das ist es wohl. Das Knabenhafte, dieses jede Verletzung zugeben, dieses vor jedem möglichen Kuss Durchfall bekommen, dieses nicht sagen: geh zu Boden.

Ich habe bis dahin eine Affäre gehabt, die man als solche wirklich bezeichnen kann. Nun, in der Erzieherausbildung war das auch quasi unvermeidlich. 30 Frauen pro Klasse und wenn es hoch kam, 3 fahle Jungs. Meine damalige Freundin hieß Maike. Die zweite große Liebe. Schwarze Duftlocken. Meine Affäre war die Svenja. Tochter eines Bundestagsabgeordneten der SPD. Jeans, selbst gestrickter Pullover von der Oma und alter Mercedes. Papa hat gezahlt. Sie besaß etwa hundertfünfzig einschlägige Pornomagazine mit Anspruch und Shit ohne Ende. Svenja war die erste Frau, die ich kennen lernte, die zu mir sagte: „Lass das!“, und damit das genaue Gegenteil meinte. Sie war der Auffassung Maike sähe aus wie ein Pudel. Sie ging zu ihr, verriet unsere Liaison und meinte zu meiner Freundin, sie solle mal ihren Kern überprüfen, weil der Scheiße sei. Die Situation war nicht gut für mich.

Jetzt treffen sich Steffi und Petra ohne mich. Gegenseitige Busenbeobachtung. Über meine stacheligen Beine im Bett lästern. Es wird Zeit im Leben aufzuräumen.

Didi hat am Mittwoch Schwimmen. Er krampft schon unter der Dusche, kippt um. Ich mache einen Ausfallschritt gegen die Stahltür. Ein Zeh ist durch. Für die letzten Wochen des Zivildienstes bin ich krank geschrieben. Abruptes Ende. Aber nicht ganz.

Brigitte lädt mich zu sich und ihrem Mann nachhause ein. Reflex von kinderlosen Eltern. Sie schenkt mir eine komplette Wohnzimmereinrichtung, die sonst auf dem Sperrmüll gelandet wäre. Ich verspreche am letzten Tag meines Dienstes noch mal zu kommen, um meinem Nachfolger Hans, ein katholischen Veganer, ein paar Tipps zu geben.

Ursel ruft mich an und fragt nach meinem Befinden.

„Wegen meinem Zeh geht’s mir gut. Mit Steffi und Petra ist nichts mehr. Aber dein Brief hat wehgetan!“

„Ich habe dich belogen! Komm bitte vorbei.“

„Ich will aber nicht sehen, wie du mit dem Hartmut!“

„Der wird nicht da sein!“

Sie zahlt mir ein Taxi für die Fahrt nach Glinde. Das letzte Mal. Das ist mir sofort klar.

„Während deines Dienstes in der Schule, hätte ich als Direktorin niemals zugegeben, was ich für dich empfinde. Jetzt wollte ich einen sauberen Schlussstrich ziehen, mit dem wir beide leben können.“

„Und?“

„Der Brief war ein Fehler. Zerreiß ihn bitte.“

„Nein!“

Als ich fast im Tränenfluss ersticke, bereitet Ursel schon mal das Liebeslager. Duftkerzen und kandierte Hühnerbeine brennen schon. Jetzt muss sie ihr pompöses Unterbein nur noch in sexuell erregendes Gestrümpf zwängen.

„Und Hartmut?“

„Tot. Ich hab ihn im Garten neben dem Kater Rudolf begraben. Der ist nämlich auch gegangen!“

„Echt?“ Ich gucke etwas erstaunt und flenne noch ein wenig nach.

„Nein, Hartmut habe ich zum Teufel gejagt. Aber Rudolf ist wirklich tot. Tröste mich und hör auf zu weinen.

Ich humple zu der Sonderschuldirektorin. Mir ist ganz übel.

...

6. Januar 2011


fortsetzung folgt 2011





50 Jahre und ein Ende 11
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50 Jahre und ein Ende 10
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50 Jahre und ein Ende 9
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50 Jahre und ein Ende 7
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