(7) Eine Springschwanz-Invasion in Regenstauf
Die Springschwänze (Collembola) gehören zu den häufigen, aber urtümlichen Insektengruppen.
Es gibt eine Menge Arten auch in Mitteleuropa - deren Bestimmung ist allerdings schwierig.
Im Internet finden sich viele gute Informationen - die meisten Arten sind vom Spezialisten Frans Janssens aus Belgien mit vielen Bildern auf seiner Collembola-Seite zu sehen.
Mein laienhafter Bestimmungsversuch hat als wahrscheinliche Art aufgrund der Umstände am ehesten HYPOGASTRURA SOCIALIS ergeben; andererseits könnte es auch CERATOPHYSELLA SIGILLATA sein. Von der sind Massenvorkommen für 1946, 1951, 1957, 1995 und 1996 in Österreich und der Schweiz beschrieben. Die Tierchen sind nur gut einen Millimeter lang.
Die ungeheure Menge der Tiere pro Fläche kann man auf Abb. 2 ahnen. Ich komme nach grober Zählung (Abb. 2) auf über 160000 pro Quadratmeter! Natürlich sind sie nicht überall so dicht vertreten wie hier - an der Südseite des meist vom Schloßberg beschatteten Hauses in Regenstauf in der Oberpfalz. Insgesamt werden es aber auf nur diesem einen, an den Wald grenzenden Grundstück sicher einige Millionen (sichtbare) sein! Da kann man sich die Biomasse vorstellen, die sich ergibt, wenn die Springschwänze sogar in Zentimeterdicke auf dem Boden sitzen - wie es manchmal im Wald oder auf Schnee passiert! Ob sie sich wohl alle bei passenden Umweltbedingungen gleichzeitig entwickeln - oder es nur eine "Massenwanderung" von bereits vorhandenen Tieren ist??? Bei Schnee und Temperaturen um den Gefrierpunkt sind die Insekten oft zuhauf an der Schneeoberfläche zu sehen - und haben daher den Namen "Schneeflöhe" bekommen. Der ist allerdings für ein anderes Insekt reserviert: den viel größeren Schneefloh (Boreus hiemalis)!
Abb. 1: Westseite der Gartenwand am ersten Fundtag (22.1.21) nach einem Hinweis der Nachbarin, die vor etlichen Jahren an derselben Stelle im Winter schon einmal ein solches Massenvorkommen gesehen hatte.
Abb. 2: Zählen mit Hilfe eines Gitters (28.1.2021 nach einer der Aufnahmen vom Fundtag auf dem waagerechten Fenstersockel).
Abb. 3 (22.1.21): Was ich erst für die (fast nie zu sehende, da immer unter dem Körper versteckte) Sprunggabel ds Hinterendes gehalten habe, sind die ausstülpbaren Analsäcke (auf dem Bild ganz oben und unten links; Details auf den Abb. 4 und 5!). Mit Hilfe derer (manche Arten haben die auch noch an den Fühlern, weil man ja nach dem Sprung nie weiß, wie man landet) gibt es eine weiche Landung am ungeplanten Zielort. Kommt man in die Nähe der Ansammlung, springen viele der flüchtenden Tierchen weg - und auf der Kopfhaut kribbelt es wie bei einer elektrischen Ladung. Die Kleinen sind völlig harmlos und gelten als wichtige Humusbildner bei der Pflanzenzersetzung; die Winterarten leben oft von Algen.
Abb. 4 (22.1.21): Ein soeben auf den Analpolstern gelandetes Tier, das sich nach kurzem "Klebenbleiben" (es gibt davon einen kurzen Film bei youtube!) sofort wieder in die normale Stellung mit dem Bauch nach unten begibt.
Abb. 5 (22.1.21): Gelandeter Springschwanz mit noch sichtbaren Analsäcken.
Abb. 6: Schon nach einiger Zeit hat sich ein Teil der Springschwänze auf die nördliche Hausseite begeben; dort sitzen die Tiere am liebsten auf der schattigen Kellertreppe und oft auf der Oberfläche der da stehenden Pfützen.
Abb. 7 (22.1.21): Eine (Gelbe) Kräuselspinne, Nigma flavescens (oder N. puella?) sitz in ihrem Netz an der Gartenmauer unter einer Abdeckung und lebt wohl wie im Schlaraffenland. An sich kommt die Art draußen um diese Jahreszeit lt. Spinnen-Wiki gar nicht vor, sondern erst viel später im Jahr. Es beteiligen sich (im Wald) wohl auch Baldachinspinnen (Fam. Linyphidae) bei Springschwanzvorkommen am großen Fressen.
Hier sind oben noch zwei andere Springschwanz-Arten zu sehen - oder evtl. Jungspinnen ...
Abb. 8 (28.1.21): Solche Dichten von Springschwänzen auf Schnee sind nicht unüblich (Gartentreppe hinter dem Haus).
Abb. 9 (25.1.21): Beim Betrachten dieses Bildes fiel mir auf, daß die Springschwänze - jeder für sich - in einer kleinen Wasserpfütze sitzen (s. Abb. 10!). Ob sie deshalb so dunkel sind - und damit die Sonnenwärme zum Anschmelzen der Schneeoberfläche benutzen??? Denkbar wär's, denn bei zu großer Kälte oder nach der völligen Schneeschmelze verschwinden diese Winter-Ansammlungen wieder; so wie auch hier nach einiger Zeit der ganze Spuk verschwunden war. Am 17.2.2021 war die Dichte nach drei Wochen noch recht groß - danach sind die kleinen Wunder bei großer Kälte und später ein paar sehr warmen Tagen schnell verschwunden.
Abb. 10: Eine Nahaufnahme der Springschwänze am 25.1.2021 zeigt die meisten Einzeltiere in einem eigenen kleinen "Swimmingpool"!
Es gibt sicher mal wieder mehr Fragen als Antworten bei dieser meist (viel zu) wenig beachteten interessanten Insektengruppe. Aber eins ist ganz sicher: spannend bleibt die wunderbare Natur immer!!!
WÜNSCHE ALLEN EIN ENTDECKUNGSREICHES WOCHENENDE MIT GENÜGEND KINDLICHEM STAUNEN!
6.2.2021 f
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