Das ist alles Andere als trist. Gewiß meint der Hausbesitzer das auch, sonst hätte er das Haus nicht renoviert, sondern abgerissen. Die Stromleitungen, die wir auch noch hatten, bis ca. 1970, vermisse ich immer noch. Das gäbe sicher schöne Motive. Sollten hier die Masten noch stehen, der Golf 1 jedoch wird gewiß seinen, den rostigen Weg gegangen sein.
Andreas
Trostlosigkeit hin oder her. Es ist nun mal der Blick, den wir auf unsere Umwelt jeden Tag haben und der unsere Sinne abstumpfen lässt, weil es ja so normal ist und nicht anders. Ich persönlich frische meine Bilder sehr gerne mit Filtern auf, vielleicht eine Flucht vor der Realität, anders herum allerdings auch die Sehnsucht nach der perfekten Umgebung. Ich finde es zumindest mutig auch solche Bilder ins Netz zu stellen.
Danke Gerd. Für mich ist ein Foto immer etwas Abstraktes, etwas Konstruiertes. Die fotografische Darstellung muß man völlig losgelöst davon beurteilen, ob das Original schön oder häßlich ist. Das einzige Kriterium ist, ob das Foto gelungen und stimmig ist. Auch wenn ein Foto etwas dokumentiert - das liegt in der Natur der Sache - bin ich kein Dokumentarfotograf, ich will also niemandem zeigen, wie schön eine Landschaft oder eine Stadt ist - oder auch wie häßlich. Die Bilder sind immer in gewisser Weise gestellt allein durch die Wahl des Standortes, durch den Lichteinfall, durch die Brennweite, durch die Jahreszeit usw. usw. Ich will also keinen Touristenguide einer Stadt oder einer Gegend erstellen, darum veröffentliche ich auch kaum irgendwelche Landmarks einer Stadt. Also kein Aachener Dom, keine Kaiser-Karl-Statue oder kein Aachener Rathaus meines Studienortes, auch nicht das Hauptgebäude der TH Aachen. Das ist alles uninteressant, weil millionenfach fotografiert. Dazu kann ich einfach keinen neuen Beitrag mehr leisten. So etwas ist restlos ausgelutscht.
So halte ich es heute auch in meinem jetzigen Wohnort Wiesbaden; oder auch in Städten, die ich als Tourist bereise. Von Ausnahmen natürlich abgesehen, die dann aber in meine privaten Reisesammlungen eingehen, nicht interessant genug für eine Veröffentlichung. Ich suche mir Motive, an denen man üblicherweise vorbeigeht oder auch populäre Motive, die ich halt anders als üblich zu fotografieren versuche.
Die veröffentlichten Motive können daher kaum jemals die Visitenkarten einer Stadt sein. Dazu eignen sie sich einfach nicht! Und es sind sehr oft Motive, die eigentlich überall stehen oder liegen könnten und daher nicht typisch für eine Stadt sind und gar nicht sein können.
Ich bin schon dadurch über meinen eigenen Schatten gesprungen, daß ich immer den Standort angebe. Weder der Standort, noch die Kameraausrüstung dürfen aber bei der Beurteilung eines Fotos eine Rolle spielen. Wer das - auch nur unbewußt - in sein Urteilskalkül einbezieht, hat keinen echten Zugang zum Foto gefunden. Ein solchermaßen zustande gekommenes Urteil kann nur verwässert sein. Ein Foto lebt immer ein Eigenleben und hat als Kunstwerk nichts mit dem Originalmotiv zu tun.
Das hier fotografierte Motiv in Aachen ist einfach nur eine Ausfallstraße aus einem Vorort, hinein in eine Agrarlandschaft vor der Stadt. Die ist im Winter ebenso trist wie jede beliebige andere Agrarlandschaft irgendwo auf der Welt. Daher kann man auch nicht von einer tristen Gegend sprechen, was sie schon damals niemals war und auch heute nicht ist. Hinter meinem Rücken war die Stadt bis dicht an meinen Standort heran vorgerückt, da standen schon damals massenhaft Häuser. Hätte ich mich um 180 ° gedreht und fotografiert, so wäre ein völlig anderer Eindruck entstanden, ein Bild von schmucken Villen mit viel Grün - im Frühling und im Sommer. Trist im Winter. Landschaft hügelig.
Was ich sehr schade finde ist, daß ich die beiden Aachen-Bilder damals vor ca. 25 Jahren mit zu geringer Auflösung mit einem Nikon-Filmscanner eingescannt habe, nur zum Erlernen der Bildbearbeitung. Ich hatte noch keinen Schimmer davon, welche Auflösung die geeignetste ist. Und die Lahmarschigkeit der damaligen Computer hätte die Dateiabspeicherung und -bearbeitung in den Bereich von Stunden hineingedrückt, nicht in den Bereich von Sekunden, wie heute. Eine Riesendatei für meine geschilderten Zwecke war also außerhalb jeder Erwägung, sonst säße ich wohl noch heute daran.
Daher sind die beiden Fotos schon bei geringer Vergrößerung recht stark verpixelt. Im Original sind sie sehr scharf, weil mit einem superscharfen Dokumentenfilm fotografiert. Sie können problemlos mit einer modernen Digitalkamera mithalten. Fotografiert hatte ich seit ca. 1985 nicht mehr sondern erst 2012 wieder angefangen.
Ein völlig neues Einscannen kommt nicht mehr in Frage, dazu interessiert mich der alte Kram nicht mehr genug. Das war nur ein Test. Außerdem ist die Emulsion des Schwarz-Weiß-Films in Indonesien, wo ich lange gelebt habe, durch Schimmelpilzbefall total zerstört worden, was sie aber auch schon damals war. Es hat - neben meinem Beruf in Jakarta und abends nach in der Regel spätem Feierabend - viele Wochen gedauert, bis ich die Schäden beseitigt und das Ganze dann leicht coloriert hatte. Ein damals neues Terrain halt für mich. Die Schadensbeseitigung und Colorierung war der wichtigste Teil meiner damaligen Übungsaufgaben. Und der aufwendigste. Damit war ich zufrieden, mehr wollte ich nicht.
Das heute noch einmal zu wiederholen mit einer höheren Auflösung: Nein danke! Das tue ich mir nicht mehr an. Die damaligen Ergebnisse müssen reichen und zeigen nur einen Ausschnitt meines damaligen Fotostils. Anspruch auf digitale Qualität erhebe ich dabei nicht. Das geht mit diesen alten Klamotten und dem noch unfertigen, weil damals neuen Bildhandling nicht. Und wahrscheinlich habe ich den Film schon irgendwohin entsorgt, wo ich ihn wohl nicht mehr wiederfinde. Und das ist auch gut so. Was soll ich damit?
Gruß Hartmut
Eine interessante Geschichte, die direkt mit dem Bild zusammenhängt und zeigt, dass oft viel mehr hinter einer gezeigten Aufnahme steckt, als man auf den ersten Blick erahnen könnte.
Hab mir das Bild nochmals angeschaut und finde, dass es tatsächlich etwas «Amerikanisches» ausstrahlt. - Gefällt mir je länger desto besser.
Danke Robi.
Was die Anerkennung der Fotografie als Kunstrichtung betrifft, so waren uns die USA in den frühen 70ern fast uneinholbar voraus. Während es dort schon fast traditionelle Fotomuseen und -auktionen gab, bei denen Fotos von (z.B.) Ansel Adams zu Preisen von schwindelnden Höhen versteigert wurden, gab es so etwas bei uns nur in kaum wahrnehmbaren und verschämten, meist auch erfolglosen Ansätzen. In Europa war die Fotografie ein Erinnerungsmedium privater Kreise oder ein Illustrationsmedium für die Zeitung, mehr nicht. Aber Kunst? No way!
Hier und da, auch in Aachen, gab es mal die eine oder andere kleine und feine Fotogalerie. Besonders Köln entwickelte sich, vermutlich bedingt durch den Austragunsort für die Photokina, zu einem wichtigen Entwicklungszentrum für die Fotografie. Da gab es auch eine große Buchhandlung (heute in Frankfurt am Main), die sich auf Bildbände über Kunst spezialisiert hatte, mit einer großen Abteilung für Fotokunst. Und wie konnte es anders sein: Darunter praktisch ausschließlich amerikanische Fotografen.
Da blieb es natürlich nicht aus, daß auch ich von dem amerikanischen Fotostil geprägt wurde: Streetfotografie sowie die Darstellung langweiliger und trister Szenen, mit der für Amerikaner so typischen Bretterarchitektur und den nach oben verlegten Energie- und Telefonkabeln, so wie wir es noch heute in vielen Metropolen der Entwicklungsländer sehen. Verarmte Vororte. Wirklich, triste Szenen, aber fantastische Fotos! Die haben mich am meisten beeindruckt und geprägt, weniger hingegen die Streetfotografie (die heute sowieso durch das Recht am Bild stark behindert wird; ob zu Recht oder nicht, will ich hier nicht erörtern). Es ist also der Fotostil, den ich über weite Strecken übernommen habe. Den kann man auch dann anwenden, wenn es solche Motive bei uns kaum gibt. Da muß man den Fotostil halt an unsere Motive anpassen.
Na ja, und so habe ich schnell entdeckt, daß eine Beurteilung der wiedergegebenen Szene eigentlich ein falscher Denkansatz ist. Denn wenn wir ein Gemälde anschauen, also z.B. ein Landschaftsgemälde eines Malerkünstlers, dann sagen wir ja auch nicht: Was für eine tolle Landschaft! Nein, wir staunen über die Darstellung. Also darüber, wie der Maler gemalt hat. Vielleicht gibt es die gemalte Landschaft sogar nicht einmal sondern ist in seiner Fantasie entstanden.
Ganz anders bei Fotowiedergaben: Da machen wir uns mehr Gedanken über das dargestellte Motiv. Die Kunst der Darstellung rückt dabei in den Hintergrund oder entfällt ganz. Das hängt ganz einfach mit der Tradition zusammen, Fotos als ein Medium zur Wiedergabe der Realität zu betrachten. Das mag für die Wiedergabe von Reportagefotos berechtigt sein, vielleicht auch für Pflanzen- und Tierfotografie, bei der etwas dokumentiert werden soll. Aber das gilt auf keinen Fall für Fotos, die mit der Fotografie ein Kunstwerk schaffen wollen oder schaffen. Da sollte das Urteil begrenzt auf die Frage sein, ist das Foto gut? Ist es stimmig, spricht es mich an? Die Frage, ist die dargestellte Person modisch gekleidet oder nicht bzw. ist die Landschaft schön oder häßlich, ist gänzlich ohne Belang. Man kann eben auch aus potthäßlichen Motiven tolle Bilder machen. Dann ist das Bild nicht häßlich, weil das Motiv häßlich ist. Die Darstellung hat also mit dem dargestellten Motiv gar nichts zu tun!
Die Berechtigung dieses Denkansatzes kommt besonders einprägend bei Fotos von bewegten Motiven mit verwischten Bildanteilen zum Ausdruck, also z.B. ein Rennauto mit verwischtem Hintergrund. In der Realität gibt es keine verwischten Motive. Die sind erst durch die Art des Fotografierens auf dem Bild entstanden. Hier wird der Betrachter also quasi gezwungen, sich Gedanken über die Darstellung zu machen, nicht über das Dargestellte.
So, das ist eigentlich meine Message, und so denke und handle ich.
Gruß Hartmut
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Typ27 06/10/2017 22:12
Das ist alles Andere als trist. Gewiß meint der Hausbesitzer das auch, sonst hätte er das Haus nicht renoviert, sondern abgerissen. Die Stromleitungen, die wir auch noch hatten, bis ca. 1970, vermisse ich immer noch. Das gäbe sicher schöne Motive. Sollten hier die Masten noch stehen, der Golf 1 jedoch wird gewiß seinen, den rostigen Weg gegangen sein.Andreas
Robi H. Löwy 19/09/2017 11:09
Schon möglich, dass der visuell erzeugte «Dachgiebelstrom» die Lampen im Innern des Gebäudes heller leuchten lässt :-)Ansonsten, eine triste Gegend.