Amü
Foto: 1. Januar 2007
Andreas
Obwohl es so viele Geschichten verschiedener Qualitäten zwischen meinem Freund Andreas und mir gibt, kristallisieren sich die lustigen, fröhlichen, ja beinahe unbeschwerten Erlebnisse deutlich heraus. Es sind nicht die Streitigkeiten, die Kämpfe, dieses beleidigte nicht selten langanhaltende Anschweigen und Ignorieren.
Es sind die weltbewegenden Strategien des Absurden, die wir uns in Lokalen wie dem „Frank und Frei“ und „Omas Apotheke“ ausdachten, die in Erinnerung bleiben. Es ist das Zuwerfen immer wieder derselben Sprüche, die nur wir beide witzig fanden und mit denen wir dem Rest unserer Welt herzlich auf die Nerven gingen.
In Erinnerung bleibt sein stets freundliches, fast immer lachendes Gesicht, eine Mimik, der er immer ein wenig Zweifel und Skepsis nachschob. Irgendwann bestieg ich mit einem Kumpel die S-Bahn, Station „Friedrichsberg“, das war am Ende des letzten Jahrhunderts und dieser Andreas saß da und fabulierte über Jazz. Sein lachendes und freundliches Antlitz war eine Einladung zur Freundschaft. Schnell stellten wir fest, dass wir beide Kommilitonen waren und fast Nachbarn. Er als verrückter Musiknarr versuchte mir Abwegiges nahezubringen, neuseeländischen Punk z.B. oder Tanzmusik aus Großvaters Orchestern. Er erklärte mir den Unterschied einer Musik mit oder ohne Emotionen. In Vinyl-Shops stand ich immer wie Falschgeld neben ihm und sah ihn in Abteilungen nach Platten suchen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte, weder von den Abteilungen, noch von den Scheiben selbst.
Im Rückblick bin ich überrascht, wie viele Berührungspunkte es gab. Das Studium, die Theatergruppe in die er mich zerrte und die mehr für mich, als für ihn zur Erfüllung wuchs. Die Arbeit für den Musikverlag „Indigo“ für den ich Artikel durch seine Vermittlung schreiben durfte. Was auch immer geschah, es schien doch eine ewige Freundschaft zu bleiben. Manchmal aber verlaufen sich die Lebenswege. Sein Sohn, der wie eine meiner „Romanfiguren“ heißt, wurde geboren. Familie und mehr Familie und irgendwie die gegenseitig schwindende Mühe den Kontakt zu halten, verhinderte gezielte Verabredungen.
Zuletzt traf ich ihn vor einigen Jahren im „Feldstern“. Ich saß da in einer Runde mit den Leuten unserer Fußballfanclubs EdH und DÜV und Andreas und ich packten gegenseitig wieder ein herzliches Trommelfeuer unserer Sprüche aus und warfen uns diese wie eine Geheimsprache zu. Beide dachten daran sich bald wieder mal zu treffen. Ich blieb bei meinen Leuten am Tisch und er saß mit einem Teil seiner Familie in einer anderen Ecke des Lokals. Wir nickten uns noch einmal freundlich zu in klarer Erwartung, dass wir nicht viel machen brauchen, um uns bald mal wieder zu treffen.
Für Andreas (16. Februar 1971 – 11. Juli 2024)
24. Juli 2024
Eva B. 24/07/2024 21:57
Schöne Worte, die nachdenklich stimmen. Mein Beileid.max liet 24/07/2024 21:39
Das Ende eines irdischen Lebens ist leichter, wenn der noch lebende sich positiv erinnert.Und diese Erinnerung ausdrücken kann für andere. Beim lesen deines Textes erschienen so einige Menschen meines Lebens wieder lebendig vor meinem Augen. Danke dafür.