Antiautoritäre Beziehung

Antiautoritäre Beziehung

Bild Dänemark 1985 aus dem handgeschriebenen Bildband

"Tendenziell daneben"


Antiautoritäre Beziehung

Ehrlich gesagt, wusste ich gar nicht wie man so was macht: einen Menschen bestrafen. Sollte ich nicht mehr mit ihr reden, oder meine Stirn runzeln, oder in einem öffentlichen Lokal sagen, was sie mir angetan hat? Oder sollte ich ihr schlechtes Essen kochen, oder lange Mahnspaziergänge machen, an Orte, die ihr nicht gefallen?

Ich war einfach zu ungeschickt in diesen Dingen, hatte da zwei Linke Hände und deswegen war ich ganz lieb zu ihr und hoffte sie würde sich schämen. Ich wollte sie wieder lieben können, wie früher, wenn sie sich richtig doll schämte. Wenn ihr hochroter, kleiner runder Kopf sich senken würde, ihre Haare tief ins Gesicht, der Finger verlegen am Mundwinkel und die eine böse Hand verborgen in der Hosentasche. Es war damals meine Lieblingsdoppel LP „Tommy – The Who“ mit diesem blauen Muster, auf dem sie ihren roten Vierfarbstift ausprobiert hat. Zudem war es das teuerste Vinyl meiner Jugendtage.

Es traf mich tief in die Magengrube. Was für ein gedanken- und kulturloses dummes Schweinchen sie doch war. Natürlich überlegte ich, ob ich mich an einem ihrer Frida Kahlo Poster vergehen sollte, oder ihren Hans vergiften. Aber dieser blöde alte Kater konnte schließlich nichts dafür, und vor der Kahlo hatte ich zuviel Achtung.

Das Schämen kam aber nicht so richtig, nur so ansatzweise. Drum fragte ich sie, ob sie sich vielleicht ein bisschen mehr schämen könnte und ob sie sich bewusst wäre, dass sie eine dumme Pottsau ist. Sie schüttelte mit dem Kopf und mich ab. Zum Abschied schenkte ich ihr die Tommy Doppel LP und kaufte sie mir wieder neu, für 27 DM bei Brinkmann.

27. Januar 2011