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Hans-Reiner Bohn


Premium (World), Weil der Stadt

Banater Heidedorf

Kleinsanktpeter
rumänisch Sânpetru Mic, ungarisch Kisszentpéter) ist ein Ort im rumänischen Banat. Von den Bewohnern der Region wird bis heute überwiegend der Name Totina verwendet. Totina leitet sich vom historischen Ortsnamen Toti ab - eine spätmittelalterliche Ortsbezeichnung, welche aus der ursprünglichen ungarischen Bezeichnung für Slowaken oder Slawen entstanden ist und auf die slowakischen Gründer des Ortes verweist.
Kleinsanktpeter liegt am Rande der Banater Heide 35 km nördlich von Temeschburg, abseits der Landstraßen Warjasch - Gelu und Gelu - Deutschsanktpeter. Auch die Eisenbahnlinie Temeschburg - Nero führt im Abstand von 3 km am Dorf vorbei. Benachbarte Ortschaften sind das ungarische Dorf Mailat im Osten, Gelu (Ketfel) mit dem eingemeindetem Colonia Mica; (Kleinsiedel) im Süden, Varias; (Warjasch) im Westen, Satu Mare (Großdorf) nordwestlich, das rumänische Dorf Secusigiu nördlich und Sânpetru German (Deutschsanktpeter) nordöstlich.
Um das Jahr 1250 wurde der Ort als Toti von slowakischen Siedlern gegründet und zwischen 1333 und 1656 unter diesem Namen auch in den vatikanischen Akten geführt. Eine Besiedelung ist für den Zeitraum danach nicht nachweisbar. 1843 wurde der verwaiste Ort als Tabakskolonie durch 36 Siedlerfamilien, Banater Schwaben aus Deutschsanktpeter, neu gegründet und bekam den Namen Kleinsanktpeter. Die Neusiedler schlossen einen Pachtvertrag mit dem ungarischen Staat ab, zu dem das Banat damals noch gehörte. Der Tabakanbau dominierte fortan die Landwirtschaft des Ortes. Nach Auslaufen des Pachtvertrages 1863 ging der Grund in den Besitz der „Südungarischen Parzellierungsbank“ über. Die Pächter wurden Eigentümer ihres halben Grundes und mussten eine Ablöse zahlen. Die Bedingungen der Pachtverträge stürzten viele Familien in große finanzielle Probleme. Nur wenige kamen zu Wohlstand.

Durch seine Lage abseits der Hauptverkehrsachsen und seine schlechte Anbindung an das Verkehrsnetz blieb der Ort klein und relativ arm. Die Bewohner wechselten häufig. 1873 und 1878 dünnten Scharlach- und Choleraepidemien die Bevölkerung aus. 1885 wanderten einige Familien nach Übersee aus. Die 1907 gebaute Eisenbahnlinie Temeswar-Warjasch-Szeged wurde 3 Kilometer am Dorf vorbeigeführt, obwohl die Bewohner 3000 Gulden zum Bau beisteuerten. Trotz alledem entwickelte der Ort im 20. Jahrhundert einen bescheidenen Wohlstand und ein reges Kultur- und Vereinsleben. Es gab eine Volksschule und mehrere Vereine, darunter einen Musik- und Gesangsverein, eine Fußball- und eine in den 1950er Jahren im gesamten Banat sehr erfolgreiche Handballmannschaft.

die Kirche ...
die Kirche ...
Hans-Reiner Bohn

Kriegerdenkmal
Kriegerdenkmal
Hans-Reiner Bohn


Ab 1920 kam der Ort infolge des Vertrages von Trianon, wie zwei Drittel des Banats, zum Königreich Rumänien. Zwischen 1920 und 1927 verbrachten mehrere hundert Arbeiterkinder aus Wien ihre Sommerferien im Ort. In den 1930er Jahren verließen infolge der Wirtschaftskrise weitere Familien das Dorf, um ihr Glück in Amerika zu suchen.


Der Turm der katholischen Kirche von Kleinsanktpeter (2006)Das Ortsbild blieb über viele Jahrzehnte unverändert und wird bis heute von den regionaltypisch breiten Gassen und langgestreckten Bauernhäusern geprägt. 1914 wurde die neue katholische Kirche geweiht, die das alte und bescheidene Bethaus ersetzte. Ein Wirtshaus, ein Kaufmannsladen, ein Barbier und später ein Kindergarten rundeten das Ortsbild ab. In den 1950er Jahren wurde am Ortsrand eine LPG erbaut. In der Ortsmitte wurde mit dem Neubau eines Gebäudekomplexes mit Gemischtwarenladen und Wirtshaus samt Biergarten und Kegelbahn (das sogenannte „Bufet“) ein neuer Mittelpunkt geschaffen.

Wie fast alle von Rumäniendeutschen besiedelten Orte im Banat hatte Kleinsanktpeter nach dem 2. Weltkrieg unter Deportationen in die Sowjetunion und in den Baragan, sowie unter Enteignungen und der Kollektivierung zu leiden (siehe Artikel Geschichte Rumäniens), blieb aber infolge seiner abgeschiedenen Lage von mancher Repression verschont. In den 1960er Jahren erholte sich das Dorf von den Folgen der Nachkriegszeit, das Gemeindeleben blühte wieder auf. Dennoch begann ab 1976 eine massive Abwanderungswelle der ortsansässigen Banater Schwaben nach Deutschland, wobei die Grundstücke und Häuser in staatlichen Besitz übergingen. Die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung und das Ortsbild änderten sich nun schnell. Bis 1989 hatte die Mehrheit der deutschen Bewohner das Dorf verlassen. Rumänische und ungarische Siedler (z. B. auch Szekler) aus anderen Teilen Rumäniens zogen seit den 1980er Jahren nach. Die Neusiedler konnten die Lücken nur teilweise auffüllen. Die Fluktuation blieb hoch. Die verbliebenen Deutschen verließen nach dem Umsturz von 1989 innerhalb kürzester Zeit das Land. Heute (2007) lebt nur noch eine deutschstämmige Familie im Ort. Aufgrund der mangelnden Bindung und Identifikation der Neusiedler mit dem Ort und seinen (nun staatseigenen) Häusern verfielen große Teile des Dorfes rapide. Auch die seit Jahrzehnten ersehnte und erst im Jahr 2003 durchgeführte Asphaltierung der Hauptzufahrtsstraße in den Ort konnte dessen Niedergang nicht mehr aufhalten.





Mai, 2005

Commenti 1

  • Uschi Wo 20/06/2010 16:42

    Klasse, wie Du mit Deinem Foto den Blick über den Mohn in Richtung Dorf führst. Deine Information ist sehr interessant.
    Lg.Uschi