Blick zurück im Zorn: free cell block D
Geometrisch ist der Ort der Geometrisierung
Schulhaus ist Kaserne
Blick zurück im Zorn: free cell block D
Geometrisch ist der Ort der Geometrisierung
Schulhaus ist Kaserne
Frau Ke 03/06/2009 1:53
wenn ich irgendetwas schön gesagt haben soll, werde ich immer ein wenig misstrauisch meiner eigenen Aussage gegenüber, ob sie nicht doch irgendeinen Haken, irgendeine gedankliche Unsauberkeit enthält, dass sie (insgeheim sozusagen, in Selbsttäuschung) "schönreden" wollte. Aber ich freue mich natürlich über deine Rückmeldung. ;) Ich habe keine endgültig gefestigten Vorstellungen. Das Schreiben dient mir nicht nur der Mitteilung, sondern gleichzeitig dem Nachdenken über etwas.ölmann 02/06/2009 23:24
Könnt ichs nur so schön sagen! Danke!Frau Ke 02/06/2009 15:44
moralisch meine ich nicht im Sinn festgeschriebener Zweigeteiltheit einer Welt in gut und böse. Ich meine es grundlegender, also die menschliche Fähigkeit oder Freiheit - man könnte auch von Verpflichtung sprechen oder vielleicht (je nach Blickwinkel und Gusto) von Verdammung (Paradiesvertreibung ;) - über sein Verhalten zu entscheiden. Dann ist es nicht mehr, wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint, so fern von einem Kulturbegriff, da 'Kultur' eben Regelvorgaben schafft - und im besten Fall bleiben sie als Vorgaben bewusst, das heißt, sie dürfen (und sollten auch) regelmäßig auf Sinn, Zweck und weitere Geltungsberechtigung geprüft werden. Ich denke nicht, dass ich zurück in primitivere Verhältnisse wollte, auch wenn der paradiesische Traum natürlich auch auf mich seine Anziehungskraft ausübt, denn ich bezweifle, dass ein Zurück mit glücklichem Ergebnis möglich sein kann. Gegen eine freiwillige Entscheidung für Vereinfachung im Sinne eines Fortschritts auf ein zukünftiges Ziel hin, hätte ich aber nichts, sofern sie mir vernünftig schiene. Natur und Kultur sind in meinen Augen widerstreitende und gleichzeitig einander ergänzende Begriffe, die beide zusammen - und erst zusammen - menschliches ausmachen. Auch nach meiner Vorstellung wird die Moral der Natur abgerungen, bedingt allerdings erst ein Handeln, das menschlich zu nennen wäre (im Vergleich zum tierischen Verhalten) - das heißt die Wahlfreiheit des Menschen ist nur unter der Einschränkung frei zu nennen als der Entscheidungszwang selbst (und die mit ihm verbundene mögliche Gewissensnot) unvermeidlich bleibt - zum Freisein gezwungen sozusagen. Unsere kultuellen Gewohnheiten schirmen den Schmerz, der in dieser Erkenntnis steckt, im allgemeinen aber ganz gut ab und leider aber auch das Potential. Die Dünne der Decke aber muss vor allem dann Sorgen machen, wenn die Bedingungen dessen, was uns menschlich macht, vor lauter Natur, Fressen und Gefressenwerden allzuweit aus dem Blickfeld gerät....
Es ist schön, wenn Alice interessiert und fröhlich in die Schule gehen kann, weil sie dort Wertschätzung erfährt. Die Wertschätzung scheint mir wesentlicher Schlüssel für alle mögliche, nicht nur schulische Entfaltung. Etwas stillere oder sonstwie irgendwie zu unauffällige oder auch auffällige Kinder bekommen in der Hinsicht leider oft nicht genug von diesem lebenswichtigen "Stoff", dazu sind unsere Schulen nicht ausgestattet.
ölmann 02/06/2009 13:48
Klar, da muss ich mich natürlich entschuldigen wegen Alice! Sie ist ein Mädchen, das gerne zur Schule geht und dort Wertschätzung erfährt, die ihr gut tut; eine Erfahrung, die ich kaum gemacht habe, was zur Folge hat, dass meine eigene Erfahrung im Bildtitel so tut, als wäre sie allgemeine Erfahrung.Das "sie" im Zitat bezieht sich auf Kultur. Freud geht in seinen Spekulationen zur Kultur ja von einem Grundkonflikt aus: Dem individuellen Streben nach Lust muss im Interesse der Erhaltung der Gattung das Institutionelle entgegengesetzt werden (Sippe, Familie, Gesellschaft, usw.). Dies ist nur über einen Verzicht auf unmittelbare Lustbefriedigung zu haben und deshalb, so Freud (verkürzt auf diese Fragestellung) ergibt sich der Grundkonflikt. Wie dünn die Decke der Kultur ist, erweist dabei die Geschichte. Mit der Feststellung, dass Menschliches "an sich" mit moralischem Verhalten zu tun hätte, ist mit dieser Auffassung nicht viel anzufangen; das Moralische wäre den Menschen eher stets gegen ihre "Natur" abgerungen. Dieser Pessimismus ist vielleicht heute etwas vom eigentlich Skandalösen der Psychoanalyse; die Kröte der infantilen Sexualität hat die Kultur ja geschluckt und auch in jeder nur denkbaren Weise vermarktet.
Frau Ke 02/06/2009 11:32
ein Grund zur Hoffnung, weil Alice ihre Hausaufgaben macht? Ich kenne Alice Geschichte nicht, deshalb kann ich nicht beurteilen, was daran hoffnungsvoll wäre. Oder ein Grund zu Hoffnung, weil sie so malerisch im Bild sitzt? ;-) Verzeihung, ich verstehe deine Gründe nicht, weil mir nicht kar wird, welche genau du meinst....
Auch das Zitat von Freud übrigens ist mir nicht ganz klar. Das liegt vor allem daran, dass ich nicht weiß, auf was sich das "sie" anfangs des zweiten Satzes bezieht - auf die Schuld? Das scheint mir der einzig sinnvolle Bezug, aber ganz sicher bin ich mir aus der Satzkonstruktion geschlossen nicht. Klar wird mir allerdings, dass er einen Widerspruch beschreibt. Der scheint mir im Grunde so ähnlich wie der schon in der Paradiesgeschichte beschriebene - eine Menschwerdungsgeschichte: was macht menschliches "an sich" aus? in einem Fall moralisches Verhalten, im andern Fall Kultur, in beiden Fällen ein (in Widersprüche) aufgehobenes Paradies. Ich glaube, Kultur (und auch Religion) ist eine Art Mantelvertrag, der es dem Einzelnen (durch Gewohnheit) erspart, grundlegende Beurteilungen des Zusammenlebens immer wieder von neuem treffen zu müssen, was unsere zeitlichen Kapazitäten wohl übersteigen würde. Die Gewohnheit ist deshalb durchaus wünschenswert, weil sie Ressourcen für andere Ziele freisetzt. Sie birgt aber auch die Gefahr leerer Formelhaftigkeit, und das umso mehr je schwerfälliger kulturelle Institutionen durch eine von Amts wegen verordnete flächendeckende Gleichmacherei geworden sind ...und wenn eben die eigentlich angestebten Ziele nicht mehr klar werden, sondern das ganze in einen Selbstzweck ausartet. Naja, Gründe zur Hoffnung lassen sich natürlich immer finden, und sei es nur der Grund, dass es sich ohne halt schlecht leben lässt. ;-) Was das Schulsystem angeht, wie es sich mir in unserm Land präsentiert, und zwar allgemein, nicht irgendwelche Eliteschmieden, zu denen ich keinen Zugang habe, hab ich allerdings wenig Hoffnung, dass großartige Besserungen noch während der Schulphase unserer Kinder eintreten werden. Aber du hast natürlich recht: sich dafür zu engagieren kann diese Hoffnung bloß stärken ...wenn ich denn einen vernünftigen, aussichtsvollen Ansatzpunkt zu einem solchen Engagement entdecken könnte ...diese Elternkämpfe, die ich an den Schulen so beobachten konnte, waren meist auch nicht meins, ich wurde leider oft den Eindruck nicht los, dass sich die Haupttriebfeder des Engagemants mehr in (selbstbezogenem) Karierredenken als Gerechtigkeitsansinnen erschöfte. ...ist eben kein Paradies, in dem wir leben. (...bin eben wohl wirklich mehr Lamentor als "Gotteskrieger", um mal einen alten Ausdruck neu zu besetzen. ;-)
...
PS das richtet sich übrigens nicht gegen die Amtsinhaber an den Schulen, Lehrer/innen, Rektor/innen usw., die ich in weit überwiegender Mehrheit als im guten Sinne engagiert und im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchaus wohlwollend erlebt habe.
ölmann 02/06/2009 7:13
".. einen grossen Teil der Schuld an unserem Elend trage unsere sogenannte Kultur; wir wären viel glücklicher, wenn wir sie aufgeben und in primitive Verhältnisse zrückfinden würden. Ich heisse sie erstaunlich, weil - wie immer man den Begriff Kultur bestimmen mag - es doch feststeht, dass alles, womit wir uns gegen die Bedrohung aus den Quellen des Leidens zu schützen versuchen, eben der nämlichen Kultur zugehört."S. Freud, Das Unbehagen in der Kultur
Der innere Zwiespalt ist so gesehen ebenso notwendig wie das Engagement für eine entkasernung der Schulen; es gibt auch Gründe für Hoffnung:
Frau Ke 01/06/2009 22:15
beide Kinder ziehen es vor der Schule fernzubleiben,was ich verstehen kann, aber nicht erlauben. Sie tun es wenigstens nicht heimlich. Und sie haben ihre Gründe. Selbstverständlich gibt es auch Gründe, die uns in die Rolle des fürsprechenden Agenten zwingen, der ich mit einiger Mühe, weil nur um den Preis inneren Zwiespalts genügen kann. Es ist nichts, was ich gemeinhin gern erzähle, in unserer sich "leistungselitär" gebärdenden Gesellschaft wird man deshalb gern mal schief angesehen. Es beschämt mich irgendwie und macht mich wütend und traurig zugleich, mal auf die eigene Ohnmacht, mal auf der Kinder Unwill, doch vor allem auf die Aussichtslosigkeit, ihnen wirklich 'gute' Gründe nennen zu können. Als Eltern ist man mit solchem Problem, so erlebe ich es, isoliert zwischen Eltern. Doch habe ich während unserer Auseinandersetzung mit dem Thema auch immer wieder Anzeichen dafür gefunden, dass dieser Eindruck tatsächlich täuscht und bloß die Scham die tatsächlich steigende Tendenz noch verschleiert.