Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Bodenständiger Bürosex

Seit neustem nehme ich mir vor ein sehr anständiger Angestellter zu sein. Ein grundsolider echt guter Angestellter. Kein Narr, aber ein guter Mensch, mit dem jeder gerne Umgang hat. Man nennt das auch kollegial. Ich habe sogar begonnen, mich mit der Bezeichnung „lieb“ anzufreunden.

Ich räume immer alles auf am Ende eines aktiven Arbeitstages. Der Schreibtisch ist leer, nur zwei gut gespitzte Bleistifte mittelhart habe ich am Rande grafisch logisch platziert. Wenn Frau Vitamalz, die Gute, mir noch einen Kaffee anbietet, sage ich nicht nein. Frau Vitamalz ist eine sehr saubere und gut erzogene Osteuropäerin, welche durch Heirat herkam. Sie trägt Hosenanzüge der gehobenen Kreisklasse, und somit der nicht ganz billigen Preisklasse. Ihre Spange hat Charme, ist nicht der unsrige Stil, aber als guter Mensch freue ich mich darüber.

Sie schnurrt, wie eine sibirische Tigerkatze, wenn ich sie wie ein gutes Stück Supermarktkonfekt behandle und den Schokoladenmantel vorlutsche. Frau Vitamalz besteht auf geschützten Verkehr, zumal draußen auf dem harten Asphalt die bittere Wahrheit der Rush Hour wartet. Jetzt zahlt es sich auch aus, dass mein Schreibtisch gut aufgeräumt ist. Es täte mir in der Seele weh, wenn wir nur aus niederem Ungestüm wichtige Ordner umwerfen würden.

Frau Vitamalz hat eine sehr schöne Stimme. Sie singt immer gerne Volkslieder aus ihrer Heimat, während ich sie vielseitig und nicht uninteressant bespaße. Sie ist eine Frau mit Seele, die es daheim gewohnt war in Muttererde zu wühlen und Kartoffeln roh zu Klößen zu verarbeiten.

Wir verlieren uns aber nicht in unnötigen Romanzen und lassen die Kulturgeschichten unserer Heimaten weit gehend außen vor. Wir beschimpfen uns modern mit Floskeln aus dem laufenden Programm von Klassikradio und benennen unsere sehr beachtlichen Intiminstrumentarien nach bekannten Kriegsschauplätzen der aktuellen Nachrichtenlage. Das belustigt uns positiv und die Bezeichnungen „Schlampe“ und „Wichser“ sind selbst bei Buchhalternasen in karger Büroumgebung überholt und nicht sehr hilfreich, wenn es darum geht, dass es doch ein wenig schön sein soll.

Ich bedanke mich dann immer mit einem Kuss oberhalb ihrer Schamgrenze, als Dank für ihre wunderschöne Gesangsdarbietung. Auf dem Flur begegne ich dann immer Frau Schröder-Fuchs. Eine rothaarige Amazone aus dem Stall der Chefetage. Sie mag Zimtparfait in Biskuitröllchen in den Löchern des Frühsommers.

16. April 2010



wir kausen und planen weiter
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Matthias von Schramm




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das Publikum bei der Labskauslesung war begeistert!
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Jutta Schär

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