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Der Fährmann und der zickige Fahrgast

Der Fährmann und der zickige Fahrgast

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Der Fährmann und der zickige Fahrgast

Leise plätscherten die Wellen ans Ufer, als das alte Boot mit dem Rumpf in den weichen Sand fuhr. Ein Stöhnen aus dem Inneren, dann kroch ein alter, bärtiger Mann hervor, hüpfte über Bord und seilte es fest. Dabei fasste er sich an den Rücken und seufzte: "Ich werde auch nicht jünger, verdammt, Rente mit 67 wäre wahrlich eine Erholung..., ach, was soll's", sprach's und stapfte den schmalen Sandstrand entlang.

Aus der Ferne hatte er bereits den glockenhellen Gesang vernommen, ja, und es dauerte nicht lange und er sah sie. Wunderschön, hübsch, mit guter Figur, das lange Haar offen über die Schultern, was für ein Anblick für das alte Herz.

"Junge Frau", rief der Fährmann, "komme sie zu mir."
Sie blickte etwas überrascht auf, konnte sie doch nicht gleich erkennen, wer sich da aus dem Dunkeln schälte. Und diese krächzende Stimme, nein, die kannte sie nicht.
"Warum sollte ich, alter Mann, und wer seid ihr?"
"Kennt Ihr mich denn nicht? Mein Name ist Charon und ich habe noch einen Platz in meinem Boot frei."
"Boot? Frei? Wozu? Ich habe kein Boot bestellt und außerdem fahre ich nicht mit fremden Männern..."
Charon kratzte sich am Kopf. Schon wieder so eine, die es nicht verstehen konnte. Er fuhr sich mit der anderen Hand durch den lange Bart, räusperte sich und meinte:
"Ich möchte nicht unhöflich sein, aber das Boot hier wird nicht von Euch bestellt."
"Ich wüsste nicht, vom wem sonst, also, alter Mann, so fahre er und halte Ausschau nach einem anderen Gast..."
"IHR seid mein Fahrgast, und ich bitte höflichst darum nun das Boot zu betreten..."
".... sonst?" Sie zog die Augenbrauen hoch, "was sonst?"
"Herrgott nochmal", fluchte er leise in seinen Bart. Da hatte man schon die ganze Schufterei in dem Alter noch mit dem alten Kahn über den Fluss hin- und herzurudern und nun auch noch diese Diskutiererei.
"Ihr seid TOT, junge Lady, hinüber, entschlafen, deswegen bin ich hier."
Sie schaute erst leicht entsetzt, lächelte dann aber verschmitzt.
"Natürlich, und wieso stehe ich dann hier, könnt Ihr mir das erklären?"
"Wohlfreilich", antwortete er, leckte sich kurz über die trockenen Lippen und setzte seinen Satz fort, "Ihr seid hier, weil dies die Stelle für alle Verstorbenen ist, damit ich sie holen und übersetzen kann."
Sie kam einen Schritt auf ihn zu und schaute den kleinen, alten Mann an.
"Unsinn", entgegnete sie, "ich atme doch, ich lebe doch, ich rede doch...."
"... noch", meinte er und verzog seinen Mund zu einem leichten Grinsen, die schwärzlichen Zähne traten hervor und es roch ein wenig muffig.
"Ich bin zu jung, um tot zu sein."
"Das Alter, hübsche Lady, spielt hier keine Rolle. Ich nehme sie alle mit, ob jung, ob alt, ich bin der Fährmann."
Sie blickte an ihm vorbei und überlegte kurz.
"Also, ich habe meine neuen Schuhe noch nicht eingelaufen und meinem Liebsten gezeigt..."
"Unwichtig", knurrte er.
"Ich.... meine neue Handtasche habe ich noch gar nicht meinen Freundinnen vorgeführt..."
Er rollte mit den Augen und atmete schwer aus.
"Auch unwichtig, das alles braucht ihr jetzt nimmer mehr." Er griff nach ihrem Arm und zog sie in Richtung des Bootes.
Sie versuchte sich mit den Füßen im Sand abzustützen, doch der alte Mann hatte erstaunliche Kräfte.
"Ich habe doch meine ganzen Schminksachen nicht dabei, ich kann nicht verreisen...", keuchte sie.
"Dort, wo ihr jetzt hinfahrt, braucht Eure Haut keine Pflege mehr...", er griente.
"Und ich habe nicht mein Ausgehkleidchen an", erwiderte sie und zerrte an seiner Hand.
"Auch dieses werdet Ihr nicht mehr benötigen, seid versichert."
Es kam, wie es kommen sollte, sie erreichten sein Boot, er stieg hinein und zog sie noch immer an ihrem Handgelenk hinter sich her. Nun entwickelte sich eine Hin und Her, mal war sie mit einem Bein im Boot, mal fiel er fast hinaus.
"Ich kann nicht...", stöhnte sie.
"Ihr müsst...", ächzte er.
"Lasst mich...."
"Mein Herr verlangt nach Euch..."
Nun hatte er es fast geschafft, torkelnd stand sie schon im Boot als ihr plötzlich ein Gedanke kam:
"Ich kann jetzt nicht sterben...", murmelte sie und fasste sich theatralisch an den Kopf.
Er stutzte und hielt inne.
"Aber... Ihr seid bereits..."
"Ich, ich habe meine Migräne", seufzte sie schmerzlich.
Bei diesen Worten sackte er ein Stück in sich zusammen. Migräne, oh nein, warum dies und warum das ihm? Er konnte sich noch gut an die Zeiten erinnern, wenn er daheim war und seinem Weibe beiliegen wollte, sie jedoch nicht sehr davon angetan war, dann hatte sie das auch immer. Zum Glück war er jetzt viel zu alt dafür, dennoch war er sich nicht sicher, ob es gut sein würde, sie nun mitzunehmen und sich nachher Schelte von seinem Herrn einzuholen.
Seine Hand ließ sie los und das Mädchen stolperte an den Strand.
"Sei's drum", murmelte er verdrossen, seine Augen schauten müde. Er machte das Boot los, warf sich in das Ruder und steuerte auf den Fluss hinaus.
Sie blickte ihm hinterher, atmete erleichtert aus und glaubte noch ein grollendes "Weiber" zu vernehmen, dann verschwand er in der Dunkelheit.

Und ja, liebe Leser, nun wisst Ihr, wie es dazu kam, eine wahre Geschichte über die Migräne.... und die Moral von der Geschicht', auch heute noch wirkt es dann und wann ;)

Und wer mir das nicht glaubt, darf mir das gerne schreiben. ;)

http://de.wikipedia.org/wiki/Charon_%28Mythologie%29

Passt nicht, aber dennoch: http://www.youtube.com/watch?v=PLp93c1ddYI

Commenti 13

  • Hans-Olaf FLÜGEL 06/02/2011 1:35

    Hallo Jens,
    einfach genial Dein Bild in Verbindung mit einer "wahren" Geschichte - oder umgekehrt.
    So sollten Bildergeschichten entstehen. Klappt nicht immer.
    Habe aber viel Spaß daran gehabt.
    LG von
    olli
  • Schoengeist 02/02/2011 22:13

    *am Kinn kratz* Hm, aus der Sicht habe ich es noch gar nicht betrachtet.... vielleicht ist an meiner Geschichte ja mehr dran, als wir alle denken...;)

    LG
    Jens
  • Ars moriendi 02/02/2011 21:53

    Wer weiß schon, was für böse Gedanken der Künstler selber hatte.
    Vielleicht sind die unsrigen ja noch ganz harmlos...
  • Schoengeist 02/02/2011 14:30

    Ob der Künstler das damals schon hätte ahnen können, was wir heute daraus machen...?

    Ich bin böse....

    LG
    Jens
  • Ars moriendi 02/02/2011 13:42

    Hätte mich auch gereizt ;-D
  • Schoengeist 02/02/2011 12:28

    Ah, noch mehr Gründe dafür ;) Und sie als Ausrede gegen das Sterben zu benutzen, einfach mal versuchen.... ;-)

    Klar ist die nicht witzig, aber es reizte mich anhand des Bildes damit zu "spielen" ;))

    Danke.

    LG
    Jens
  • Ars moriendi 02/02/2011 7:56

    Es gibt also Frauen, die Migräne als Ausrede verwenden.
    Was für Kackbr...zen.
    Da wundere ich "zartes" Persönchen mich, wenn mein Chef die Augen verdreht, wenn ich das als Grund nenne, nicht arbeiten zu können.
    Die sollen mir mal in die Fittiche kommen.
    Das ist nämlich keine witzige Angelegenheit.

    Dein Bild ist dagegen, gerade wegen dem Text, echt klasse und witzig.
    Gut gemacht!!!
  • weisse feder 01/02/2011 23:57

    .... also, deine version von der migräne ist ja wirklich einmaaaalig made by jens ;))) .. .und ich kannte das worte beischlafen aber beiliegen kannte ich noch nicht.. ein wunderbares zwiegespräch zwischen den beiden, nervenaufreibend, auch zum teil klischeehaft, dunkler humor (den mag ich sehr ;))) ),,, ja, und absolut passend zu deinem bild.. sehen auch supi aus aus dieser perspektive... (ps. ich würde auch nicht mit gehen mit diesem griesgrämigen, und schwarze zähne hat er auch noch.. .oh nein nein..... )... lg. white feather
  • Thaysen Peter 01/02/2011 22:17

    Das...mit der Migräne kommt mir doch sehr bekannt vor! eine feine Gesamtarbeit.
    l.g.
    p.t.
  • Schoengeist 01/02/2011 19:30

    Yep. Hier muss man Foto gucken UND lesen ;)

    LG
    Jens
  • F A R N S W O R T H 01/02/2011 19:04

    beim ersten blick denkt man noch, der titel passt doch nicht.
    aber dann mit dem text unter wird alles klar.
    ein prima ausschnitt und sensible bearbeitung. sehr schöne arbeit.
  • Schoengeist 01/02/2011 0:52

    Stimmt, aber ist ja auch dunkler Humor.... ;)

    Ich hatte auch eher die ganze Zeit den Refrain im Kopf...

    LG
    Jens
  • Karin Ueberrhein 01/02/2011 0:32

    Ne, Hans Albers passt wirklich nicht!
    LG Karin