Der Ranger

Der Ranger

„Ey, du da! Zutritt verboten!“, sagte die Gans im schroffen Ton und versperrte mir mit ihren großen Flügeln den Weg.
„Warum denn das? Ich möchte doch nur ein paar Fotos machen und bin dann direkt wieder weg.“
„Das hier ist zurzeit Brutgebiet und deshalb Schutzzone!“, erklärte mir die Gans.
„Aber genau deswegen bin ich ja hier. Ich möchte Nester, Vogeleier und frisch geschlüpfte Schlüpflinge fotografieren!“
„Vergiss´ es, wenn du in das Schutzgebiet gehst, muss ich dir ein Verwarngeld aufbrummen!“
„Wie hoch ist es denn, dieses Verwarngeld?“, wollte ich wissen.
„Zweihundertfünfzig Euro und keinen Cent weniger!“
„Junge, Junge, das ist aber ganz schön happig.“
„Zu Recht, die Vögel brauchen dringend ihre Ruhe. Und jetzt verschwinde!“
„Also jetzt mal unter uns…“, flüsterte ich dem Gänse-Ranger zu. „Für Fünfzig Euro, schwarz auf die Kralle, lässt du mich doch durch, oder?“
„Keine Chance, mach´ dich vom Acker!“
„Ich biete dir einhundert Euro. Ich will diese Bilder, unbedingt!“
„Du könntest mir tausend Euro geben, trotzdem würde ich dich nicht durchlassen.“ Die Gans blieb eisern.
„Ich bin ja bestens informiert, musst du wissen…“, insistierte ich weiter. „Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass du für grünen Wackelpudding sterben würdest.“ Ich holte eine Riesenschüssel knallgrüne Götterspeise aus meinem Rucksack und hielt sie dem Ranger vor den Schnabel. „Na, wie sieht es aus? Lässt du mich durch?“
Der Schabel der Gans begann zu zittern und etwas Spucke lief heraus. Jetzt hatte ich sie am Haken.
„Sie sieht sehr köstlich aus und dann auch noch so viel davon!“, sagte die Gans sabbernd.
„Du kannst sie haben, es ist ganz einfach!“, grinste ich mit der Schüssel herumwedelnd. „Du musst mich nur durchlassen.“
Ich merkte deutlich, wie der Ranger mit sich rang. „Nein, ich habe es bereits gesagt. Hier ist gesperrt!“
„Na gut, du hast es nicht anders gewollt!“, sagte ich ernst.
„Willst du mir etwa drohen?“
„Nein, ganz im Gegenteil. Ich überprüfe Ranger auf ihre Zuverlässigkeit. Du hast all meinen Verlockungen Stand gehalten und dich mit Auszeichnung bewährt. Herzlichen Glückwunsch! Als Belohnung erhältst du dieses schmucke Abzeichen.“
Ich heftete den Anstecker „Ranger des Monats“ an die stolz geschwellte Brust der Gans. „Ich tue doch nur meine Pflicht“, sagte die Gans verlegen. „Aber einen Wunsch hätte ich jetzt noch.“
„Ich weiß, du willst den Wackelpudding, stimmt´s?“ Die Gans nickte.
„Wenn du mir etwas abgibst, gehört er dir.“
„Na klar, ist ja genug da!“ Und so saßen wir zwei am Ufer des Teichs, Mund und Schnabel verschmiert mit grünem Glibber und genossen den Tag…