Der Wolkenwandler
Der Wolkenwandler
Kennst du die Zeit zwischen Wachen und Träumen, zu der dir einfach alles möglich erscheint?
Die Zeit, zu der Traumgestalten mit Fabelwesen verschmelzen und Nächte zu Tagen werden? Kennst du die Zeit, zu der du einfach du selber sein kannst, ohne dir Sorgen machen zu müssen, was morgen sein wird? Die Zeit, zu der die Wolkenwandler den Spuren in den Wolken folgen?
Ich will dir diese Zeit zeigen, will dich mit mir nehmen in das Reich der Verschmelzung von Licht und Schatten, von Traum und Wirklichkeit. Ich will dir die Grenze zwischen Wollen und Können verwischen und dich zu neuen Plätzen bringen, die du nie zuvor gesehen hast.
Folge mir, und du wirst dich ändern ...
Dies hier ist das Reich der Wolken. Jede dieser Wolken besteht aus Tausenden von Träumen, die nur darauf warten von dir geträumt zu werden. Wenn du den oftmals verschlungenen Pfaden der Wolken folgst, wirst du zum Wolkenwandler.
Hier wurden schon zahlreiche vor dir gesehen - ehrliche und unehrliche, Erwachsene und Kinder, Weise und Narren, Sucher und Finder ... aber sie alle hatten eines gemeinsam. Im Angesicht der Wolken wurden sie wieder sie selbst und fanden zurück zu dem, was sie ausmacht.
Auch du wirst wieder zu dir selber werden, wenn du den Wolken zusiehst, wie sie über den Himmel wandern, wenn du sie in deinem Schlaf siehst und ihre Weichheit und ihre Schönheit entdeckst.
Am Ende des Wolkenreiches steht ein großes Schloss - es nennt sich, wie sollte es auch anders sein, Wolkenschloss. Dieses Schloss ist unser Ziel.
Hier werden wir von König Cum Ul Us und Königin Ci Rrus empfangen werden und sie werden dir ihre Weisheiten anvertrauen. Doch bis zum Wolkenschloss ist es noch ein weiter Weg, viele interessante Wesen werden uns begegnen, Wesen aus der Traumwelt und Wesen aus der Fabelwelt, Wesen aus deinem Leben und Wesen aus der Scheinwelt. Nicht alle sind gutmütig und geduldig. Manche von ihnen sind beängstigend, jähzornig und skrupellos - aber du wirst von jedem von ihnen etwas lernen.
Warm und ruhig spüre ich deine Hand in meiner als du dich mir anvertraust und dich entschließt, mit mir gemeinsam den Wolkenpfaden zu folgen. Ein letztes Mal schaue ich dich prüfend an und frage dich "Bist du bereit, dich zu ändern?" Ernst siehst du mir in die Augen und nickst schließlich bestimmt und so machen wir uns zusammen auf den Weg durch die Wolken bis hin zum Wolkenschloss.
Du überlässt dich meiner Führung und vergisst schon bei den ersten Schritten, dass du dir sonst nie etwas sagen lässt und eigentlich immer selber führen möchtest. So versunken bist du in den Anblick der Wolken, dass du fast gestolpert wärst, als sich dir etwas in den Weg stellt.
Ein großes, leicht durchscheinendes Wesen, wattig und weich, von einer zarten lila Farbe steht vor dir und grummelt dich leicht erstaunt an. Erschrocken weichst du zurück und bittest sofort wortreich um Entschuldigung.
Da lächelt diese seltsame Wolke dich aufmunternd an und sagt mit einer weichen, wohlklingenden Stimme zu dir: "Ruhig, nur ruhig. Es ist ja nichts passiert, Wandler. Mein Name ist Strato und wie heißt du?"
Kaum hast du deinen Namen genannt, überzieht ein gutmütiges Lächeln Stratos Gesicht. "Ja, von dir habe ich schon gehört. Mir wurde gesagt, du möchtest hier etwas über dich selbst erfahren, nicht wahr?"
Beklommen nickst du vorsichtig mit dem Kopf und wartest, was dieses Wolkenwesen wohl noch über dich weiß, doch es wendet sich ab und lässt uns alleine.
Verwundert wendest du dich mir zu und fragst mit erstaunter Stimme: "Wer war denn das?"
"Strato, ein Wolkenwesen." lautet meine, dich überhaupt nicht zufriedenstellende, Antwort. Etwas enttäuscht, wartest du auf eine ausführlichere Erklärung, als jedoch klar wird, dass ich nichts weiter dazu sagen werde, zuckst du schließlich mit den Schulten und fragst mich, wann unsere Reise weitergeht.
"Bist du denn schon bereit für die Weiterreise?" hörst du mich fragen und mit einem Mal erkennst du, dass du müde bist, deine Sinne eine Rast brauchen und auch deine Füße dich nicht mehr weiter tragen wollen. So lässt du dich erschöpft in die weichen Wolken fallen und schließt die Augen.
Der Wolkenwandler
Kaum sind deine Augen geschlossen und du bist in das Land der Träume abgedriftet, tauchen auch schon bunte, farbenfrohe Bilder vor dir auf. Im ersten Moment fürchtest du dich, weißt nicht, wo du bist, doch eine Stimme, die tief aus deinem Inneren zu kommen scheint, flüstert dir beruhigende Worte ins Ohr.
Leicht lässt du dich von diesen Worten umhüllen, lässt dich in sie hineinfallen und findest schon bald Gefallen an den bunten Farbenwirbeln in denen du dahin gleitest.
Mit einem Mal scheint dir alles so einfach zu sein, du vergisst an das Gestern und an das Morgen zu denken und kannst dich auf das Jetzt konzentrieren. Du richtest deine Sinne auf die Stimme in dir und wartest gespannt, was sie dir zu erzählen hat.
"Ahh," hörst du da die Stimme in deinem Inneren sagen, "du hast dich also doch entschlossen, mir zuzuhören. Ich hatte schon befürchtet, du würdest mir nie Gehör schenken."
Verwundert siehst du dich um, doch du kannst niemanden entdecken - du erkennst lediglich flirrende Lichtpunkte um dich herum, doch sie scheinen dir nicht zu sprechen.
"Nein, nein," ertönt neuerlich die Stimme, "du hast schon recht gehört, ich komme nicht von außen, sondern von Innen. Glaube mir ruhig, wenn ich mich dir zu erkennen gebe."
Verunsichert überlegst du, wie du denn mit dieser Stimme, die aus dir kommen soll, sprechen sollst und kaum hast du darüber nachgedacht, erklingt auch schon die Antwort. "Du brauchst nicht reden, denke einfach."
Langsam gewöhnst du dich an diese neue Form der Kommunikation und fragst diese Stimme schließlich durch die Gedankenbrücke, was sie eigentlich von dir möchte.
"Ich möchte gar nichts von dir.", antwortet die Stimme erstaunt, "Du hast doch angefangen zu träumen." Verwundert willst du den Kopf schütteln, als dir bewusst wird, das wirklich du diesen Traum hast. "Aber was hat das zu bedeuten."
Kaum hast du in Gedanken diese Frage gestellt, erklingt auch schon die Antwort "In den vielen, vielen Jahren, die du nun schon zu den Erwachsenen gezählt wirst, hast du vergessen wie man träumt. Du hast verlernt, auf deine innere Stimme zu hören und dir selbst zu vertrauen. Das Wolkenwesen hat dir diesen Traum geschenkt, um dir zu ermöglichen, dich zu finden."
Die Worte hallen noch in deinem Kopf nach, als du langsam die Augen öffnest und dich an der Stelle wieder findest, an der wir dem Wolkenwesen begegnet sind. Ruhig schaue ich dich an und erwarte mir vielerlei Fragen, du schließt jedoch nur die Augen um dir die letzten Worte genau einzuprägen.
Als keine Frage über deine Lippen kommt, reiche ich dir die Hand, um dir beim Aufstehen zu helfen. "Ich hoffe, du bist ausgeruht," lächle ich dich an.
"Ja, ja. Ausgeruht bin ich." antwortest du mit leiser Stimme, "Allerdings auch noch leicht verwirrt von meinem Traum." "Möchtest du darüber reden?"
Doch du schüttelst nur stumm den Kopf und bedeutest mir, den Traum selber verstehen zu wollen. Also lasse ich dich deinen Gedanken nachhängen und führe dich nur weiter ein Stück des Weges entlang.
Der Wolkenwandler
"Das ist Pandur.", stelle ich zu deiner Information fest.
Rätselnd schaust du auf das große, rosafarbene Wesen. "Ein Pandur?"
"Nein, nein. Nicht ein Pandur, sondern Pandur. Das ist sein Name, mein Freund.", stelle ich richtig.
Da betrachtest du das Wesen von allen Seiten, machst schließlich einen Schritt auf ihn zu und willst ihn höflich ansprechen. Im letzten Moment kann ich dich davon abhalten und erkläre dir, dass man Pandur erst dann ansprechen darf, wenn er einen angesprochen hat. "Er ist ein wenig eigen." füge ich erklärend hinzu.
"Eigen?" ertönt da eine sanfte, tiefe Stimme, "Eigen soll ich sein? Also wirklich Wolke, du kommst heute wieder auf Ideen. Wer hat denn behauptet das ich eigen bin? Und überhaupt - wer ist denn das?", wendet er sich nun an dich.
Höflich will ich dich vorstellen, als ich erneut von Pandur unterbrochen werde "Nein, Wolke, nein ... dein Begleiter soll sich selber vorstellen."
Resignierend zucke ich mit den Schultern und mache dir schließlich ein Zeichen, dich selbst vorzustellen. Mit äußerst höflichen Worten, erklärst du Pandur wer du bist, und warum du zu einem Wolkenwandler geworden bist. Interessiert hört dir Pandur zu und bittet dich schließlich, ihm zu verraten, was du dir von deiner Reise durch die Wolken noch erwartest. "In erster Linie will ich mich selbst wandeln, aber das habe ich ja schon gesagt. Und dann ..."
Du kommst ins Stocken und Pandur stubst dich freundlich an und ermutigt dich mit ruhigen Worten weiter zu reden.
"Sag nur, was du noch machen möchtest. Niemand wird dich dafür verdammen oder von hier verjagen. Wir hatten schon Wandler mit den merkwürdigsten Wünschen hier und es würde mich einfach interessieren, wovon du noch träumst."
Also nimmst du dich zusammen, denkst nicht mehr über die etwaige Reaktion Pandurs nach und sagst schließlich voller Emotionen "Ich würde so gerne über das ganze Wolkenreich schweben und alles, was es hier gibt für einen Augenblick sehen. Nur für einen kleinen Augenblick, damit ich weiß auf was ich mich noch freuen kann."
Wir sehen die Begeisterung über diesen Gedanken in deinem Blick und ich schaue Pandur fragend an. Zögernd nickt dieser und wendet sich schließlich wieder dir zu.
"Komm mit!" sagt er schlicht und zieht dich mit sich.
Und ehe du dich noch einmal umschauen oder tief Luft holen kannst, findest du dich schon auf Pandur's Rücken wieder. Verwundert greifst du in das weiche, samtige Fell dieses freundlichen Lebewesens, spürst die warmen, sanften Haare an deiner Haut und wirst plötzlich in die Luft gehoben und siehst die Wolke unter dir immer kleiner werden.
Ängstlich suchst du einen Platz um dich festzuklammern, findest jedoch nur glattes Fell. Dein Herz schlägt immer schneller und voller Panik, so sehr fürchtest du, herunter zu fallen. Doch da hörst du die beruhigende Stimme Pandur's, der dir zu verstehen gibt, dass du dich nicht festzuhalten brauchst, um nicht hinunter zu fallen.
Da beruhigst du dich und wagst es sogar, die Augen wieder zu öffnen. Vorsichtig blinzelst du zunächst mit dem linken Auge um nur ja nicht zuviel Schrechliches auf einmal sehen zu müssen und reißt schließlich begeistert beide Augen weit auf, als du entdeckst, dass du tatsächlich über dem Wolkenreich schwebst.
"Hast du jetzt endlich deine Augen offen, oder müssen wir die ganze Runde zweimal machen, damit du auch alles siehst?", brummelt Pandur vor sich hin.
"Nein, nein," beruhigst du ihn schnell, "wir müssen nicht zweimal fliegen. Ich habe die Augen schon geöffnet. Ich hatte nur zuerst so furchtbare Angst, aber..."
"Ach hör schon auf. Es macht doch Spaß mit dir zu fliegen." unterbricht dich dein Flugtier mit einem Lächeln in der Stimme.
Begeistert schaust du von hoch oben über die Wolkenstädte, über die Wolkenlandschaft, bewunderst seltsame Lebewesen, siehst anderen Wolkenwandlern nach, die schon weiter gekommen sind als du. In der Ferne siehst du das Wolkenschloss mit seinen vielen Türmen und Fenstern.
Voller Sehnsucht blickst du es an, wendest dich jedoch schließlich an Pandur und bittest ihn, dich wieder zurück zu bringen, da du deinen Weg fortsetzen möchtest.
Bereitwillig wendet Pandur, fliegt zurück und setzt dich sanft und sicher auf der selben Wolke wie vorhin ab.
Kaum bist du mit wackeligen Füßen von seinem Rücken geklettert wendet Pandur sich um, kugelt sich auf seiner Wolke zusammen, schließt die Augen und ist nach wenigen Sekunden in einen tiefen Schlaf gefallen.
"Hat ihn der Flug so angestrengt?", fragst du mich besorgt, doch ich beruhige dich und erkläre dir, dass Pandur den Großteil des Tages mit Schlafen verbringt und wir ihn jetzt besser nicht mehr stören sollten. "Er ist eben doch ein wenig eigen...", füge ich noch hinzu und höre im selben Moment das leise Schnauben Pandur's.
"Er mag es wohl nicht, wenn man ihn eigen nennt..."
"Nein, nicht wirklich,." gebe ich zu, "aber er ist doch wirklich ein wenig eigen, findest du nicht?"
"Er ist auf jeden Fall sehr nett."
Schmunzelnd nehme ich deine diplomatische Antwort zu Kenntniss und frage dich schließlich, warum du dich schon so zeitig zu einer Rückkehr vom Flug entschieden hast.
"Ach weißt du, ich habe das Wolkenschloss gesehen und da dachte ich mir, ich möchte dort so schnell wie möglich hin, so schön sah es aus. Aber im gleichen Moment musste ich daran denken, dass es doch immer heißt Der Weg ist das Ziel. Und du hast ja auch gesagt, dass es notwendig ist, den Weg zu gehen, um sich selbst kennen zu lernen. Und diesen Weg wollte ich gerne fortsetzen. Also bat ich Pandur, dass er mich zurückbringt, damit du mir noch mehr vom Wolkenreich zeigen kannst und ich daraus lernen kann."
Deine Antwort erfreut mich sehr und ich sehe daran, dass du schon wichtige Schritte gemacht hast. So beschließe ich, einen ganz speziellen Weg zur Weiterreise zu benutzen. Einen Weg, den nur wenige Wolkenwandler gehen.
Während wir uns weiter unterhalten führe ich dich zwischen dunklen, bedrohlichen Gewitterwolken entlang und immer wieder gleitet den Blick verstört über die grauen Massen. Du kannst dir diesen plötzlichen Wechsel zwischen strahlendweißen Traumwolken und furchteinflößenden Gewitterwolken nicht erklären und blickst immer öfter misstrauisch zur Seite.
Mit einem Mal hast du Angst bekommen vor diesem Wolkenreich und weißt nicht, ob dich nicht schon hinter der nächsten Ecke eine große Gefahr erwartet.
Sternenfeder Gedichte und Geschichten
Werner M. 14/02/2004 19:01
die Wolken schreiben offenbar an einer dramatischen geschichte --...lg werner
Der Biege 13/02/2004 7:45
Die Wolkenformation ist ja die reinste Augenweide ...... und dann noch das Märchen dazu :-)
Ich werde es gleich ausdrucken und meinen Kids als Gute-Nacht-Märchen vorlesen.
Gruss Biege
Oskar Havos 13/02/2004 0:20
das bild beeindruckt.der text erschreckt zunächst.
muss aber wohl gelesen werden.
lg
ossi
B. Ellana 12/02/2004 23:30
!!!!ungemein gut.....
auch ich werde den text erst später lesen.....
lg b.ella
Ilona B. 12/02/2004 23:04
Danke Rainer.........@ Herbert, das ist analog mit rotfiltermit einer alten Kodak Retina
lg ilona
Rainer Pe. 12/02/2004 22:54
Ja, das ist es. Eine gute Umsetzung des Themas, und das Wolkenbild ist beeindruckend.Ich gehe jetzt träumen ....
LG, Rainer