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Die letzte große Idee: Kunst in ihrer endgültigen Form

Die letzte große Idee: Kunst in ihrer endgültigen Form

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Klaus Tesching


Premium (World), hinter den sieben Bergen

Die letzte große Idee: Kunst in ihrer endgültigen Form



Es war einmal ein Künstler, der in einer Welt lebte, in der jede Idee schon gefühlt mindestens dreimal gedacht wurde – und wahrscheinlich auch dreimal zu teuer verkauft wurde. Eines Tages, beim fünften Kaffee und dem hundertsten Scroll durch die endlosen Weiten des Internets, passierte es: Ihm fiel einfach nichts mehr ein. Keine Muse weit und breit. Nur gähnende Leere. Die Leinwand war so leer wie seine Gedanken, der Skizzenblock so unberührt wie seine Karriere nach dem Kunststudium.

Doch halt! Wenn einem nichts mehr einfällt, warum nicht einfach die „Kunst“ selbst vergewaltigen? Und zwar wortwörtlich. So entstand seine geniale Idee: Er erschuf das monumentale Meisterwerk „KUNST“, ein schlichtes Wort, in riesigen, übertriebenen Buchstaben, mitten im Raum, als ob es die Antwort auf alle existenziellen Fragen wäre. Es war nicht nur Kunst – es war das Ende der Kunst! Oder zumindest so dachte er.

Die Ausstellung lief natürlich wie geschmiert. Die Kritiker – die ewigen Hüter des sinnlosen Geschwafels – überschlugen sich in ihren Rezensionen. „Ein Meilenstein!“, schrieb eine Zeitung. „Die Quintessenz des Schaffensprozesses!“, meinte ein anderer hochbegabter „Kunstkenner“, der vermutlich seit Jahren keine Kunst mehr gesehen hatte, die nicht wenigstens drei Kommas und ein paar Fremdwörter in der Beschreibung hatte.

Natürlich konnte die Welt nicht genug von dieser „bahnbrechenden“ Idee bekommen. Museen rissen sich darum, die gigantischen Buchstaben in ihre sterile Leere zu stellen, wo sie von hochnäsigen Besuchern bewundert werden konnten, die sich dabei fotografierten und kluge Sätze wie „Es zeigt, dass Kunst uns alle verführt“ in ihre Instagram-Bio schrieben.

Der Preis? Unermesslich. Natürlich. Millionen flossen, denn wenn dir nichts mehr einfällt, mach einfach einen Aufriss mit dem, was ohnehin jeder schon kennt: Das Wort „Kunst“ in seiner größenwahnsinnigen, überdimensionierten Pracht. Man munkelte, dass das Museum es sogar in einen gesicherten Raum brachte, falls jemand auf die glorreiche Idee kommen würde, Kunst zu stehlen – im wahrsten Sinne des Wortes.

„Das ist die Zukunft der Kunst“, erklärten Experten. „Mehr kann man nicht erreichen.“ Und so warteten alle in angespannter Erwartung auf die nächste große Idee. Aber sie kam nie. Denn – wie man so schön sagte – danach konnte einfach nichts mehr kommen.

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