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Fixsen talks about the street!

Fixsen talks about the street!

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Dirk Hofmann


Premium (World), Eitorf

Fixsen talks about the street!

Die Reise

Sein erstes Reiseziel war San Diego gewesen. Dort hatte der Schwager eines Schwagers sich mit einer Firma selbstständig gemacht und verdiente mit Klimaanlagen Unmengen von Geld. Fixsen hatte oft von seiner Frau zu hören bekommen, dass dieser Mann es geschafft hätte und sich alles leisten konnte, was ihm unter die Augen kam. Dessen Frau könne sich wirklich was leisten ...
Als er nach der Reise durch den ganzen Kontinent den besagten Großverdiener in San Diego ausfindig gemacht hatte, platzten alle Träume von einem Neuanfang wie eine Seifenblase. Die Firma fand nur im Kopf eines Spinners statt, der in Teilzeitbeschäftigung Fastfood Restaurants reinigte.
Fixsen begann seine Reise, die ihn mit einigen Ausnahmen durch die ganzen Staaten geführt hat. „Ich war nie in Washington State ... warum eigentlich nicht? In Alaska war ich auch nicht .... ist mir zu kalt ... und ich hätte es nie geschafft bis Hawaii zu schwimmen ...“
Den schönsten Platz, den er je gesehen hat ist Mt. Rushmore. „Wenn Du es erst einmal geschafft hast, dass sie dein Gesicht in einen Berg meißeln, dann weißt du, dass du ein wichtiger Mensch bist. Wusstest du, dass sie den Berg anstrahlen können? Das machen sie nicht für jeden ... Queen Elisabeth wurde diese Ehre zuteil ... dem Papst Johannes Paul II auch, allerdings erst bei seinem zweiten Besuch ... Für Prince Charles und Diana haben sie das Licht nicht angeknipst ... hahaha! ... Du musst dorthin ... es ist ein wunderbarer und sehr eindringlicher Ort.“
Die Rocky Mountains haben es ihm wegen ihrer klaren Luft und der gewaltigen Berge auch angetan. Bevor es ihn nach El Paso verschlagen hat, war er eine ganze Weile dort und er hat die Zeit sehr genossen. Ich wende ein, dass dies aber nicht gerade ein Ort für einen Obdachlosen sein kann, der spärlich bekleidet die Nächte im Freien verbringt. Fixsen meint, da habe ich wohl recht ... und doch sei es etwas ganz besonderes in dieser Gegend zu leben.

Die Strasse

Einmal hatte er sich dort abends in einem McDonalds aufgewärmt. In dem Moment als er auf der Toilette war, fiel im gesamten Stadtviertel der Strom aus. „Meine Jacke hing an meinem Platz ... mein Geld darin ... ich tapse im Dunkeln aus der Toilette und der Manager schiebt mich aus der Tür ins Freie. Er verschließt seinen Laden, obwohl ich ihm sage, dass ich meine Jacke haben will, weil ich draußen schlafen muss. Der Manager hört nicht und lässt mich nicht mehr hinein. Ich hatte Glück ... es war Herbst ... Eine Winternacht hätte ich vermutlich nicht überlebt. Am nächsten Morgen um sechs stand ich in meinem T-Shirt vor der Tür. Der Boss war da und ich habe ihm die Geschichte erzählt ... in den nächsten Wochen brauchte ich nichts für meine Burger zu zahlen.“

Das Leben auf der Strasse ist nicht einfach für Fixsen ... Wie die Sache mit den Cops ist, will ich wissen. „Hier in El Paso kümmern sie sich einen Dreck um uns!“ sagt er. In diesem Jahr hat es in El Paso 14 Morde gegeben, in 10 davon sind Obdachlose (meist als Opfer) involviert. Fixsen hat jede Nacht Angst. Er sieht nicht mehr gut ... ein Auge geht überhaupt nicht mehr auf und das andere ist fast blind. Er schläft alleine und hofft darauf, dass ihn kein anderer Obdachloser findet. „So wie sich an den Schulen die Kids wegen ein Paar Turnschuhen umgebracht haben, reicht es hier schon, wenn du ein wenig Geld und eine Packung Zigaretten hast. Manchmal braucht es nicht einmal die, um umgebracht zu werden ...“
Wir schweigen uns einige Sekunden lang an ... „Weißt du, die Cops machen nichts ... wir Obdachlosen verschwinden einfach und keiner schreit herum ... keine Familie will wissen, wie man gestorben ist, keine Freunde klagen an ... Wir sind einfach weg.“
Fixsen wurde einmal – schon hier in El Paso – von einem anderen Obdachlosen verfolgt. Er flüchtete sich am helllichten Tag in einen Laden und bat den Besitzer die Polizei zu rufen. Draußen vor dem Laden wartete der andere Obdachlose darauf, dass Fixsen herauskam. Auch ein vorfahrender Streifenwagen störte ihn nicht. Als Fixsen in Begleitung des Polizisten den Laden verließ und in den Wagen stieg, rief ihm der andere zu: „Sobald die Cops dich absetzen bin ich da, um dir den Hals aufzuschlitzen ...“ Der Cop setzte ihn etwa 5 Km von Laden entfernt an einer Kreuzung ab ... damit war für ihn das Geschäft erledigt.

Es gab hier einen Obdachlosen namens „Seven“. Er bekam seinen Straßennahmen, weil er sieben Fuß groß war. Einer der anderen Obdachlosen hatte Seven beleidigt und dieser hatte mehrfach lauthals angekündigt ihn dafür „kalt zu machen“. Drei Wochen vergingen und alle hatten die Sache längst vergessen, als Fixsen in einer Zeitung das Bild des Mannes sah. Seven hatte die Sache offenbar nicht vergessen. Drei Cops hatte Fixsen damals angesprochen, dass er vielleicht wüsste, wo sich Seven aufhielt, denn dieser hatte immer von einem Ort in Arizona gesprochen, wo er hinwollte. Keinen der Cops hatte es interessiert ... aber Seven hat wohl noch Freunde in der Stadt und Fixsen hat Angst, dass die ihn daran hindern wollen einen vierten Cop anzusprechen.
Deshalb schläft er auch immer alleine ... wechselt alle paar Tage seinen Schlafplatz und verrät niemanden wo der ist.

Mir allerdings zeigt er ihn, wenn ich denn will. Ich will ... und ich möchte auch gerne noch ein paar Aufnahmen mit ihm bei Tageslicht machen, wenn er gestattet. „Ja, warum auch nicht...“ sagt er. Wir treten auf die Strasse und mitten auf einer Kreuzung dreht er sich mehrmals im Kreis und kneift sein funktionierendes Auge zu. Er versucht sich zu orientieren. Endlich findet er ein Reklameschild, das er gesucht hat und schlurft in die Richtung des Lichts.
Hier und da muss ich ihn am Arm zur Seite ziehen, denn der Mann scheint mir bei Nacht völlig blind zu sein. Wir kommen an und ich bin schockiert. Nicht nur vom Müll, der überall herumliegt, sondern davon, dass dort wo Fixsen sich niederlässt eine Unzahl von Tieren – unzählige kleine Spinnen – umherwieseln und auseinanderzischen, als er sich niederlässt. Er schüttelt den Karton, auf dem er schlafen will einmal kurz und macht sich eine letzte Zigarette an. „Weißt du, wenn du noch einmal Bilder machen willst, dann musst du schnell kommen, denn ich glaube, ich ziehe bald weiter.“ Sein Lachen klingt nicht echt, als er sagt, dass dies natürlich nur unter der Voraussetzung funktioniert, dass Sevens Freunde ihn nicht vorher besuchen ...
Auf einer letzten Frage beiße ich einen Moment lang herum, wage mich aber doch sie zu stellen. Ich frage, was sich der Mann noch vom Leben erwartet. Seine Antwort kommt prompt und fällt ihm offenbar viel leichter als mir meine Frage. „Überleben!“

Ich verspreche ihm, am nächsten Tag wieder zu kommen und lasse mit gemischten Gefühlen einen ängstlichen Mann auf einem Pappkarton und unzählige kleine Spinnen zurück.
Am nächsten Tag bin ich wieder da, aber von Fixsen fehlt jede Spur. Hatten Sevens Freunde ihn gefunden? Besorgt spreche ich eine Gruppe von Obdachlosen an und beschreibe ihn. Eine Frau erinnert sich ... sie hatte Fixsen morgens noch gesehen ... aber dann hatte er einen Hitzschlag bekommen und war ins Krankenhaus eingeliefert worden. Sie weiß nicht in welches.

Tage später an derselben Ecke, dieselben Obdachlosen ... Fixsen fehlt ... Ich frage wieder.
Ja, er soll wohl aus dem Krankenhaus entlassen worden sein und sich jetzt ein wenig weiter südöstlich in der Stadt aufhalten ...

Das war bis heute trotz einiger Suchfahrten das letzte was ich von Herny Fixsen gehört habe.


--------------- ENDE? ---------------


Bild 1 der Serie:

Fixsen talks about his youth!
Fixsen talks about his youth!
Dirk Hofmann


Bild 2 der Serie:
Fixsen talks about his wife!
Fixsen talks about his wife!
Dirk Hofmann

Commenti 18

  • Antje K. 23/10/2003 1:17

    ...schluck...danke
  • Steffen Schöll 15/07/2003 1:24

    Hallo Dirk,

    ich bin vor ein paar Tagen erst auf deine Bilder gestossen und muss sagen - Alle Achtung !!! Die Bilder und die Geschichten sind sehr (wenn nicht nur) Fotojournalistisch angehaucht. In der Süddeutschen Zeitung gibt es auf der Seite 3 so etwas ähnliches, das lese ich eigtl. jedes Mal. Eindringliche Menschenschicksale und Bilder dazu. Wenn man deine Geschichten etwas umschreiben würde (nicht persönlich nehmen, ist aber durchaus Potenzial da - fesselnde Bilder + Geschichten - aber ich weiss auch wie schwierig es ist richtig gute Texte zu schreiben), bin ich der Meinung, man könnte sie ohne weiteres veröffentlichen. Einfach aus dem Grund weil du dich mit Leuten beschäftigst, die viele keines Blickes (oder höchstens eines abfälligen) würdigen. Und diese Leute mit denen du redest, haben, vielleicht auch dadurch dass sie am Rand der Gesellschaft leben, etwas zu erzählen, ja mehr sogar als viele "normale" sich vorstellen können. Und weil sie dadurch eine Stimme kriegen, solltest du auch weiterhin solche Bilder machen und vor allem die Geschichten dazu erzählen. Bilder an sich sind ganz nett, aber Reportagebilder ohne Story irgendwo ein wenig witzlos. Mit der Story gewinnt das ganze Bild (auch wenn es in sich schon ein Geschichte erzählen kann / sollte). Das Ganze entfernt sich natürlich dadurch von der reinen "künsterischen" Fotografie, aber den Gewinn den man dadurch erzielt, die Befriedigung etwas erreicht zu haben, die Mitmenschen auf Einzelne aufmerksam gemacht zu haben denen es nicht so gut geht wie uns, das sollte es einem wert sein. Es gibt sicher nur wenige die so etwas können/gut können, weil vielen sicher der Mut fehlt. Aber vielleicht hilft es ja dem einen oder anderen seine Angst zu überwinden, um ähnliche Sachen zu machen wie du. Nicht um des reinen Machens willen !!! Sondern weil es einen aufrichtig interessiert was manchen Leute durchlebt haben und man es für so spannend hält, andere Leute daran teilhaben zu lassen.

    So, ich glaube soviel habe ich nie hier in der FC geschrieben ;). Aber das musste ich einfach mal sagen. Ich denke man merkt auch, dass ich die Reportage sehr interessant finde, aber einfach "noch nicht soweit bin" um solche Themen in Angriff zu nehmen. Deswegen, nochmals, Respekt, und auf viele gute Bilder+Stories von dir.

    Gruss,

    Steffen.
  • Marita K. 14/07/2003 23:11

    Dirk, ich bin auch dafür, dass du diese Bilder und die Geschichten dazu in ein Buch packst. Ich ordere hiermit das erste Exemplar :-))))))

    LG Marita
  • Jutta Schär 14/07/2003 20:20

    so etwas habe ich bisher noch nicht gesehen, in Kombination mit dem Bericht einmalig..... du mußt an einem Buch arbeiten, anders kann es gar nicht sein..... ich bewundere deine Arbeit und wollt ich hätte nur ein wenig Talent solche Lebensberichte zu schreiben...
    lg jutta
  • Sylvia Mancini 14/07/2003 18:42

    bewegend...danke!
  • Ulrich Geisler 14/07/2003 17:34

    Kann erst später etwas dazu schreiben. Tschuldige
    Lg Uli
  • Kai Rickert 14/07/2003 14:57

    Es macht wirklich sprachlos....danke, daß du dir die Mühe machst, dich so ausführlich mit deinen Modellen zu beschäftigen! Mal abgesehen von den erstklassigen Fotos genieße ich diese Gründlichkeit, auch wenn es immer wieder ein Anlauf ist sich die langen Texte durchzulesen, das Resultat ist wirklich einzigartig und hebt sich angenehm von der üblichen Kuriositätenknipserei ab!

  • Ilona B. 14/07/2003 13:36

    klasse Geschichte tolles Foto.
    Stimmt mich sehr nachdenklich.
    Ich hoffe sein einziger Wunsch geht in erfüllung !!!!!!!!
    Lg ilona
  • Schimaere Zyklothyme 14/07/2003 13:35

    welch lebensgeschichte... danke fuer diesen einblick...
  • Barbara Langer 14/07/2003 13:07

    mir ist etwas zum heulen zumute und wäre deshalb sicher für solche art reportagen ungeeignet.
    vor allem auch der text ist stilistisch sehr eindrucksvoll und macht den mann irgendwie unsterblich

    barbara
  • Thomas Meyer 14/07/2003 12:57

    Wow.
  • Thomas Meyer 14/07/2003 12:57

    Wow.
  • Wurzn Sepp 14/07/2003 12:28

    *diehändereib* deal?

    ;) wurznsepp
  • Katrin Ze. 14/07/2003 12:28

    irre...wünsch ihm alles Gute und das er vorallem überlebt was sein einziger Wunsch ist.Nicht vorzustellen!
  • Hildegard S. 14/07/2003 11:42

    Ich krieg hier gerade eine Gänesehaut :-/