Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Fotografischer Monolog 47

Januar 2012 Hamburg Hbf






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Fotografischer Monolog 47

Nachdem Rebecca Tauber aus Itzehoe ein Schweinegeschnetzeltes mit Kartoffeltalern bei Schweinske im Hauptbahnhof verdrückt hatte, trug sie den innersten Wunsch in sich auf dem Bahnhofsklo ein erotisches Unglück fern ab jeglicher Erotik zu erleben.

Manchmal überfiel sie so ein Gedanke und sie schämte sich dafür abgrundtief. Sie griff zum Smartphone und rief elementar erschrocken ihren Ehemann Bert an.

„Hase, der Schmorbraten liegt zum Auftauen auf der Arbeitsplatte!“

Arbeitsplatte? Sie schämte sich schon wieder ob ihrer ordinären Sprache. Bert war ein so verständnisvoller Mann und sie dachte nur an das Unschöne und Kalte in der Welt, was sie selbst erleben wollte. Getrieben von diesem Schlechten in sich, lief sie wie besessen die Treppe hinab und stellte sich vor dem alt ehrwürdigen Blumen – Petzoldt in Positur. Sie öffnete den Mantel und stemmte die Hände in die Hüften, wie einst Margot Honecker, als die kleene aufstrebende Parteipflanze den ollen Wilhelm Pieck so beeindrucken wollte. Von zwei älteren Herren erntete sie prompt auch sehr abschätzige Blicke. Rebecca Tauber lief es eiskalt den Rücken herunter.

Eine betagte Blumenverkäuferin kam aus dem Geschäft heraus und forderte die junge Frau auf, sofort zu verschwinden. Frau Tauber setzte sich an den Biertresen der Wandelhalle, obwohl sie ein dringendes Bedürfnis verspürte. Aber vor der Bahnhofstoilette war ihre Angst enorm gewachsen. Sie sprach einen jungen Russen an. Ihr Mann war noch mal am Telefon, weil er eine handwerkliche Frage zur Schmorbratenverarbeitung hatte.

Rebecca Tauber gilt seit dem als vermisst. Sie ist 40 Jahre alt, mittelgroß und schlank. Zuletzt trug sie die leicht gelockten Haare wangenlang und gesträhnt blond und Straßenköter. Sie kleidete ein beiger Trenchcoat, eine weinrote Jeans, eine hellgrün – violett gestreifte Bluse, zwei Perlenohrstecker und eine silberne Herzkette. Gerne bevorzugte sie auch Wanderschuhe leichterer Art mit kräftigem Profil. Ob sie an diesem frühen Abend solche Schuhe anhatte, konnte ihr Mann nicht mehr genau sagen. Ferner vermutete er aber, dass sie mit Simpsonsunterwäsche das heimatliche Haus in Itzehoe verlassen hatte, bei der die Farben gelb und schwarz vorherrschten.

Laut den Angaben ihres Mannes bevorzugt Frau Tauber die Apfelsorte Cox Orange und Jahrgangssekt von Bad Cannstatt. Sachdienliche Hinweise sind gestattet und zum Teil sogar erwünscht.

Bert Tauber hat allerdings letzten Freitag aus lauter Verzweiflung seiner flüchtigen Bekannten Luise Paulsen (39) ein Kind gemacht.

6. Januar 2012



Fotografischer Monolog 46
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Fotografischer Monolog 45
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