Hermannplatz 03
Der Hermannplatz.
Hier prallen die Bezirke Neukölln und Kreuzberg, unterschiedlichste Kulturen und Formen der Mobilität aufeinander. Es ist kein Platz zum Verweilen, kein Ort zum Flanieren, wer hier her kommt, will meist woanders hin.
Oben duellieren sich Autofahrer, Radler und Fußgänger, unten bieten die U Bahnlinien 7 und 8 Fluchtmöglichkeiten, oder spucken Arbeiter Partyvolk und mutige Touristen aus. Flankiert vom Karstadtgebäude, dessen Türme den Endsiegphantasien der SS im Strassenkampf zum Opfer fielen, wird unter der Woche nebst Obst und Gemüse, allerlei Restpostengeschrammel angeboten. Wer seinen kulinarischen Bedarf mit Grillhähnchen, Tapas, Nudelboxen, einem Super Döner, oder Backfisch nicht gedeckt sieht, verliert sich vielleicht gegenüber in einem schmuddeligen MC Don, oder versorgt sich nebenan mit Donuts einer bekannten Ladenkette. Im Cafe Süß, und auf der Busspur davor, steht morgens die Polizei zur Frühstückpause Schlange um die begehrten Croissants an. Die Tanke nebenan, über die sich der Fußweg bequem, um 20 Meter abkürzen ließ, so lange man nicht den Fehler gemacht hat, sich kurz vorher eine Kippe anzuzünden, ist seit ein paar Jahren geschlossen und verrammelt. Manchmal bietet sie Obdachlosen einen Unterschlupf, bis der Wachdienst sie wieder vertreibt. Der wunderbare „Karneval der Kulturen“ startete früher von hier, und auch zahlreiche Demos nehmen hier ihren Anfang. Einmal im Jahr laufen die Teilnehmer des Berlin Marathons hier an Absperrgittern entlang. Bananen gabs am Kotti, und bald ist die halbe Strecke geschafft. Nicht unweit rekrutierte Turnvater Jahn seine Truppen in der Hasenheide, und wird dafür mit einem, gern immer wieder um interessante Assessoires bereicherten Denkmal beehrt. Neben der „Neuen Welt“ haben sich die Hindus, in jahrelanger Arbeit einen imposanten Tempel gebaut. Unermüdlich kämpfen sich Dezibel starke Krankenwagen durch den Stau, um dem Urban Krankenhaus neue Kunden zu liefern. Die Busfahrer müssen auch erst einmal die Falschparker weghupen, bevor sie ihr neckisches Kaffeepausenschild einschalten können. Nachts ist es hier vergleichsweise leer – die Party startet um die Ecke, in der Weserstrasse. Hier ist nur der Durchlauferhitzer der Stadt, der Verteilerkasten der Hoffnungen, Wünsche, Sehnsüchte, und Nöte.
Seinen Namen hat der Platz vom Hermann, dem Cherusker. Man ahnt, auch hier hätte Varus auch auf verlorenem Posten gestanden. Die Römische Armee war zu diszipliniert, sie wären die Einzigen gewesen, die an den roten Ampeln stehen geblieben wären, und dort hinterrrücks von der Kavallerie der E-Scooter niedergemäht worden.
Als Motivation gegen Uploadmüdigkeit, habe ich mich entschlossen, mich mal auf einen Ort zu konzentrieren, und eine kleine Serie zu starten. Da wird viel banales dabei sein – spektakulär ist hier nix. Mal schauen, wie lange ich das zeitlich schaffe, und ob es mir nicht bald schon wieder langweilig wird. Immerhin ist es auch ein Ansporn, mich nun dort öfter mit der Kamera hin zu bewegen.
Max Stockhaus² 06/09/2023 10:45
Die Adidasschlappen waren mal wieder die schnellsten:)Bernadette O. 28/08/2021 15:20
Eine scheinbar banale Szene, aber für mein Auge durchaus interessant.The Great Potoo 13/08/2021 18:53
Vielen Dank euch für die ausführlichen Kommentare, spannend zu lesen, wie so ein Bild auf euch wirkt. Bin sehr überrascht, und tatsächlich dankbar.Ich selber tue mich damit oft schwer, zu beschreiben, was ich mag, oder warum ich mich gerade dafür entschieden habe, ein bestimmtes Bild hoch zu laden. Das geschieht rein intuitiv. Jetzt hab ich mal einen versuch gestartet. Ich habe gemerkt, dass ich auch sehr träge geworden bin, hier Bilder einzustellen.
Ich hab offenbar Probleme, mich zu entscheiden, was ich zeigen mag. Erscheint mir meist alles zu belanglos.
Da ich meinen Rechner in Rente schicken musste, habe ich die letzten beiden Wochen auch viele Fotos sortieren müssen. Das hat mich getriggert, mich mal auf einen Ort zu konzentrieren. Der Kotti erschien mir zu "verbraucht", also ist es der Hermannplatz geworden. Ich stelle jetzt jeden Tag ein Foto ein, das dort, oder im näheren Umfeld, entstanden ist. Mal schauen, was dabei rum kommt, oder wie lange ich das durchhalte. Die Bilder sind sicher auch stilistisch sehr unterschiedlich. Keine Ahnung, ob das sinnvoll ist, aber vielleicht eine Möglichkeit sich zu zentrieren. Ausserdem schafft das ja auch einen Anreiz, nun öfter los zu ziehen, und neues Material zu erstellen. Mal sehen, ob das Motivation schafft.Wird auch sicher ein Problem mit dem Zeitmanagement geben, aber mal sehen, Versuch macht Kluch.
Hier mochte ich wohl die Enge. Hatte da ich ein anderes Bild, wo es nur die Autos sind, die sich gegenseitig blockieren. Dies gefiel mir besser, mit den unterschiedlichen Menschen.
Vielen lieben Dank an euch fürs Betrachten, und die Kritik.
Photomann Der 13/08/2021 17:28
:-(..Michael Farnschläder 13/08/2021 14:08
Quengelmengelschnippeltrippelfelixfoto01 13/08/2021 9:37
Sorry, aber das hier ist nicht Dein stärkstes Bild, ich halte es nicht mal für ein starkes Bild:Es knubbelt sich viel in der Mitte, der Fuß rechts lenkt mich eher ab und die Schrift "Miles" und "Karstadt" zieht immer wieder meinen Blick an sich. Du kannst es besser.
oilhillpitter 13/08/2021 7:48
Starkes Street.VG Pitter
ShivaK 13/08/2021 7:06
Das ist für meinen Blick Street 2021 vom Feinsten ... die Auswahl der Figuren, ihre Beziehungslosigkeit zueinander (selbst bei den Kindern im Wagen), das Unerwartete (der Blumenstrauß in der Hand des Herrn im Jogginganzug, der Anzugträger mittendrin), dazu die Enge und das Verkehrschaos ... auf den Punkt (noch mit der hetzenden Gestalt rechts). Das darf ich mir entführen.