Herr von Nöten meint …
es ist wieder soweit …
Frau Missi will …
wie jedes Jahr …
nach Paris verreisen …
Sie trägt ihre weißen Ohrringe …
wie jedes Jahr …
für den Sitzplatz im Café im Pariser Künstlerviertel Montparnasse …
Tisch 4 am Eck …
nur die Haare sind in den letzten Jahren heller geworden …
ob er sie wieder erkennen wir ?
ob er in diesem Jahr ihre Verabredung …
von 1968 schafft ?
er hat immer so viel zu tun …
er schreibt …
meist nur für sich …
sagte er damals …
seine Bücher scheinen schnell verkauft …
sie hat niemals ein Buch …
vom ihm …
in einem Buchladen gefunden …
Frau Missi fährt mit der Eisenbahn …
morgen früh …
Gleis 4 …
bis …
Rue du 8 Mai 1945 , 75010 Paris Est , Frankreich …
an der Fahrkarte ist …
ein vergilbter Zettel geheftet …
wie jedes Jahr …
mit einer Büroklammer …
darauf in kunstvollen Schwüngen geschrieben
… der Buchtitel von 1968 …
er hatte den Buchtitel in ihren Augen gelesen …
damals …
im Café in Montparnasse …
an Tisch 4 am Eck …
mit dem stumpfen Bleistift aus seiner Hemdtasche …
mit den dunklen Kohleflecken im Leinenstoff seines Hemdes mit den aufgewickelten Ärmeln …
seine langen dunklen Haare vielen ihm damals ins Gesicht …
und sie ahnte die Freude in seinen Augen …
als er für sie schrieb …
was er in ihren Augen gelesen …
Pas de retrouvailles à Paris …
…
Frau Missi trägt ihre weißen Ohrringe …
Herr von Nöten schaut aus dem Küchenfenster …
dominika.perz 09/01/2022 18:36
wundervolle Zeilen...da muss ich doch glatt an einen Film denken- die große Liebe meines Lebens-von 1957 mit Cary Grant.Der Blick der Dame mit den weißen Ohrringen ist sehr fesselnd.
Wunderbar!
Ich danke dir für dieses Vergnügen, lieber Goldfisch.
Einen schönen Sonntagsabend wünsche ich dir, LG Dominika
Maud Morell 06/01/2022 13:23
Ein wunderschönes Bild und so eine schöne Geschichte.LG von mir Maud
anatolisches Glühwürmchen 05/01/2022 23:18
In Frau Missis Gesichtszüge hat sich über die Jahre des vergeblichen Wartens und Hoffens ein feiner Zug von Bitterkeit gelegt. Wie bei so vielen, die die Liebe um der Liebe willen nicht aufgeben wollen.(Ich zieh den Hut vor Deinen Betrachtungen über menschliche Gefühlslandschaften beim Blick aus dem Küchenfenster und vor Deinen Zeichenkünsten!)
Herzlichst, Ana
lilabigblue 05/01/2022 18:59
...ein bisschen Frau Missi sollte jeder von uns habenlg
GrauTag 05/01/2022 16:54
...mit den Jahren wird Vergangenes immer mehr zuGegenwärtigem...-
Ich mag diese belebte, stille Art sehr.
LG Volker
artlove 05/01/2022 13:12
...wie eine schemenhafte Erinnerung an einen zauberhaften Moment....LG HelmaUAW 05/01/2022 12:34
Eine Geschichte voller Nostalgie und Träumerei.Vielleicht liegt in der ständig neuen positiven Erwartung auf Erfüllung das Wesentliche, das die Vorfreude und Hoffnung niemals versiegen lässt.
Liebe Grüße
Ute
H.-Jürgen Kühne 05/01/2022 12:06
eine zauberschöne bildhaft erzählte Geschichte, wenn es das Buch nicht schon gäbe wäre es endlich Zeit dafür.LG Jürgen
Marion Jäger 05/01/2022 11:20
Ganz wunderbar. Mir geht es wie Thomas Heinick.Caroluspiel 05/01/2022 10:04
also: auf nach Paris.ciao Philipp
Thomas Heinick 05/01/2022 8:33
Poetische Nostalgie in Wort und Bild. Dein Gesamtkunstwerk versüßt mir den Tag und weckt natürlich den Wunsch in mir, standesgemäß wie beim letzten Mal, mit dem Zug nach Paris zu reisen. Meine Verabredung würde ich gern gleich mitnehmen, wie auch bei der letzten Parisreise.Herzliche Mittwochsgrüße
Thomas
Joachim Aniol 05/01/2022 8:30
Was Männer so alles anrichten können. Die arme Frau Missi.Porträt und Geschichte harmonieren bestens.
Georg2020 05/01/2022 5:47
Also, ich würde bei Frau Missi erst mal einen Realitätscheck machen, dann die Orientierung überprüfen und gegebenenfalls ein internistisches / neurologisches Konsil veranlassen, den Kontakt zu Angehörigen überprüfen und ihr eine warme Suppe von der Bahnhofsmission bringen.Dann, aber erst dann, würde ich ihr vielleicht, ganz freundlich und zugewandt, aber flüsternd und unauffällig, die Empfehlung aussprechen, statt nach Paris erst mal zum Friseur zu gehen.
Heute nix Poesie.
So.
( ... ;-) .... )