In den Brombeeren: Australische Gespenstschrecke
Während des Schneidens einer Brombeer-Hecke fand eine Kollegin unserer Naturschutzbehörde vier adulte Weibchen der Australischen Gespenstschrecke Extatosoma tiaratum. Während die Identifikation schnell gelang, bleibt die Herkunft ungeklärt. Sicher ist allein, dass sie ausgesetzt wurden. Und wie viele es insgesamt waren oder sind, wissen wir auch nicht.
In meiner Vorstellung spielte sich das so ab: Ein Terrarianer hat eine Gespenstschrecke bekommen, sie fleißig mit Brombeerblättern gefüttert und sich an ihr erfreut. Irgendwann tauchten im Terrarium aber plötzlich kleine Jungtiere auf, sehr zur Verwunderung des Terrarianers vor allem deshalb, weil er ja nur ein Tier gehalten hat. Nun wurde er aufgeschreckt, hat sich gefragt, wie das wohl kommen könne, derweil ihm die Tiere alle angebotenen Blätter in Windeseile wegfraßen. In seiner Panik hat er sein Terrarium genommen und in der nächsten Brombeer-Hecke ausgekippt.
Wahrscheinlich ist es so nicht gewesen, denn die Eier liegen lange im Terrarium, bevor sich dort etwas regt. I.d.R. benötigen die Embryonen mindestens 5 Monate zur Entwicklung im Ei, es kann auch ein Jahr vergehen, selten 18 Monate. Da es aber meistens viele Eier sind, die das Weibchen abwirft, kann man sie eigentlich nicht übersehen.
Das im Studio fotografierte Exemplar ist mit den beiden anderen eingefangenen Tieren mittlerweile bei der 11jährigen Greta in Pflege und in guten Händen; sie hat es sogar geschafft, ein am Hinterleib verletztes Tier zu bandagieren.
Auf der Homepage der Phasmid Study Group steht in der Spalte „Vermehrung“ der Hinweis, dass sie sich sexuell vermehrt. Das ist grundsätzlich natürlich richtig, aber eben nur die halbe Wahrheit, denn sie kann sich durchaus eingeschlechtlich, also parthenogenetisch vermehren, also unbefruchtete Eier legen, aus denen sich wiederum Weibchen entwickeln.
In der Behörde haben wir diskutiert, ob die Tiere hier kurz vor der Ostseeküste überlebensfähig wären. Für die Individuen während des Sommers und eines milden Herbstes kann man das wohl annehmen. Da sie in den tropischen und subtropischen Gebieten Australiens beheimatet ist, dürfte es für sie hierzulande schwierig werden, freilands durch den Winter zu kommen. Sie ist nun aber eine der am längstens in Zucht befindlichen Gespenstschrecken, daher lässt es sich schwer abschätzen, wie weit eine Adaptation an das mitteleuropäische Klima inzwischen gegangen ist. Angenommen, die Eier fallen in einem dichten Brombeer-Gebüsch an eine geschützte Stelle und die Winter bleiben mild oder werden noch milder, dann würden wir nicht ausschließen, dass das ein oder andere Ei auch das übersteht. Sollte z.B. in den Genen eine Mutation dabei sein, die eine gewisse Frosttoleranz vermittelt, die zwar in Australien völlig „wertlos“ wäre und nie auffallen würde, könnte sie hier jedoch plötzlich einen entscheidenden Vorteil erlangen und positiv ausselektiert werden. Bei einer parthenogenetischen Fortpflanzung würden dann diese Gene an die Nachkommen weitergeben werden, so dass schließlich eine ganze Population kältetoleranter Gespenstschrecken entstünde.
Es kann aber auch sein, dass genau das schon geschehen ist …
Rudolf52 19/08/2022 10:16
Wahnsinn , sehr gute geschichte und sehr gute Aufnahme. Naja, das es bald solche Schrecken hier geben wird davon bin ich überzeugt. Es gibt ja genug Terrarianer die mit ihren Tieren nichts anfangen können wenn die Anzahl ansteigt, die Tiere größer werden oder sie umziehen müssen.Gruß Rudolf
MinnaS. aus W. 19/08/2022 5:58
abgesehen, dass das Foto der Hammer ist :-D :-D :-D, mag ich den Teiil deiner Geschichte mit Greta am liebsten :-))))))!!