In unserer Straße ...

In unserer Straße ...

... hatte er es angebunden.
Also nicht direkt angebunden sondern nur angelehnt. Anbinden hatte er nicht nötig, niemand würde es ihm stehlen, aber gar nie nicht, ihm, dem Bike-Mike, dem King of the Road von Moosach. Da stand es nun in der gleißenden Sonne der Mittagshitze und harrte seiner.
Langsam ging er auf es zu, bedächtig, sich seiner Würde und Wirkung wohlbewußt. Er wußte genau, daß man ihn aus zahlreichen Fenstern der umstehenden Häuser beobachtete, von hinter Hecken verstohlen und angstvoll vervorlugte und sich was zuflüsterte. So in der Richtung "Da kommt er!" oder "Mei!" oder "Jessas!" Er genoß diesen Moment täglich. Er hatte seine Augen geschossen bis auf einen Schlitz. Das war cool, hatte er in "Spiel mir das Lied vom Tod" gesehen, als seine Eltern mal wieder weg waren und er sehen konnte, was er wollte.. Er trat an den Pfosten, klebte zu späteren Verwendung seinen Kaugummi dran, öffnete den Schlitz und strullte in kräftigem Strahl daran. "Scheiß Eckläufer, die sind war für Weicheiers!" preßte er zwischen Zähnen hervor. Er wußte ganz genau,
der Pfosten
würde rosten
und eines Tages umfallen. Ja, ganz gewiß, und wenn es Jahre dauern sollte. Er hatte Zeit und trank seit langem vor allem sauren Sprudel, um seinen täglichen Taten noch mehr Biß und Säure zu verleihen.
Nach getaner Tat verstaute seine Tools, knöpfte den Schlitz wieder zu, nahm den Kaugummi ab, schwang sich auf sein Bike und sauste, haste was kannste, die fuffzisch Meter nach Hause. Bald hörte man aus dem Küchenfenster "Mamma, ich hab Huuunger!"
Hinter den Büschen hörte man ein Raunen und anerkenndes Murmeln, Erleichterung machte sich breit, schnell rannten alle zum Pfosten, eine kollektive Erleichterung fand statt, und man rief im Chor:
"Wir schaffen das!"