Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Karl Freitag

Eines Tages kam ein junger Mann zu mir in einem Muscle Shirt und prallen Armen, gefüllt mit viel Liebe und Fleisch. Er fragte mich nach dem Wasser. Denn er wollte zum Wasser. Ich sagte ihm: Da hinten am Hafen, da ist das Wasser. Da sind die Schiffe und dahinter ist das Meer.

Vorher wollte er aber noch mit mir sein Brot teilen. Er teilte das Brot und gab mir davon. Seine langen Surferhaare verdeckten sein sonnengegerbtes Gesicht. Dann nahm er meine Hand und ließ sich zum Wasser begleiten. Am Kai mussten wir uns verabschieden. Wir küssten uns wie Brüder. Wir ließen uns von vorbeischlendernden Mädchen mit ihren kleinen Digitalkameras fotografieren. Wir trugen unsere Predigten in ihre PoesieApps ihrer Smartphone ein. Wir malten ihnen Herzen und Kreuze auf die Wangen. Und wir schenkten ihnen unsere Locken. Sie verehrten uns wie Götzen.

Zum Abschied fragte mich der junge Mann: Wie heißt Du? Wer bist Du?

Ich sagte ihm, dass ich Matthäus sei und im Auftrag arbeiten würde. Dann fragte ich ihn nach seinem Namen.

Ich bin Karl Freitag!, sagte der junge Mann.

Dann ging er ins Wasser um zu sterben. Die Tanzmusik verstummte. Ich kehrte wieder heim ohne ein weiteres Wort.




29.3.2013

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