KZ-Gedenkstätte Dokumentationszentrum Hinzert
Dokumentationszentrum und Begegnungsstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert 2005
Architektur: Wandel Hoefer Lorch + Hirsch, Saarbrücken
Tragwerk: Schweitzer GmbH, Beratende Ingenieure, Saarbrücken
Umfeld: BGHplan Bielefeld Gillich und Heckel Landschaftsarchitekten
Rohe Skulptur - Multimediashowroom
Das SS-Konzentrationslager Hinzert bestand 1938-1945. Zweck war die "Umerziehung" und "Disziplinierung" politischer Häftlinge. Systematische Ermordung und Folter sind verantwortlich für den Tod von 321 Menschen. Das Mahnmal der Gedenkstätte, geschaffen vom Künstler und ehemaligen Häftling Lucien Wercollier, wurde 1986 eingeweiht. Außer dem umgebenden Ehrenfriedhof erinnerte nichts an die hier verübten Verbrechen. Der 1989 privat gegründete Förderverein Dokumentations- und Begegnungsstätte ehemaliges KZ Hinzert e. V. lieferte die Grundlage für das Erinnerungs-Konzept der Landeszentrale für politische Bildung. So wurden ab 1994 die heimlichen Massengräber, die "Stätten der Unmenschlichkeit", dokumentiert und beschildert. Nach einem Landtagsbeschluss (RP) 2002 sollte neben dem ehemaligen KZ-Gelände eine Begegnungsstätte errichtet werden. Den Wettbewerb gewann 2003 das Architekturbüro Wandel Hoefer Lorch. Die Eröffnung des neuen Dokumentations- und Begegnungshauses fand am 10. Dezember 2005 statt. Dokumentieren ist nur eine der Funktionen der neuen Einrichtung. Hier wird vor allem pädagogische Arbeit geleistet. Geschichte soll anschaulich vermittelt werden in Text, Bild, Film und Exponat.
Die äußere Erscheinung ist skulptural. Ein rostender, zerknitterter Baukörper scheint aus dem Boden zu wachsen. Die grobe, dreieckig tesselierte Cortenstahl-Haut ist sowohl Dach als auch Wand. Die einzelnen Fassadenabschnitte besitzen Fluchten, werden jedoch durch die deformierte Faltung im Detail aufgehoben. An der Südseite erreicht das Gebäude seine größte Höhe mit über 6 Metern, während sich der Nordteil gerade noch mit Menschengröße aus dem ansteigenden Terrain erhebt. Ein großes Panoramafenster, unterteilt mit rautenförmigen Sprossen, bildet den "Kopf", der zum ehemaligen Lagergelände gerichtet ist. An der Längsseite sind kleine dreieckige Glasfenster zur Belichtung angeordnet. Sie fügen sich flächenbündig mit geklebten Stufenglasprofilen in die Fassade ein. Daneben, etwa mittig in der Längsseite befindet sich der Haupteingang. Die große Flügeltür ist nur durch ihre Fugen in der Fassade erkennbar. Eine Entsprechung findet sich mit der Fluchttür an der Rückseite, die sich ebenfalls versucht, in der Fassade zu verstecken. Durch Sandstrahlen und Bewässern des Stahles wurde ein gleichmäßiges Rosten in Gang gesetzt. Durch eine darauf folgende Behandlung mit Paraffin wurde die Oberfläche veredelt. Das Besondere statt dem Allgemeinen ist auch in der Konstruktion zu finden. Die Stahlhaut bildet in Verbindung mit innenliegenden Spanten das Tragwerk. Ausgesteift wird das Ganze durch die Scheibenwirkung der vorgefertigten Elemente.
Betritt man den Innenraum, bietet sich ein gänzlich unerwartetes Bild. Ein freundlich gestimmter, heller Raum steht im Gegensatz zur Atmosphäre im Außenraum. Glatte Flächen, Multimedia-Projektoren und Bildschirme erzeugen "Showroom-Atmosphäre", die eines Messestands würdig wäre. Sitznische und Stühle laden zum Verweilen ein. Eine große rahmenlose Automatik-Glastür bietet Zugang zum Seminarbereich und Schließfächern. Bedruckte Holzpaneele aus hellem Birkensperrholz bekleiden die Wand- und Deckenflächen. Sie sind nach der gleichen Methode in Dreiecke unterteilt wie die stählerne Außenhülle, liegen jedoch in ebenen Flächen. Die Deformation als Thema bildet sich dadurch nicht im Innern ab und das Fugenraster erscheint mehr als dekoratives Element, denn als konstruktionsbedingt. Während sich die Beleuchtung noch mit unkonventionellen Details gut in das Liniennetz einfügen lässt, werden die schrägen Fugen beim Bedrucken mit Bild und Text zum Problem: Bilder werden teilweise nurmehr in "Splittern" wiedergegeben, während der Text hilflos mal bündig zum Grid verläuft, mal von breiten Lüftungsfugen unkenntlich gemacht wird. Bildschirme sind vollkommen bezugslos in das Fugennetz eingesetzt und zerschneiden ihrerseits sämtliche umgebende Paneele. Spätestens hier merkt selbst der Laie, dass da etwas "nicht passt". Dass das von einem Projektor in die Raummitte projizierte Bild mit "Einführenden Informationen" im Tageslicht nicht gelesen werden kann, lässt den Besucher nur den Kopf schütteln. Das im Entwurf besonders hervorgehobene Panoramafenster mit aufgedrucktem Foto des Lagers erschließt sich dem Betrachter ebenso wenig wie die großformatige Überlagerung von Motiven an den Wänden. Das Auge kann sie schlichtweg nicht erkennen. Dass das besagte Fenster nun auch noch mit massiver Undichtigkeit den Dienst versagt, scheint nur zu gut ins Bild zu passen. So bleibt dem Interessierten nur der Blick in die amateurhaft gestaltete Broschüre des Hauses, um mit dem darin befindlichen "Touristenführer" die nächsten "Attraktionen" der Region, die "Stätten der Unmenschlichkeit", abzuklappern.
So eindrücklich und gewinnend (z.B. Stahlbaupreis 2006) die Konstruktion und die äußere Form sind, so problembeladen zeigt sich die funktionale Umsetzung der "Begegnungsstätte" im Innenraum. Rohe Landschafts-Skulptur und multimedialer Showroom fügen sich nur mit Kompromissen zu einem Ganzen.
Christian Köhler 02.2009
Michael-Hans Schäfer 09/03/2009 8:19
Diese Aufnahme sie irgendwie surrealistisch aus, so als ob das Gebäude nicht dorthin gehören sollte, wie auch das KZ dort wie nirgendwo hingehören sollte.LG Micha