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Madre - Mother - Mutter

Madre - Mother - Mutter

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Dirk Hofmann


Premium (World), Eitorf

Madre - Mother - Mutter

Mit der Zeit gewöhnen sich die sonst so fotoscheuen Tarahumara an mich.

Romayne empfiehlt nichts desto trotz eine lange Brennweite, da sie sich so weniger "belästigt" fühlen.

Nicht ganz so einfach, weil ich mir selbst zum Credo gemacht habe, immer so nahe als möglich heranzukommen und es in meinen Augen darüber hinaus mit jedem "Millimeter Brennweite" schwieriger wird, auf dem Bild die Beziehung zwischen Motiv und Fotografen spürbar werden zu lassen.

Die obige Aufnahme entstand am Rande eines kleinen Festes, das man nicht zuletzt uns zur Liebe veranstaltet hat. Unsere mexikanische Begleiterin hat nicht unerheblich dazu beigetragen, indem sie ihren Wunsch zu tanzen zum Ausdruck brachte.

Unkompliziert wie die Tarahumara sind, wurde sofort ein Grund gefunden, diesem Gedanken nachzukommen: Der "Ortsvorsteher" legte vor seiner Hütte ein Feld an und von den umliegenden Bergen stießen etwa 15 Familien mit Kind und Kegel zu uns, um zu helfen. Die Frauen richteten die Nahrung - überwiegend Maisfladen und Bohnen, während die Männer arbeiteten und danach ein Bier ansetzten.

Man bat uns, am Fest teilzunehmen, allerdings mit dem Hinweis die Kameras bitte zurück zu lassen. Selbstverständlich respektiert man als Gast diesen Wunsch.

Mir fiel zu mehreren Gelegenheiten die strenge Gruppenbildung bei den Tarahumara auf. Männer, Frauen, Kinder ... jede Gruppe fast ohne Kontakt zu der anderen ... So verbrachte ich einige Zeit mit den Männern - rauchend und mit Händen und Füßen kommunizierend. Ich hatte schon zu Beginn der Veranstaltung einen kritischen Blick auf das zubereitete Bier geworfen, liest man doch überall, dass der Indianer den Alkohol im Körper nicht so gut abbaut, wie unsereins. Das Bier selbst wurde in großen Tonkrügen gelagert und zur Verteilung in einem etwa 15 Liter fassenden Plastikeimer herumgetragen.
Als mir vom "Bürgermeister" die gefüllte Tasse entgegengereicht wird ist deutlich eine gewisse Spannung in der Gruppe zu merken. Ich persönlich denke, dass es sich hier um einen entscheidenden Moment gehandelt hat. Alle Männer haben vorher nacheinander aus derselben Plastiktasse getrunken, die inzwischen schon deutliche Spuren eines ständigen Gebrauchs aufweist.
Natürlich nehme ich den Becher, der fast bis zum Rand mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllt ist. In der Hoffnung, die Rituale zuvor richtig beobachtet zu haben, gehe ich zurück zum Plastikeimer und schütte einen Teil des Biers hinein (nur ältere Männer hatten direkt aus dem Becher getrunken, die jüngeren hatten einen Teil des Biers wieder in den Eimer gegossen). Ich interpretiere diese Geste derart, dass man "soooo viel" aus dem gemeinsamen Topf nicht verdient hat und zwar die Großzügigkeit der Gastgeber zu schätzen weiß, aber bescheiden nur einen Teil davon in Anspruch nimmt.
Als ich danach den Becher in einem Zug leere ist es, als hätte man einen guten Witz erzählt. Die vorher spürbare Spannung löst sich, mir wird die Schulter geklopft und gleich der nächste Becher Bier aufgedrängt - ich bin willkommen ...

Das Bier selbst schmeckt wie ein "Hefe-Sekt" ... deutlich schmeckt man die Gärstoffe, aber auch ein leichtes Prickeln ... eigentlich gar nicht schlecht (und besser als Küppers Kölsch ... hehe). Allerdings hat man es diesmal recht gut gemeint und ich befürchte, dass ich das Gebräu genausowenig wie die Indianer verkraften werde, was mich dazu bringt nach dem zweiten Becher aufzuhören.

Meine Freunde allerdings ziehen sich eins nach dem anderen. Reste wären dem Gastgeber gegenüber unhöflich und zudem müssten sie weggeschüttet werden, was Gott Onoruame ganz sicher nicht gefallen würde.

Ich gehe inzwischen wieder zu meinen Damen, die sich ein wenig abseits der Frauengruppe aufhalten und rauche eine Zigarette bei ihnen.

Nach einiger Zeit kommt der "Ortsvorsteher" zu uns herüber und beginnt mit unserer spanischen Begleiterin zu sprechen. Ich merke, dass ich Thema bin und hoffe innigst, dass ich mich nicht unbewußt falsch verhalten habe. Sie reden eine Unendlichkeit miteinander ...

Lächelnd dreht sich unsere Begleiterin um: Ich solle doch bitte eine meiner Kameras holen und die Tänzer fotografieren. Nur eine Kamera - nur ein Bild.

Eine höchst bemerkenswerte Geste, wie ich meine, aber zur allgemeinen Überraschung lehne ich sofort mit dem Hinweis auf das Respektieren des Wunsches einiger der Gäste ab. Der "Ortsvorsteher" und ich sehen uns einen Moment lang in die Augen ... Er lächelt mich an und nickt kurz. Er weiss meine dankbare Ablehnung zu schätzen. Deutsche Stimme aus dem Hintergrund: "Hol`Deine Kamara, mach schon ... oder ich hol`meine ..."
Der Ortsvorsteher läßt mir noch einmal ausrichten, dass es in Ordnung sei, ich solle die Kamera holen.

Lächelnd gehe ich zurück zum Haus und hole meine Ausrüstung an den Platz an dem unser Gespräch stattgefunden hat. Es dauert einige Zeit, bis ich das Bild mache. Es wird ein gutes Bild sein ...

Nach einiger Zeit packe ich erst einmal ein und gehe hinüber zum Ortsvorsteher, um mich zu bedanken. Seine Reaktion überrascht mich wieder, denn meine Übersetzerin gibt mir seine Erlaubnis auch weiterhin Bilder zu machen - von ihm ist das soetwas wie eine Prokura ...

Ich muss mich beherrschen, denn überall gibt es Motive für mich ... Da ich tief in mir allerdings längst schon den Entschluss gefasst habe, diesen Ort noch einmal zu besuchen, kann ich mir die notwendige Geduld auferlegen. Ich mache auch weiterhin Bilder von meinem kleinen Fleck abseits des Geschehens ... Aufnahmen, die "näher dran" sind, kann ich bei einem weiteren Besuch immer noch machen ...

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da ist auch noch eins ...

still leben - 03
still leben - 03
Dirk Hofmann II

Commenti 27

  • Brigitte H... 19/11/2018 9:25

    "Jeder Stern am Himmel ist ein Tarahumara-Indianer, dessen Seele - Männer haben drei und Frauen vier, weil sie neues Leben schaffen - für immer erloschen ist. Solche Dinge erfährt man von Kulturanthropologen und einheimischen Priestern über den Glauben der Tarahumara. Sie nennen sich selbst Rarámuri und leben in den Canyons der Sierra Madre Occidental im Norden Mexikos. Vor 500 Jahren zogen sie sich vor den eindringenden Spaniern hierhin zurück. Die Spanier hatten nicht nur Schusswaffen und Pferde, sondern auch unheimliche Bärte. Dieser Umstand brachte das Rarámuri-Wort chabochi hervor. Bis heute bezeichnet es jeden, der kein Tarahumara ist."

    National-Geographic...
  • Jan Van Der Hooft 23/12/2005 19:29

    Wonderful great pic
    Jan
  • Marta Azevedo 26/03/2005 23:00

    I don`t need to know how to read german to tell you this image is terrific.
  • petra xoxox 05/04/2004 13:54

    du machst fantastische bilder und tolle beschreibungen... man ist dabei, ich bin sehr begeistert. du berührst die menschen...
    lg petra xoxox
  • Angelika Vaca Benavides 26/03/2004 17:21

    hallo Dirk,
    ich bin ja inzwischen nicht nur ein großer fan deiner wundervollen bilder, sondern auch den dazu gehörenden texten.
    ich fühle mich immer wieder wie in ein abenteuer hinengezogen.
    vielen dank dafür!

    lieben gruß Angelika
  • Reiner K. 24/03/2004 13:02

    Die Geschichte erinnert mich ein wenig an Castaneda ..:-)
  • Kai Rickert 24/03/2004 11:27

    Moin Dirk,

    schön mal wieder was von dir gehört zu haben, bin selbst in den letzten Monaten etwas im Winterschlaf gewesen ...
    Spanned dein Ausflug zu den Tarahumara.
    Habe selbst schon als Kind viel Interesse an anderen Kulturen gehabt und sehr viel über Indianer in Nord-, Süd-, und Mittelamerika gelesen. Beneide dich richtig, das du es geschafft hast einen "persönlichen" Kontakt herzustellen.
    Ich war selbst ganz stolz, daß ich es auf meiner letzten USA Reise geschafft habe ein größeres Reservat im Nordwesten zu besuchen. War allerdings eher von der Landschaft beeindruckt, als von den Menschen, von denen ich nur ziemlich wenig zu Gesicht bekommen habe und wenn, dann nur als Tourist im Souvenirshop
    (so hab ichs mir natürlich nicht vorgestellt :-)
    Schätze die Fotos also als besonderen Beitrag in der FC, kann mir lebhaft vorstellen, wie schwierig es ist auf einer solchen Reise Fotos zu machen, ohne sich selbst dabei blöd vorzukommen oder das Gefühl zu haben eine Grenze zu überschreiten, die man selbst nicht überschreiten will.

    Lieben Gruß an die ganze Familie
    Kai
  • Baerbel B. 24/03/2004 8:22

    Da kann ich mich den Vorrednern nur anschliessen, faszinierende Geschichte und Bilder.Und die Hoffnung auf "mehr", oder?
    LG Bärbel
  • Robert Krettek 23/03/2004 23:22


    WUNDERschön.

    R.K.
  • Any Won 23/03/2004 22:26

    sehr stark!
  • Rike Bach 23/03/2004 21:41

    ... ich glaub' das was zu sagen ist haben andere schon getan...
    außer vielleicht, dass ich virtuell meinen Hut ziehe - vor deinen Bildern und deiner Einstellung...
  • Melonie 23/03/2004 20:53

    ...
  • Ines Pérez Navarro 23/03/2004 13:11

    Sehr gut und klasse Licht.
    LG Isis
  • Wurzn Sepp 23/03/2004 12:35

    sehr schöne farben... die geschichte wie immer mitreißend...

    wunderbar!


  • João Carlos Espinho 23/03/2004 12:04

    wirklich klasse!

    LG
    joão