Mei Görl...
Keine Sorge ich beherrsche durchaus einige Brocken der englischen Sprache, zumindest soweit, daß ich den in Fastlautschrift gehaltenen Titel des Bildes korrekt wieder geben kann.
My Girl paßt eben gut zu dem im Bild angegebenen Zugziel. Tatsächlich fuhr diese Lok während ihrer Stadtbahnzeit häufig den Görlitzer Bahnhof an. Aber nicht nur sie allein. Das Netz der Berliner S-Bahn war damals so dicht geknüpft, daß es Takt abstände auf bestimmten Strecken gab, von denen man heute nur träumen kann. Alle 2 Minuten kam eine S-Bahn.
Aber das wollte ich garnicht erzählen. My girl, mein Mädchen oder wie ich sie meist nenne "meine Dicke" hat mich nie im Stich gelassen. Jedenfalls nie seit ich auf der rechten Seite stehe. Aber vor exakt 25 Jahren, da war ich noch Heizer und da hat sie uns einen Streich gespiel. Es war bei den Jubiläumsparaden in Nürnberg Langwasser.
Es war mal wieder Sonntag. Nachts um Null Uhr wurde man unbarmherzig vom Wecker aus dem Schlaf gerissen. Fertig machen für den Dienst. Um eins geht der Bus zum AW Nürnberg, den muss man unbedingt mitkriegen, will man die Strecke vom Rangierbahnhof bis ins AW nicht schlaftrunken zu Fuß zurück legen. Dutzende stehen im Schwarzmann an der Haltestelle, geredet wird nicht viel, die Müdigkeit liegt noch wie Blei in den Knochen. Der leichte Nebel tut noch ein übriges. In der provisorisch eingerichteten Meldestelle des Aws werden die Lokpersonale zu den Abstellplätzen ihrer Fahrzeuge gewiesen. Die meisten Dampfloks sind noch vom Vortag im Feuer, bei einigen Maschinen ist sogar ein Nachtheizer geblieben. Daher wird der Weg zuerst in die Kantine genommen. Diese hat zu dieser unchristlichen Zeit extra geöffnet, denn bis es wieder eine Gelegenheit zum Essen gibt werden noch zehn Stunden vergehen.
Die fränkischen Spezialitäten wie „saure Zipfel, Stadtwurst“ usw. finden schnell ihre Abnehmer, aber der Hit ist eine Tasse heißer Kaffee und zwei belegte Brötchen. Als erste gehen die Heizer zu ihren Maschinen, um ihre Kollegen von der Nachtschicht abzulösen, oder um den Kessel frisch anzufeuern. Mit dem Schein ihrer Lampen beleuchten sie die Schmierstellen und füllen verbrauchtes Öl nach. Manch einer sorgt mit Putzwolle oder Lappen noch für den letzten Schliff. Langsam kommt die Morgendämmerung. Um fünf Uhr beginnt das Ausrücken in den Aufstellbahnhof Dutzendteich. Sonntags fängt die Parade eine Stunde früher an, damit die weithergereisten Besucher und Teilnehmer zu annehmbaren Zeiten wieder daheim sein können.
In einem der vielen Gleise des Aufstellbahnhofs steht die 74 1192 mit ihrem Abteilwagenzug. Vor ihr befindet sich die Themengruppe „Privatbahn gestern und heute“. Die 74 bildet das erste Fahrzeug der Gruppe Nahverkehr. Die 360 150 ist das Nummerngirl und trennt die beiden Gruppen. Langsam kommt Bewegung in die Szene. Nach und nach verlassen die Fahrzeuge der Privatbahngruppe das Gleis, die anderen Fahrzeuge rücken nach. Wieder bewegt sich das Dreirädchen vorwärts und die 74 zuckelt hinterher. Da gibt es einen Knall und die 74 ist im Bereich der Zylinder vollständig vom Dampf umhüllt.
Ende der Parade? Es hat ja schon manche Panne bei der Parade gegeben, so hatte man z.B. der Lok „Lucy“ den Zughaken abgerissen. Aber das hat man wieder hingekriegt. Fahren konnte die 74 noch, nur das Lokpersonal hat nichts mehr gesehen. Signale, Markierungen, nichts war mehr erkennbar. Die Lok fuhr durch eine Nebelwand. Mit dem Lokführer des Dreirädchens traf man die Vereinbarung, bis zum Beginn der Paradestrecke sollte das Dreirädchen die 74 mit ihrem Zug ziehen, dann abhängen durch die Paradestrecke fahren, in reichlichem Abstand hinter der Paradestrecke warten und dann den Zug bis ins AW wieder an den Haken nehmen. So geschah es dann auch.
Die Befestigungsmuttern vom Luftsaugeventil des rechten Zylinders hatten sich vom Gewinde gerissen, dadurch strömte ein Teil des Dampfes ungenutzt ins Freie und nebelte die Lok ein. Vier neue Gewindebolzen und Muttern und der Schaden war behoben. Am nächsten Paradetag fuhr die 74 wieder wie einst in alten Zeiten.
Jürgen Divina 09/05/2022 22:50
Eine Pracht, die alte Ringbahnlok. Sehr schöne Nahaufnahme, und so passend zu meiner heutigen Überführung über die Ruhrbrücke in Steele. Die noch deutlich älter ist als dein Bild.Viele Grüße, Jürgen
Horn Fabian 30/08/2010 21:55
Sie ist wirklich ein Schmuckstück, schade das sie nicht mehr dampft. Aber auch museal bietet sie immer wieder ein tolles Fotosmotiv. Schön eingefangen.LG Fabian
Thomas Hoog 30/08/2010 19:57
Gutes Licht, ja. Aber abgeschnitten... vielleicht wäre Hochformat besser gewesen. Bei entsprechender Bildgröße läßt sich´s ja zu Hause schneiden.Die Schlußscheibe habe ich erst gar nicht gesehen, die war doch schon mal vermißt, oder nicht?
VG Thomas
blind lense 30/08/2010 18:55
@Ralf. Das ist der Fluch der bösenTat. Digitalkamera mit Display und die Sonne steht tief im Rücken. Da sieht man nichts mehr. Deshalb ist es so blöde abgeschnitten. Und die Schlussscheibe habe ich auch nicht gesehen. Arrrrgggghhh** Du weißt schon warum.
Ralf Göhl 30/08/2010 16:43
Ja mei Heinz so eine Dampflok ist halt immer eine fahrende Baustelle.Dein schönes Foto mit Zug ist aber im eigenen Stall entstanden wie ich sehe.
Warum hast du das Bild unten so abgeschnitten?
War es aus Platzmangel oder was, ist eigentlich Schade.
Aber wer hat denn die Schluss-Scheibe so dämlich da angehängt ?
LG Ralf
Michael PK 30/08/2010 15:02
Wunderbarer Himmel direkt mal für ein gutes Bild ausgenutzt