Mit Blut an den Händen
Mit liebem Dank an Andrea Bächstädt
für den Votingvorschlag – gugge, was geht!
;-)
Mit Blut an den Händen
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Oder: Im Tannenwald hört dich niemand schreien!
Normalerweise ist mein Motto ja: Du kannst ohne Bild nach Hause kommen, doch nie ohne eine Geschichte und wer meine Bilder kennt, kennt auch die Geschichten dazu, die ich nur allzu gerne erzähle. Jedoch gibt es Fälle, da hätte ich doch glatt auf die Geschichte verzichten wollen. Ernsthaft!
Die Entstehung dieses Bildes beinhaltet so ziemlich alles, was die Nachtlandschaftsfotografie aus der Komfortzone katapultiert. Dass die Scheibenwaschanlage der Karre, die ich mir dank der Unterstützung meiner Schwester mieten konnte, nicht funktionierte, war noch gar nicht mal so schlimm. Und auch nicht dramatisch war der Ausfall des Reifendruckprüfers an der Tanke (da gab es nette Männer, die mir helfen konnten).
Wirklich schlimm ist die mir ureigenste Abenteuerlust und nach dieser Tour fürchte ich mich ein wenig vor dem, was ich mir noch alles in den Kopf setze. Und schlimm ist auch manchmal die blanke Dummheit, die mich bisweilen (für mich völlig) unerwartet besuchen kommt.
Denn selbst für mich war ja sichtbar, dass es geschneit hatte und das bei eisigen Temperaturen. Meine Lebenserfahrung sagt mir darüber hinaus, dass Schnee auch einiges verdecken kann. Es hätte also gar nicht zwingend zu folgendem Drama kommen müssen.
Den Abzweig auf den Feldweg zu der Anhöhe in der Nähe des Hoherodskopfes im hessischen Vogelsberg schien mir nicht – zu steil bei den Wetterverhältnissen. Schätze, da war ich noch klug. Also bin ich auf dem Weg weiter gefahren auf der Suche nach einer Standortalternative. Ich wollte durch den Tannenwald auf das nächste Feld auf einem Wirtschaftsweg, der natürlich normalerweise derbe von Treckern bearbeitet wird. Der Schnee bedeckte mein Verhängnis uns das war eine zugefrorene und mit Schnee bedeckte Pfütze – sie brach ein!
Sie beinhaltete eine Luftblase und das Eis war an der Stelle dünn. Leute, Leute … nichts ging mehr! Weder vor, noch zurück! Anfangs war ich ja noch optimistisch, das Problem schnell lösen zu können, denn ich befand mich immerhin in einem Tannenwald. Ein paar Zweige sollten mich schnell aus meiner misslichen Lage befreien helfen können. Hä-hä! Nö! Denn das an den Reifen angrenzende Eis war sehr dick. Es dauerte eine Weile bis ich verstand, was zu tun ist, doch bis dahin hörte der Wald wilde verbale Ausbrüche von mir:
„Deine beknackte Abenteuerlust geht mir auf den Geist, Frau Sölter! Du hast das bescheuerste Hobby der Welt und stellst Dich dabei auch noch grottendämlich an. So ein Mist! Gott sei Dank sieht Dich hier niemand! Wie peinlich!“ Eine Stunde mindestens habe ich gebraucht, um das Gefährt und meine Nerven wieder frei zu bekommen. Mit den bloßen Händen habe ich Zweige gebrochen und Eisbrocken um die Reifen rausgepopelt. Das Blut an den Händen schrieb ich lediglich einer Wunde zu. Am nächsten Morgen erst bemerkte ich jedoch, dass meine Hände voller Wunden waren, die Fingerkuppen sowie die Nagelbetten teilweise eingerissen und extrem spröde. Und erst die Fingernägel! Soll ich es sagen? Sie waren rabenschwarz! Ich konnte kaum mehr greifen.
Vor dem Hintergrund dieses Dramas maß ich der Tatsache, dass ich ja noch bei kuscheligen -10°C längere Zeit fotografieren wollte, eine weitaus geringere Bedeutung zu.
Tatsächlich (und da war ich wohl wieder klug in der Vorbereitung) habe ich lediglich manchmal einen Hauch gefröstelt dank diverser Kleidungsschichten und Snow Boots.
Und da ich mich bei dieser Aufnahme für die Technik des Stapelns entschieden habe, dauerte die reine Belichtung dieser Panoramen für Himmel und Boden doch ganz schön lange.
Später kam noch ein Jäger vorbei und ich bekam mein Du-Du-Du, denn ich durfte da oben ja gar nicht stehen. Mein erster Jäger! Er war not amused, hat aber derartig gebibbert, dass er die Sache wohl schnell hinter sich bringen wollte. Nach 9 Stunden in der Kälte, einem intensiv erlebten Adrenalinausbruch, einem Bushbox-Picknick, nach angewandter Diplomatie (auf die Frage „Wie kriegen wir die Kuh vom Eis?“ bin ich wirklich stolz!) dem Fotografieren eines wunderbaren Winterhimmels hatte ich sie:
Meine erste Wintermilchstraße und eine Geschichte, die ich zwar einerseits gerne verheimlichen möchte, die aber andererseits einfach zu markant ist, um sie nicht zum Besten zu geben.
Kurz noch zu dem Foto:
Zwar alles von einem Standort fotografiert, aber doch Himmel und Boden „kreativ“ zusammengesetzt, denn die Milchstraße lief einerseits über den Zenit und die Enden befanden sich an jeweils anderer Stelle. Ich habe kein Problem mit dieser Vorgehensweise.
nachgeführt | gestapelt | Montage | Panorama
(TRACKED | STACKED | COMPOSITION | PANORAMA)
Himmel (18.12.2022)
Kamera: Canon EOS 77D
ISO 3200 • n=f/4 • jeFrame 3x240“ (nachgeführt)
Brennweite: 11mm
2 Reihen • 7+3 Frames • Hochformat
Objektiv: Tokina atx-i 11–16mm 1:2,8
Boden (18.12.2022)
Kamera: Canon EOS 77D
ISO 3200 • n=f/4,0 • 240“
Brennweite: 11mm
1 Reihe • 5 Einzelbilder • Hochformat
Objektiv: Tokina atx-i 11–16mm 1:2,8
Nachführung:
Omegon Minitrack LX3
Bearbeitung:
PTGui • Photoshop
Andrea Bächstädt 04/01/2023 12:56
Märchenhaft schön! Viel Erfolg.LG Andrea
Andrew Gross 02/01/2023 10:33
Eine wahnsinns Geschichte und Fotoarbeit. Chapeau.Andrew
Annegret H. 28/12/2022 18:00
Für diese fantastische Fotoarbeit haben sich deine Mühen und Opfer gelohnt.LG Annegret
Marco Henrich 28/12/2022 13:36
dem ist nichts hinzuzufügen!skalare 44 27/12/2022 22:21
die Geschichte zu diesem Bild!!!!!!....da kann ich jetzt nur sagen....Dein Aufwand hat sich mehr als gelohnt!!!!!!Lg Ursula
Günter de Graph 27/12/2022 10:30
Wie eine Himmelsbotschaft präsentierst du die herrliche Landschaft.Liebe Grüße und einen harmonischen Jahresausklang vom Günter.
ampferhe 27/12/2022 10:10
Hallo Claudia, da hast du aber einen ziemlich großen Aufwand für das Bild betrieben. Aber, es hat sich gelohnt. Gratuliere. Ich mache hin und wieder auch solche Bilder und kann daher die Mühe bei der nächtlichen Kälte gut nachvollziehen. Deine Hände werden wieder. Wahrscheinlich sind sie schon wieder - lass dich nicht vor weiteren Taten abschrecken. Mir hilft bei solchen Shots immer ein Locationcheck bei Tageslicht und eine gute App mit Nacht-VR um tagsüber schon zu sehen was mich nachts erwartet. Gutes Gelingen LG Herbertullr 27/12/2022 7:21
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass in Mitteldeutschland so eine Aufnahme möglich ist.Glückwunsch zu dieser tollen Aufnahme.
Gruß und eine erfolgreiches, gesundes Neues Jahr wünscht
Christian
Marcus-Bremen 27/12/2022 2:24
Was für eine Aufnahme und erst recht was für ein Story dazu Claudia!Das Ergebnis gibt Dir aber recht und ich hoffe alle Wunden sind mittlerweile verheilt!
Grüße aus Bremen
Marcus
Paul Roland Vettermann 26/12/2022 19:39
Diese, Deine erste 'Wintermilchstraße', in Verbindung mit der Story, zeugt für mich einmal mehr davon, was Du für eine außergewöhnliche Frau, Fotografin und EBV Spezialistin bist.Über dieses Foto gibt es nur eines zu sagen und hier schließe ich mich Heiko an: GRANDIOS. Ja und Deine Art zu Schreiben schreit gerade danach, über ein Buch
nachzudenken; ein Buch in dem Du Deine bisherigen, diesbezüglichen Abenteuer erzählst. HG PRV
Josi Winiger 26/12/2022 19:15
Nach so einer vorgeschichte wäre ich wohl nicht mehr zum fotografieren gekommen. Du aber hast alles gegeben und es gibt wiederum ein tolles Bild von dir.Deine Bilder faszinieren immer wieder von neuem, liebe Claudia. Die Geschichten gehören dazu, die Steigerung wäre noch ein Making off rund um die Geschichte :-)
Gruss Josi
Heiko Schulz 26/12/2022 18:34
Auch wenn das Drama, welches du hier zum Besten gibst, eigentlich gar nicht lustig ist, habe ich vor Lachen Tränen in den Augen gehabt. Allein die Geschichte ist es wert. (die Schimpftiraden hätte ich gerne gehört ;-))) )Was soll ich zum Foto und der dahinter steckenden Arbeit sagen: GRANDIOS.
LG Heiko
PS: Ich hoffe, es ist alles wieder gut verheilt.