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Monte Cristallo

... der Dürrensee und andere Illusionen.

"Der Tourismus zerstört das, was er sucht, in dem er es findet."

Hans Magnus Enzenberger

In keinem meiner bisherigen Urlaube habe ich diesen Satz so extrem erlebt und empfunden wie im Sommer 2022 in Südtirol.

Wunderschöne Landschaft bei brüllender Hitze in den Tälern. Kein Regen. Überall Menschen - gesperrte Straßen, weil alle zu den Highlights wollten. Der Dürrensee erschien mir an diesem Tag wie eine groteske Prophezeiung... ich hätte das Bild noch in Farbe, aber da spiegelt es mein Empfinden an dem Tag nicht, weil es geradezu idyllisch wirkt wie sich ein paar Menschen an einer Pfütze sonnen.

Commenti 20

  • felipe Martínez Pérez 16/12/2023 19:59

    Un encuadre muy interesante
  • Der Könich 16/12/2023 10:50

    auch der monte cristallo ist ein opfer des zurückgehenden permafrostes und ist damit ein doppeltes opfer unserer freizeit- und alltagskultur. um ehrlich zu sein, der den linken zniken durchziehende riss würde mich sachte beunruhigen. nicht allzu sehr, aber das donnern aus der höhe würde ich mit einem resignierten 'na genau das war zu erwarten!' quittieren.
    overtourism ist ebenso ein reales problem, insta-hotspots in den bayrischen alpen im nationalpark, an denen sich unglaublich schöne menschen anstellen um ihr bildchen zu inszenieren oder überlaufene dörfer, in denen sich die wenigen verbliebenen einwohner gegen die vermutung zur wehr setzen müssen, sie wären statisten und der ganze ort ein museum in dem man beliebig jede türe öffnen dürfe. 
    wie überall ist es nicht genau der einzelne individualist, es ist die tatsache, dass sich jeder einzelne darauf beruft, der einzelne wirklich echte individualist unter den vielen zu sein, die anderen sind nur wegen irgendeines influenzas da, mitläufer, die zufällig das eine photo vom pisanischen schiefturm machen wollen, das ich auch machen wollte (geraderücken), die aus gedankenloser ahnungslosigkeit, ich als gesellschaftssatire. es ist traurig, doch jeder einzelne in der menge ist teil der menge, nicht einmal eine wirklich andere intention würde etwas daran ändern. andererseits ist es mittlerweile eh schon egal, könnte man trocken anmerken. venedig wird weiterhin überrannt werden, hallstatt und dürnstein auch, der infinity-pool am königssee wird trotz betretungsverbot weiterhin als kulisse für selbstdarstellung herhalten müssen. und die touristen werden sich über besucherquotifikation auslassen, weil . . . ja, kein mensch kann ernsthaft was gegen mich haben. 
    es ist dieselbe argumentation wie jene der weither angereisten motorradfahrer die sich mit dem protest der anwohner der beliebten strecken konfrontiert sehen. der einzelne ist je nach topographie in zwei minuten ausser hörweite, aber da in dieser zeit schon dutzende nachgerückt sind? 

    trotzdem, schön ist es da. irgendwann wird das zusammenspiel aus zeit und witterung den linken gipfel ins tal stürzen und wie jede lawine, jedes hochwasser und jeder sturm der menschheit ihre grenzen zeigen. und wenn dabei so etwas wie das tauredunum-ereignis oder das vajont-desaster herauskommt, wird es das gnadenlos und unbeeindruckt getan haben.

    besuchen sie venedig!

    so lange es noch steht . . .

    ;O)

    lg heinz
    • Per Anhalter 42 16/12/2023 21:44

      Ich komme morgen darauf zurück;))
    • Per Anhalter 42 19/12/2023 17:05

      Jetzt hat es leider doch länger gedauert... Mobilität und Wohlstand lassen reisen, viel reisen. Fast jeder hat den Anspruch, irgendwas von der Welt gesehen zu haben... Positiv betrachtet, könnte es Neugier, Bildung sein... aber natürlich hast Du auch Recht, dass es inzwischen viel Selbstinszenierung gibt. Früher hat man die Menschen mit einem Diavortrag genervt, dem man schwer entgehen konnte. Unsere Ansprüche sind gewachsen ... Früher reichte ein Ortswechsel von etwa 20 km, um mich in eine andere Welt zu bringen... jetzt müssen es schon mindestens 200 km sein. Suche ich nach Selbstinszenierung dort - eher nein. Es ist die Suche nach Input, nach neuen Gedanken, einer anderen Energie, einer anderen Herausforderung. Je schöner oder spektakulärer der Ort, desto mehr meint man, dass die Erwartung nicht enttäuscht wird. Inzwischen ist das Gegenteil der Fall, weil der Massentourismus einen nicht zu unterschätzenden Nervfaktor hat. Aber egal, man findet noch immer seine Nischen ... ich auf jeden Fall, solange ich die Berge noch hochkomme.

      Nach Venedig wollte ich übrigens noch nie ernsthaft ... zu viele Touristen und Tauben... es gibt so viele gute Fotos in der fc von Venedig... ich muss da nicht mal mehr ein Bild machen ;))

      Liebe Grüße Anke
    • Der Könich 19/12/2023 19:21

      venedig kenne ich allerdings auch nicht. ich vermute, es ist wie überall: die 'öffentlichen' bereiche sind überlaufen, lokalkolorit findet man abseits. 
      so wie in dem irrtümlich noch als pizzeria gekennzeichneten fischrestaurant, irgendwo unterhalb von pisa. und ohne darstellbare sprachliche schnittmenge bekamen wir etwas unfischiges zu essen, das sich nicht auf der karte befand. diese liebenswerte verbindlichkeit, das ist für mich immer noch mein bild von italien (und ist über 30jahre her). 
      oder der obsthändler, der den verkauften apfel durch einen anderen ersetzt, und dann drei weitere neu drapiert, gleich neben der eisdiele mit dem lustigen namen 'i puffi' (die schlümpfe). 
      andere energien? ja, das trifft es gut, eine fremde stimmung, andere wertungen von notwendikeit und zielen, andere sichtweisen. auch eine andere zufriedenheit, abseits des gelenkten stromes und ausserhalb der sichtweite der reiseführer, ein überlaufener 'geheimtip' zwischen weiteren überlaufenen 'geheimtipps'. das hat so wenig mit dem jeweiligen leben dort zu tun, wie eine 5sterne lodge in der serengeti mit schonendem tourismus. und das, wo ich grzimek seit meiner kindheit verehre . . . ;O)
      ich befasse mich gerne mit marinen themen, auch mit gesunkenen schiffen. und was man da an bildern bekommt, von tauchern auf der jagd nach souveniers geplünderte schiffe aus den grossen kriegen, gräber nach internationalem recht, wen kümmert es? pietät? pah . . . freilich weiss ich nicht, ob ich nicht auch einen teller von der endurance mit . . . äh . . . nehmen würde, vermutlich aber nicht. diese ist auch nur leidlich von der tiefe und der beschränkten jahreszeitlichen zugänglichkeit geschützt, wieviel aus der titanic den weg in die auktionshäuser und den schwarzmarkt gefunden hat, ist erschütternd. und die liegt noch ein stück tiefer. 

      ich lese aus deinen zeilen etwas heraus, was dich auszeichnet. ich nenne es respekt. respekt vor dem, was man sieht und jenen, die einem begegnen. eine behutsame, fast zärtliche herangehensweise an alles auf dem weg wo immer es machbar ist. 

      und das ist schön.

      lg heinz
    • Per Anhalter 42 20/12/2023 19:05

      Danke Dir, auch für die letzten Worte ... ja, ich begegne fast allem mit Respekt.
  • MoJo Rising 14/12/2023 8:07

    Traurig aber wahr. Schwarzweiß ist hier schon genau richtig.

    LiGrü Peter
  • JayJay 13/12/2023 22:15

    Da hat der Enzensberger mal wider was geniales gesagt. Dennoch, tolle Aufnahme. LG Joe
  • Bernd-Dieter Kiehnlein 13/12/2023 17:37

    Eine wunderbares Fleckchen Erde, toll in Schwarz-weiß.
    LG Bernd
  • lophoto 13/12/2023 17:31

    Der Mensch ist das Leid für diese Erde
    • Per Anhalter 42 13/12/2023 17:40

      Auch wenn ich nach dieser Welt, nach solchen Ecken, Orten, Landschaften giere, aber ja, auch ich bin sicher Teil des Leides dieser Erde.
  • Davina02 13/12/2023 17:30

    Das will in meinem Kopf nicht zusammenpassen: Im Hintergrund ein schroffes, schneebedecktes Bergmassiv und vorne Wasser, Strand und Badegäste!
    LG Angela
    • Per Anhalter 42 13/12/2023 17:39

      Es gibt noch ein Bild ... ich ganz in sommerlichstem Weiß ... ergibt auch keinen echten Sinn, aber die Badenden sind noch krasser ;))
  • Manfred Ludwig 13/12/2023 17:29

    Diese majestätische Bergwelt hast Du toll auf den Chip gebannt. Du hast aber nicht erwähnt, welchen der Gipfel Du bestiegen hast. Oder klappte das mit Deinen high Heels nicht ;-)
    LG Manfred
  • MarkusHildebrandt 13/12/2023 17:28

    Eine sehr gelungene Beschreibung von Südtirol im Sommer; der halb vertrocknete See ist da fast symbolhaft! Mit den schmelzenden Gletschern wird die Wassersituation in Südtirol nicht einfacher werden; trotzdem ein wunderbares Land, aber nicht im Hochsommer hinfahren und sog. Highlights wie Pragser Wildsee, Drei Zinnen etc. meiden, es gibt so viel schöne andere Plätze...und da findet man dann noch Motive die noch nicht tausendfach im Netz sind...Gruß Markus
    • Per Anhalter 42 13/12/2023 17:36

      Das stimmt und wurde auch so gemacht. Wir waren statt auf den Drei Zinnen in Misurina unterwegs, waren auf einem anderen Berg (den ich jetzt googeln müsste ;)) Ich war in zwei Messner-Museen, auch im Lumen... war endlich in Antholz, Toblach ... all die Wintersport-Hotspots, viel gelaufen. 

      Pragser Wildsee habe ich geschafft, aber erst nach 16 Uhr als die Straßensperren weg waren... und an dem Tag war es um diese Zeit immer noch so heiß.

      Liebe Grüße Anke