Burkhard Bartel


Premium (World), Stuttgart

Moses von Michelangelo in San Pietro in Vincoli

Seit 1545 befindet sich in der Kirche San Pietro in Vincoli in Rom ein Meisterwerk: Moses von Michelangelo.
Dieser Moses ist die Hauptfigur des Grabmals von Papst Julius II., der den Auftrag für die Statue an Michelangelo vergab.
Der Meister zeigt einen meisterhaft sitzenden Moses mit den beiden Tafeln der 10 Gebote unter dem Arm, während er mit der anderen Hand über seinen langen Bart streicht. Michelangelos Biograph Vasari bezeichnet mit vielen anderen die Statue als perfekt, "sie scheint eine Arbeit eher mit einem Pinsel als mit einem Meißel hergestellt zu sein". Michelangelo hat hier die Szene nach der Gesetzesverkündigung auf dem Berg Sinai dargestellt, als Mose heruntersteigt und das Goldene Kalb sieht, das Zeichen der Verehrung anderer Götter. Mose ist zornig. Aber Michelangelo zeigt nicht den Moment des Zorns mit der Zerstörung der Gesetzestafeln, sondern das Zögern Moses in seinem Zorn, perfekt zum Ausdruck gebracht durch die angeschwollenen Venen und den Ausdruck seines Gesichts. Es wird überliefert, dass Michelangelo nach der Fertigstellung seines Werkes gesagt hätte, dass sie jetzt auch sprechen sollte, so perfekt sei sie. Vasari wagt sogar zu sagen, dass Michelangelo das historische Vorbild übertroffen habe, indem er behauptet, dass Michelangelo mit seiner Figur des Moses für Gott das Vorbild geschaffen habe, das so vollkommen ist, dass er es dereinst am Tag des Jüngsten Gerichts nachahmen wird, um Moses auferstehen zu lassen. Michelangelo übertrifft also den Schöpfergott.
Kürzlich hat ein Team der römischen Universität “La Sapienza” in Rom versucht, die Emotionen, die von dieser Statue ausgehen, von den Reaktionen der Besucher abzulesen und zu messen.

Ich weiß nicht, wie oft Sigmund Freud nach Rom gepilgert ist, um den Ausdruck dieses Mannes Moses zu studieren, ja zu meditieren. (Siehe die Beschreibung in der folgenden Darstellung.)

Die Hörner am Kopf von Moses sind das Ergebnis eine Fehlinterpretation der Moseerzählung im Buch Exodus. Eigentlich hätte das Haupt des Mose nicht von Hörnern, sondern als von Strahlen umgeben gezeigt werden müssen (Exodus 34,35). Das Wort „Keren“ (Strahl) des hebräischen Originaltextes wurde in der Vulgata-Übersetzung fälschlicherweise mit „Cornu“ (Horn) wiedergegeben. Michelangelo verfolgte also keinesfalls die Absicht, eine Teufelsskulptur zu schaffen.

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