Moskau 1986: Kein Erbsenzähler
Nowodewichje kladbishche – Neujungfrauen-Friedhof:
Georgij Wasiljewich Chicherin (1872–1936), Volkskommissar für Außenpolitik
Der Friedhof des Moskauer Neujungfrauenklosters ist der größte Ehrenfriedhof Russlands und war nur an wenigen Tagen zugänglich.
[http://maps.google.com/maps?q=55.724838,37.554206]
Georgi Tschitscherin wurde weltbekannt, als er und der deutsche Außenminister Walther Rathenau
am 16. April 1922 im Badeort Santa Margherita Ligure bei Genua den "Vertrag von Rapallo" unterzeichneten.
Er normalisierte die Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Russland,
die damit beide ihre internationale Isolation durchbrechen wollten –
das Deutsche Reich als Schuldiger am Ausbruch des Ersten Weltkriegs,
Russland international geächtet für die sozialistische Revolution.
Die Angst der Westmächte vor dieser Allianz wurde erst 1925 durch die Verträge von Locarno entkräftet.
Seit dieser Zeit geistert eine Farbbezeichnung durch Deutschland: "Tschitscheringrün" – ein Grünton zwischen Olive und Khaki.
Es ist ein widerlegter Mythos, dass der Politiker bei der Vertragsunterzeichnung einen Anzug dieser Farbgebung getragen haben soll:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-R14433,_Vertrag_von_Rapallo.jpg
Zweifellos aber hat der Name des Russen zur Verballhornung der italienischen Farbbezeichnung "ciceri" (sprich tschitschéri) geführt.
Ciceri heißen in Italien die Kichererbsen (re. oben), und sogar im deutschen Wortteil "Kicher-" steckt der lateinische bzw. botanische Name "cicer".
"Ciceri-Grün" wäre demnach korrekt; bekannteste Verwendung ist die Ishihara-Farbenblindheitstafel mit der Nummer 17.
Kichererbsen standen übrigens in Rapallo nicht mit auf der Diner-Karte ...
Mit Duplikatorvorsatz digitalisiertes Dia,
entstanden während meines Studiensemesters 1. August bis 18. Dezember 1986 in Moskau
mitten in der Gorbatschow-Ära
Common-Lizenz der anderen Bilder: Exlibris 2010 (Speisekarte von Rapallo), Webkid (Kichererbsen), frei (Ishihara-Farbtafel)
BluesTime 10/06/2013 13:59
tschitscheringrün ist noch heute bei uns im sprachgebrauch , nu wees´sch och wos herkimmtlg
DDA 10/06/2013 13:03
Das der Volkskommissar Tschitscherin Namensgeber der Farbbezeichnung war, erfahre ich nun erst hier. Ich kannte den Begriff aus "alter Zeit", hab mich aber nie um dessen Herkunft gekümmert. So hast Du dank Deiner Erklärung diese Wissenslücke geschlossen - danke!Das Grandhotel hat zu diesem Anlaß ein spannendes Menu komponiert, daran könnte ich auch Gefallen finden...
VG
Axel
Foto-Nomade 08/06/2013 18:52
Und immer noch überrascht Du mit deinen Bildern und Histörchen.Nun wissen wir es, wie das mit der Farbe war
~
Danke zu
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smokeonthewater 08/06/2013 15:19
@Dorothee: "Tschitscheringrün" ist seit den 1920-er Jahren im deutschen Sprachgebrauch, steht aber in keinem Duden. Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sich das Wort mehr auf die DDR, weil die Felduniformen der Russen und der DDR-Armee in diesem Grün gehalten waren.Die wahre Erklärung mit der Kichererbse findet man übrigens nirgendwo im Internet. Da schreibt nur einer vom anderen das Märchen mit dem grünen Anzug des Herrn Tschitscherin ab, der laut Foto aber einen schwarzen Anzug trug.
Dorothee 9 08/06/2013 14:50
Kannte ich nicht den Ausdruck "tschitscheringrün", hört sich wie Vogelgezwitscher an.Bemerkenswert liest sich die Speisekarte des Grand Hotel: außer Wodka und dem Dessert kommt alles aus anderen Ländern! Man genießt, mulitkulturell zu speisen......
Foto-Nomade 08/06/2013 5:51
Und immer noch überrascht Du mit deinen Bildern und Histörchen.Nun wissen wir es, wie das mit der Farbe war.
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Danke zu.
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