Sprechende Grabsteine 1
Sprechende Grabsteine erzählen vom Walfang
Abenteuerliche Reisen ins eisige Nordmeer brachten Wohlstand auf die Insel Föhr
Wyk auf Föhr - Seit Hunderten Jahren stehen sie auf dem kleinen Friedhof in Süderende auf der Nordseeinsel Föhr. Teils windschief oder verwittert, manche leicht vermoost, erzählen die "sprechenden" Grabsteine von fast vergessenen Zeiten, als die Föhringer auf abenteuerliche Seefahrt gingen und im eisigen Nordmeer Wale jagten. "Der Walfang hat die wirtschaftliche Entwicklung Föhrs maßgeblich beeinflusst", erklärt Inselkenner Klaus Boje. Der Tran der Meeressäuger galt früher als begehrter Leuchtstoff, mit dem Straßenlaternen in Paris oder London befeuert wurden. Vielen Föhringern, die zumeist an Bord holländischer oder Hamburger Schiffe anheuerten, bescherte er neue Reichtümer.
Der bekannteste von ihnen war der 1706 gestorbene Kapitän Matthias Petersen. Er "war in der Schifffahrt nach Grönland sehr kundig, wo er mit unglaublichem Erfolg 373 Wale gefangen hat, so dass er von da an mit Zustimmung aller den Namen "Der Glückliche" annahm". So steht es in lateinischer Schrift auf dem Grabstein, der von einem eingemeißelten Wal und Glücksgöttin Fortuna geziert wird. Noch heute zeugen zwei von ihm und seinem Bruder John gestiftete barocke Kronleuchter aus Messing im Gewölbe der benachbarten Kirche St. Laurentii von dem Wohlstand des Walfangkommandeurs, wie die Kapitäne damals genannt wurden.
"In der Hochphase um 1750 hatte Föhr rund 5500 Einwohner", sagt Volkert Faltings, Vorstand der Ferring Stiftung, die sich mit der friesischen Kultur beschäftigt. Knapp ein Drittel davon sei während der Sommermonate zur See gefahren. Das habe sich auch auf die sozialen Verhältnisse ausgewirkt. "Von März bis Oktober waren die meisten Frauen auf sich allein gestellt", ergänzt Inselkenner Boje. Das habe sie ungeheuer stolz und selbstständig gemacht.
Der Lohn ihrer Männer fiel Faltings zufolge sehr unterschiedlich aus. Während ein Kochs-Maat nach heutiger Währung rund 3500 Euro pro Saison mit nach Hause brachte, verdiente ein Kommandeur das Achtfache. "Kein Wunder, dass jeder der die Eignung dazu besaß, beizeiten danach strebte, in die Hierarchie der Schiffsoffiziere vorzustoßen", sagt der Experte. Die Position eines Offiziers oder gar Kommandeurs setzte allerdings umfangreiche Kenntnisse in Mathematik, Navigation und Astronomie voraus.
Was die Ausbildung betraf, hatten die Föhringer gegenüber den Seefahrern anderer nordfriesischer Inseln einen klaren Vorteil. So gründete Richardus Petri, von 1620 bis 1678 Pastor von St. Laurentii, die erste private Navigationsschule des Landes. Angeblich hat er unentgeltlich seine Schüler unterrichtet, die ihrerseits wiederum das gewonnene Wissen weitertragen sollten. "Nur so ist zu erklären, dass auffällig viele Föhrer Kommandeure, die aus ärmlichen Verhältnissen stammen, dank der fundierten Ausbildung schnell Karriere machten", sagt Faltings, selbst direkter Nachfahre zweier Schüler von Pastor Petri.
Wie früh manche Insulaner in See stachen ist ebenfalls auf den Grabsteinen zu lesen: Der am 30. Oktober 1753 geborene Diederich Roeloffs beispielsweise fuhr schon als Zehnjähriger zur See. Allerdings fand nicht jeder Seefahrer seine letzte Ruhestätte auf der Heimatinsel. Mangelernährung, Krankheiten oder schlechte Wetterverhältnisse haben manche Walfänger nicht überlebt.
Tine Graewer 13/02/2009 9:59
... Deine Info zu den Grabsteinen finde ich sehr interessant.Ich habe sie mir angeschaut, als ich letzten Sommer auf Föhr war.
Lieben Gruss von Tine
Peter Ackermann 21/11/2008 18:25
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass durch den Grabstein die Eltern auch trostvolle Worte mitgeteilt haben angesichts des Verlustes.Viele Grüße!
Peter
Romano und Therese Cotti-Gubler 08/11/2008 13:07
Viel Emmotionen in Stein gehauen und doch zuversichtlich und hoffnungsvoll! ThChrisG. 07/11/2008 19:55
interessant, deine Infos, find ich klasse, daß du die so ausführlich 'mitlieferst'.Schönes Wochenende wünsch ich dir.
LG Christine