Stillstand
Blick in die Schleuse Tiergarten
Stillstand – Rückkehr der Nacht
Gedicht von Rudolf G. Binding
Ein Abend kam. – Da schwiegen alle Geschütze
der ungeheuren Front. Die Waffen verstummten.
Da lief ein Beben durch die gewaltige Stille.
Es schauerten leis erschüttert die frierenden Wasser.
Ein spätes Entzücken hing über der winternden Welt.
Keine erschraken vor Glück. Bäume begehrten zu blühn.
Die Erde duftete heftig. Des Himmels Sterne erglühten.
Leichtes Gewölk weinte sich nieder in Tau.
Denn die Nacht –
es kehrte die Nacht zurück zu den Menschen.
Da mischten sich ihre wohltätigen dunklen Gewürze
erstmals wieder in den entweihten Strom meines Bluts.
Unter gewaltigem schwarzem Segel trieb ich dahin:
vorüber an Efeuhängen eines verschwiegenen Guts;
vorüber an schlafenden Türmen, ermüdeten Völkern,
verbrauchten Heeren, an dünnen endlosen Fäden
zerriebener Kolonnen und steinern schlafenden Pferden.
Und endlich glitt ich
ein in den unabsehbaren Strom der Gräber,
Nil des Todes, stehend über dem Land.
Ich sah noch einmal die Inseln des Aashauchs,
Schuttes und Brandes, die grün überspülten
versunkenen Dörfer, die staubigen Meere
verwüsteter Städte, die stummen Öden der Schlachten –
Da stieg das Licht des Tags herauf und unter ihm
versanken die dunkeln Gewässer des Stroms, die Inseln,
versanken die Dörfer und Städte, versanken die Schlachten.
Kein Ruf erweckte die toten Geschütze.
Ein Wind strich zärtlich über sprießendes Gras.
Der Morgen aller Morgen schritt ins Land.
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