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Olaf Rocksien


Premium (Pro), im Norden

V A R A N A S I

Sie mochten von weit her gekommen sein, ihre wettergegerbten Gesichter und die Kleidung ließen in ihnen Hirten oder Kleinbauern aus Gujarat, Rajasthan oder dem südwestlichen Madhya Pradesh vermuten. Eine weite Reise für das einfache Volk, absolviert mit der Bahn, in klapprigen Überlandbussen oder gar auf Schusters Rappen - und zudem eine ungleich weitere hinein in den grenzenlosen Kosmos der eigenen, tief und aufrichtig empfundenen Spiritualität.
Jeder Hindu ist bestrebt, mindestens eine Reise im Leben nach Varanasi anzutreten. Denn nirgendwo sonst ist er den Göttern so nahe wie hier, am alles durchströmenden Ganges. Sie waren, die Tika auf der Stirn machte sie kenntlich, gekommen, ihrem Gott Vishnu zu huldigen - dem Bewahrer der Werte in der Welt der Sterblichen.

Langsam hatte ich mich in ihre Nähe begeben, denn ich wollte nicht stören. Gesang begleitete ihre Zeremonie und die Reste einiger halberloschener Räucherstäbchen.
Lange bevor es zu einem bewußten Kontakt kommt, findet ein energetischer Austausch statt - ich habe es oft erlebt. Momente, in denen Worte überflüssig wurden oder gar diese nonverbale Verständigung hätten stören können.
So stand ich da und wartete, daß sie sich mir zuwenden würden - denn registriert hatten sie mich längst, in ihrer Konzentration dabei jedoch nicht im Mindesten beeinträchtigen lassen. Dann nickte der mittlere der Pilger einmal kurz, ohne dabei seinen Gesang zu unterbrechen.

Irgendwie und ohne darüber nachzudenken hatte dieses mittlerweile etwas überalterte Bild von mir immer den Titel "Kaspar, Balthasar und Melchior" bekommen - Brüder im Geiste waren es allemal!

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