Wien und der Tod Teil 2
Zentralfriedhof & Schöne Leich‘
Der Zentralfriedhof, vom Künstler André Heller als „Aphrodisiakum für Nekrophile“ bezeichnet, ist mit einer Fläche von 2,4 km2 und mehr als 300.000 Gräbern, in denen 3 Millionen Menschen bestattet sind, der größte Friedhof Europas. Er ist aber auch ein zutiefst wienerischer Ort: Stadtbewohner nützen ihn gerne für einen Familienausflug oder einen Spaziergang, laben sich vor den Friedhofstoren an Maroni- (Kastanien) und Würstelständen und kommen mit ein wenig Glück gratis in den Genuss höchster Kunst. Wenn sich nämlich Philharmoniker und Chorsänger aus der Staatsoper am Rand offener Gräber mit schmalzigen „Averln“ (Gounods „Ave Maria“) oder gestrichenen Trauermärschen etwas dazu verdienen.
Für die Ewigkeit ist den Wienern nichts zu teuer. Mit der „schönen Leich“, einer Beisetzung in großem Stil mit prunkvollem Kondukt, professionellen Grabrednern und opulentem Leichenschmaus, erweisen sie ihren Nächsten die letzte Reverenz. Immerhin die Hälfte aller Hinterbliebenen entscheidet sich für das kostspielige „Begräbnis erster Klasse“.
Sparsarg & Totengräber-Accessoires
Der Aufwand der Wiener um die Bestattung ließ ökonomisch denkende Regenten auf seltsame Ideen verfallen. Kaiser Joseph II. verordnete 1785 den „Sparsarg“, einen wieder verwendbaren Sarg mit Klappe auf der Unterseite, durch die der Tote ins Grab befördert werden konnte. Aber so genial die Erfindung auch war, die Wiener lehnten sie strikt ab, machten ihrer Entrüstung in Tumulten und Protestmärschen Luft und zwangen den Herrscher, seine Verordnung wieder zurückzunehmen.
Einer dieser Sparsärge ist im Wiener Bestattungsmuseum zu bewundern: Unter den 600 Exponaten rund um den Totenkult finden sich auch Trauer-Livréen, Schärpen und Accessoires der Totengräber, Urnen-, Sarg- und Leichenwagenmodelle sowie Vorrichtungen wie die Rettungsglocke, mit der wieder erwachte Scheintote auf sich aufmerksam machen konnten. Diese Erfindung wurde später zum Rettungswecker, einem Holzkasten mit kräftigem Läutwerk, weiterentwickelt.
Die Angst, lebend begraben zu werden, war nicht unbegründet. Mediziner schätzten Ende des 19. Jahrhunderts den Anteil an Scheintoten auf 0,5 bis 2 Prozent. Um diesem Schicksal zu entgehen, verfügten viele Menschen, dass ihnen ein Herzstich beigebracht oder die Adern geöffnet werden sollten– worauf manche tatsächlich erst dadurch den Tod fanden.
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